Kommentar
10:10 Uhr, 10.07.2007

Wann man spielen sollte

Wenn man Texas Hold’em (eine sehr populäre Variante von Poker) spielt, erhält jeder Spieler zunächst 2 Karten. Danach wird eingesetzt. Nach dieser Runde legt der Dealer weitere drei Karten auf den Tisch. Diese Karten, auch als Flop bezeichnet, können nun von allen Spielern verwendet werden, um eine möglichst starke Hand zu kreieren. Danach wird erneut nach den Einsätzen gefragt. Als nächstes folgt für alle, die sich dazu entschieden weiterhin am Spiel teilzunehmen, eine weitere Karte, die den Namen „Turn“ trägt. Auch diese Karte kann von allen Spielern herangezogen werden. Es folgt eine weitere Runde in der jeder Spieler seine Einsätze abgeben kann, und danach wird die letzte gemeinsame Karte, der River, aufgedeckt. Zu diesem Zeitpunkt kommt es zum Showdown und das stärkste Blatt bekommt den ganzen Pott.

Eine der ausschlaggebenden Fähigkeiten beim Texas Hold’em liegt darin, sich zu entscheiden, ob man mitspielen soll oder nicht. Steigen Sie aus, gehen Sie mit, oder werden Sie gar erhöhen? Alles was Sie zunächst sehen, sind die beiden ursprünglichen Karten. Sie haben nicht den Hauch einer Ahnung, welche Karten ihre Mitspieler halten, oder welche Karten im Flop, beim Turn oder am River kommen. Alles was Sie tun können liegt darin abzuschätzen wie gut Ihre Chancen stehen, und abzuwägen, wie sich die anderen Spieler verhalten. Jene Spieler, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, wissen, dass in einem 8stündigen Pokerspiel, in dem 35 Spiele pro Stunde gespielt werden, die Anzahl an Runden in denen er ein Ass und einen König unterschiedlicher Farbe erhalten wird zwischen drei und vier liegt. Hierbei handelt es sich um seltene, gute Pocket Cards (die beiden Handkarten) und man muss diese einfach spielen. Im Gegensatz dazu versprechen niedrige, nicht aufeinander folgende Karten unterschiedlicher Farbe lediglich schwache Chancen. Und wenn an ihrem Tisch hauptsächlich gute Pokerspieler sitzen, dann ist es weise in solch einem Fall auszusteigen und auf ein besseres Blatt zu warten.

Auch Trader sind der Frage ausgesetzt, wann sie denn spielen sollten. Wenn Sie häufig im Intradaybereich traden, dann wollen Sie Volatilität – selbst dann, wenn kein beherrschender Trend vorliegt. Gute Intradayswings bieten einem eine Vielzahl an Möglichkeiten um sowohl auf der Long als auch auf der Short Seite Geld zu verdienen. Auf der anderen Seite werden Handelstage mit geringer Volatilität für Stunden dazu führen, dass der Kurs sich lediglich unspektakulär innerhalb enger Grenzen bewegt. Selbst wenn Ihr Timing dermaßen gut ist, um einen Swing innerhalb der engen Grenzen mitzunehmen, werden Sie die kumulativen Kommissionen langfristig auffressen.

Um mich mit der Problematik des „wann man spielen sollte“ auseinanderzusetzen, warf ich einen genaueren Blick auf die Spiders (SPY), welcher den S&P mini Future ziemlich genau nachbildet. Ich konzentrierte mich auf die Periode zwischen September 2002 und Ende August 2004, also 493 Tradingtage. Ich berechnete des weiteren die Korrelation zwischen dem Volumen des Handelstages und der Spanne des Handelstages. Beachten Sie hierbei bitte, dass sich die Spanne aus der Differenz zwischen Tageshoch und Tagestiefkurs errechnet, die an diesem Handelstag erreicht wurden – also nicht der Preisveränderungen zum Vortag (welche eine Funktion des außerbörslichen Trading sein könnte). Die Tagesspanne ist vor allem für den Intradaytrader von hoher Relevanz, da sie Aussagen über die Tagesvolatilität macht. Interessanterweise nahm die Korrelation einen höchst aufschlussreichen Wert 0,605 an. Oder anders ausgedrückt, wurden etwa 36 % der Tagesvolatilität vom täglichen Handelsvolumen hervorgerufen.

Dieses Wissen verschafft uns einen potentiellen Vorteil. Nachdem der Markt eröffnet hat, werden Ihnen – dem Trader – zwei Pocked Cards zugeteilt. Ihre gesamten Informationen beschränken sich auf jenen Zeitraum, der seit der Handelseröffnung vergangen ist. Sie müssen nun entscheiden, ob Sie aussteigen oder erhöhen. Wenn das Tradingspiel weitergeht, dann versorgen Sie die nächsten Zeitabschnitte mit dem Flop. Ein weiteres mal obliegt Ihnen die Entscheidung zu beurteilen, ob Ihnen der Handelstag eine tolle Hand gegeben hat und Sie daher vielleicht sogar All-In gehen, ein bisschen weniger aufs Spiel setzen oder gar aussteigen. Ein wenig später, am Nachmittag, offenbart der Markt den Turn und den River und entscheidet somit wie, und ob überhaupt, Sie im Spiel bleiben. Indem Sie einen Blick auf die Markthand werfen, die Ihnen zugeteilt wurde, können Sie ein paar Rückschlüsse über die Marktvolatilität ziehen. Wenn die außerbörsliche Globex Session ungewöhnlich hohes Volumen und Volatilität gezeigt hat, dann kann man beim frühmorgendlichen Trading nach größeren Handelsspannen Ausschau halten. Wenn die Markteröffnung bzw. der Anfangshandel – also meine Pocket Cards – nur geringes Volumen zeigen, dann besteht nur wenig Grund für mich zu erwarten, dass während des Tages (wo das Volumen und die Volatilität traditionell am niedrigsten sind) Trendbewegungen mit starken Spannen auftreten.

Genau wie beim Poker aktualisiert auch der Marktspieler die Schätzungen der Wahrscheinlichkeiten mit jeder neu „offen gelegten“ Karte. Steigen oder fallen das Volumen und die Volatilität verglichen mit den jüngsten historischen Durchschnitten? Sind die beiden im historischen Kontext gerade hoch, durchschnittlich oder gering? Steht genug Bewegung zur Verfügung, dass ich auch tatsächlich dazu gewillt bin, das Spiel zu spielen?

Der professionelle Pokerspieler Ken Warren gibt den Ratschlag, „Worauf man sich immer besinnen sollte, ist, dass das Ziel nicht darin liegt Pokerhände zu spielen, sondern Hand für Hand die besten Entscheidungen zu treffen. Man spielt um Geld zu gewinnen, und nicht um Karten zu spielen, so paradox sich das auch anhören mag“. Genauso verhält es sich auch mit Ihnen beim Trading. Sie traden um Geld zu verdienen und nicht um zu traden. Wenn Ihnen der Markt keine handelbaren Swings zur Verfügung stellt, wollen Sie dann tatsächlich im Spiel sein? Die wirklich guten Pokerspieler – und Trader – wissen nicht nur wie man spielt, sondern auch wann man das zu tun hat.

Es gibt dennoch einen wichtigen Unterschied zwischen Pokern und Traden. Beim Poker kann man 7/>/>/>und 2/>zugeteilt bekommen und den ganzen Tisch mit einem Bluff täuschen, indem man aggressiv erhöht. Die anderen gehen dann davon aus, dass Sie ein starkes Blatt in Händen halten. Viele Spieler werden dann ganz einfach kapitulieren und Ihnen den Pott überlassen. Beim Trading, zumindest solange Sie keine Positionen handeln, die den Markt stark bewegen, gibt es kein Bluffen wenn die Eröffnungsperiode mit engen Spannen und geringem Volumen auftritt. Wenn Sie ein All-In riskieren, und auf einen Ausbruch spekulieren, dann besteht eine nicht zu verachtende Wahrscheinlichkeit, dass Sie genau auf die falsche Seite der Tradingspanne gesetzt haben, noch bevor der Ausbruch jemals erfolgt ist. Das unterscheidet jene Trader, die traden wollen, von jenen, die sich dazu gezwungen fühlen.

TJ-Fazit:

Trading und Pokern haben viele Gemeinsamkeiten. Man hat immer wieder die Möglichkeit auszusteigen, mitzugehen oder zu erhöhen.

Beim Traden ist es nicht möglich mit einem Bluff den Pott einzustecken. Es sei denn man bewegt genug Kapital.

Gute Trader wissen nicht nur wie man tradet, sondern auch wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.

Autor: Brett N. Steenbarger, Ph.D. Dieser Fachartikel wurde im Tradersjournal veröffentlicht.

-

http://www.tradersjournal.de - Melden Sie sich kostenlos an.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

Mehr über Harald Weygand
  • Prozyklisches Breakout-Trading
  • Pattern-Trading
  • Makro-Trades
  • Intermarketanalyse
Mehr Experten