Kommentar
09:06 Uhr, 10.04.2014

Wachstumswerte: Kann man wieder zugreifen?

Seit vorgestern scheint die Korrektur bei Wachstumswerten schon wieder vorbei zu sein. Einige Einzelwerte legten stark zu und setzen den Trend gestern fort

Erwähnte Instrumente

  • Gigamon Inc.
    Aktueller Kursstand:  
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  • Demandware Inc.
    Aktueller Kursstand:  
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Der Nasdaq stieg gestern überproportional (ich unterstelle jetzt einfach mal, dass im Technologiesegment mehr Wachstumswerte sind als z.B. im Dow Jones). Als Anleger fragt man sich da fast automatisch, ob jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist bei Wachstumswerten günstig einzusteigen. Aktien von Wachstumsunternehmen bringen hohe Gewinne. Kurse können sich schon einmal innerhalb von wenigen Wochen verdoppeln. Die Chancen locken, vor allem nach einer heftigen Korrektur, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt haben. Einige Branchen verloren fast die Hälfte an Wert (z.B. 3D Druckhersteller). Vergleicht man die aktuellen Kurse mit den Höchstständen, dann wirken die Kurse recht lukrativ. Mental ortet man da fast schon zwangsläufig ein Schnäppchen. Eine Korrektur von 50% ist ja im Prinzip ein Rabatt von 50% auf das maximale Potential (den bisherigen Höchstständen). Wer so denkt dürfte allerdings in den kommenden Wochen noch einmal sehr viel Geld verlieren, anstatt es zu verdienen, denn die aktuellen Bewegungen sind tatsächlich eine Korrektur. Es wird eine Fehlentwicklung korrigiert. Das ist etwas ganz anderes als die Konsolidierung, die wir bei den großen Indizes wie Dax und Dow Jones zuletzt gesehen haben. Und ich bin der Meinung, dass die Korrektur bei einigen Wachstumswerten noch lange nicht vorbei ist.

Erinnerungen an den Neuen Markt

Anleger haben in den vergangenen ein bis zwei Jahren massiv Wachstumswerte gekauft - und zwar in einem Ausmaß, das deutlich an den Neuen Markt erinnert. Das Angebot an solchen Aktien war dabei nicht einmal knapp und trotzdem entstand ein Hype nach dem nächsten. Ausgelöst wurden die Hypes von traumhaften Wachstumszahlen. Nicht wenige Unternehmen konnten ihre Umsätze fast jedes Jahr verdoppeln. Da möchte man natürlich dabei sein. Das Problem an der Sache ist aber, dass viele dieser Unternehmen noch nie einen Gewinn ausweisen konnten. Wachstum kostet halt, wird sich der eine oder die andere gedacht haben. Nun, das ist richtig. Um den Umsatz steigern zu können muss investiert werden. Irgendwann überschreitet der Expansionswille allerdings jegliche Vernunft. Anstatt die negativen Nettomargen zumindest einzudämmen weiteten sie sich immer weiter aus. Letztlich muss man sich als Anleger die Frage stellen: Was nutzt ein Umsatz von 500 Mio., wenn dabei ein Verlust von 100 Mio. anfällt? Diese ganz banale Frage haben sich viele nicht gestellt und bekommen nun die Rechnung dafür.

Wachstumswerte ja - aber der Preis ist entscheidend!

Grundsätzlich ist es in Ordnung in Wachstumswerte zu investieren. Das tue ich selbst mit großer Begeisterung. Allerdings darf man beim besten Willen nicht zu jedem Preis einsteigen. Die Kunst ist vielmehr niedrig bewertete Wachstumsunternehmen zu finden und einzusteigen, bevor ein Großteil der Anleger auf diese Unternehmen aufmerksam wird. Für Unternehmen, die noch keine Gewinne schreiben, halte ich Marktkapitalisierung beim zwei bis dreifachen des Umsatzes für gerade noch möglich. Eine Price/Sales Ratio von 3 ist eigentlich schon knapp jenseits der Schmerzgrenze. (Einschränkend möchte ich anfügen, dass die Grenzen nach Branchen durchaus sehr unterschiedlich sein können. Im Service und Softwarebereich können die Werte höher sein. Dort sind für gewöhnlich auch die Margen höher, sodass vom Umsatz auch mehr Gewinn bleibt.) Selbst wenn es sich um ein Unternehmen in einem Zukunftssektor handelt und es in einer Branche mit potentiell hohen Margen tätig ist, ist eine P/S Ratio von mehr als 6-8 kritisch.

Die von der Korrektur betroffenen Gesellschaften notierten nun aber nicht beim 5 fachen oder 10 fachen ihres Umsatzes. Viele Unternehmen wiesen eine Kapitalisierung vom 20 bis 25 fachen ihres Umsatzes aus. Das ist ungesund und wird jetzt gerade korrigiert. Einige Aktien haben bereits stark verloren (-30 bis -50%). Das muss noch lange nicht das Ende sein. Oftmals wäre eine Gesamtkorrektur von 75% angebracht, um wieder auf ein annähernd sinnvolles Niveau zu gelangen.

Zwei Tech-Werte, die noch weiter korrigieren sollten

Ein Beispiel für ein solches Unternehmen ist Demandware. Beim Allzeithoch notierte das Unternehmen beim 21fachen des Umsatzes. Das wird gerade wieder korrigiert. Noch sind die Kennzahlen aber zu schlecht, um bereits jetzt wieder einzusteigen. Das Unternehmen konnte den Umsatz seit 2009 zwar verfünffachen, allerdings bleiben Gewinne noch aus. Die Nettomarge erodierte von fast 0% auf -10% in 2012 und -20% in 2013. Für eine sich verschlechternde Marge und einen Umsatz von 100 Mio. USD waren Anleger zeitweise bereit 2,4 Mrd. USD zu zahlen. Das macht offensichtlich keinen Sinn, zumal sich das Wachstum zuletzt deutlich abschwächte. Die Geschäftsidee des Unternehmens ist dabei zweifelsfrei gut. Demandware stellt Software zur Verfügung mit denen Unternehmen ihre Internetseiten gestalten können. Das Interesse ist groß und wird wohl auch groß bleiben. Bis das Unternehmen aber Gewinne schreibt werden wahrscheinlich noch 3 Jahre oder mehr vergehen. Da ist es vollkommen schleierhaft wie Anleger auf den Gedanken kommen können jetzt einen so hohen Preis für einen minimalen Unternehmensgewinn in 3 Jahren zu zahlen.

Ein anderes Beispiel ist Gigamon. Das Unternehmen stellt Software her, die eine intelligente Netzwerknutzung ermöglicht. Dabei werden Daten so geleitet, dass sie möglichst schnell ankommen, Rechenoperationen dort durchgeführt werden, wo gerade am meisten Kapazität frei ist und Daten automatisch erkannt werden und zu den Richtigen Applikationen geleitet werden können. Auch das ist zweifellos zukunftsträchtig. Doch ist es wirklich gerechtfertigt für ein Unternehmen über eine Milliarde zu zahlen, welches systematisch Verluste schreibt? Gigamons Umsatz liegt bei 140 Mio. Selbst wenn sich der Umsatz weiterhin so schnell steigern lässt wie bisher, dann braucht es 6 Jahre bis die Milliardengrenze erreicht ist. Die Nettomarge liegt dann wahrscheinlich im Bereich von 5%. Das wären dann 50 Mio. Gewinn und entspräche einem KGV von 20. Was ich damit sagen will: die Marktkapitalisierung des Unternehmens ist der Geschäftsentwicklung um ca. 6 Jahre voraus. Das rächt sich. Die Aktie verlor gestern dramatisch. Der Grund: im ersten Quartal verzeichnete das Unternehmen einen Umsatz von 31 Mio. Das ist 10% unter den Erwartungen und führte zu einem Kursrutsch von 30%.

Es ist noch Potenzial nach unten vorhanden!

Als kleines Fazit möchte ich festhalten: trotz der heftigen Korrektur in einigen Branchen ist noch viel Luft nach unten. Die Überbewertung ist noch immer ausgeprägt. Zudem gehe ich davon aus, dass einige Unternehmen die Erwartungen leicht verfehlen werden. Welche Folgen das hat, hat Gigamon eindrucksvoll gezeigt. Die kurzfristige Erholung bei einigen Aktien ist meiner Meinung nach lediglich eine technische Gegenreaktion. Viele Aktien konnten von ihren 200 Tageslinien nach oben abprallen. Mehr als eine technische Gegenreaktion sehe ich hier noch nicht. Mittelfristig wird die Korrektur spannende Investitionsmöglichkeit eröffnen. Viele der Unternehmen haben ja wirklich großartige Geschäftsmodelle. Die Bewertung muss aber passen und das tut sie einfach noch nicht.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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