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11:14 Uhr, 30.06.2015

Volksabstimmung in Griechenland als Katalysator für Reform Europas

Griechenland ist nach Meinung von Daniel Stelter, Buchautor und Gründer des Diskussions­forums „Beyond the obvious“ nur ein Symptom für die Schuldenkrise und Europa müsse seine Strukturen ändern.

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Berlin (BoerseGo.de) – „So schmerzhaft die Zeit danach auch werden kann – die Volksabstimmung in Griechenland wird endlich Klarheit über den wahren Zustand der Währungsunion bringen“, kommentiert Makroökonom Daniel Stelter, Buchautor und Gründer des Diskussions­forums „Beyond the obvious“, den letzten Akt des Griechenland-Dramas.

Wenn die Griechen den 5. Juli 2015 zu einem neuen „Ochi-Tag“ machten, sei der Austritt Griechenlands aus der Währungsunion kaum mehr zu vermeiden. Und wenn sie mit Ja stimmten, sei das ein Misstrauensvotum gegen Tsipras und Syriza, und die Eurogruppe könne mit einer neuen Regierung neue Verhandlungen beginnen. So oder so – das Spiel auf Zeit gehe zu Ende, und es kämen ein paar Wahrheiten auf den Tisch, heißt es weiter.

1. „In Griechenland wurden nicht „die Griechen“, sondern die Gläubiger gerettet. Solange die EZB, größtenteils rechtswidrig, „alles tut", um den Euro zu retten, ist es für Investoren ein sicheres Geschäft, Geld in Staatsanleihen zu stecken – egal ob ein Staat kreditwürdig ist oder nicht. Das ist es, was den Laden zusammenhält, und nicht echte Fortschritte“, so Stelter.

2. Griechenland sei zwar extrem, aber kein Einzelfall. Wie könne es sein, dass die Pleite eines Landes, dessen Anteil am Bruttoinlandsprodukt der Eurozone gerade mal 1,8 Prozent ausmache, solche Schockwellen auslöse? Weil die grundlegenden Probleme der Eurozone nicht gelöst seien! Wer jetzt nur mit dem Finger auf Griechenland zeige, unterschätze die durch niedriges Wachstum, hohe Arbeitslosigkeit und übermäßige Verschuldung in vielen Euro­ländern lauernden Gefahren. So sei zum Beispiel Portugal – entgegen der gepflegten Legende – nicht weniger bankrott als Griechenland. Zwar liege die Staatsverschuldung unter der griechischen, aber die Gesamt­verschuldung deutlich darüber. Zudem wachse sie ungebremst weiter. Seit 2008 seien die portugiesischen Schulden von Staat und privaten Haushalten per Ende 2013 um 69 Prozent auf 381 Prozent des BIP gewachsen. Allen Sanierungsbemühungen zum Trotz wüchsen die Schulden weiter schneller als die Wirtschaft. Und in vielen anderen Ländern sehe es ähnlich aus, heißt es weiter.

3. „Eine geordnete Schuldenrestrukturierung ist die bessere Lösung. Der Schaden ist bereits entstanden und wir haben nur noch die Wahl, wie wir ihn realisieren wollen: Durch einseitige Zahlungseinstellungen der Schuldner, durch Inflationierung oder in einem geordneten Verfahren. Die Nebenwirkungen der ersten beiden sprechen für das geordnete Verfahren. Dazu müssten alle Schulden auf EU-Ebene in einem Schulden­tilgungsfonds gebündelt werden. Für diesen Schuldenüberhang würden die Euroländer gemeinsam haften und ihn mit eigens dafür begebenen Anleihen refinanzieren. Ein wichtiger Unterschied zu Forderungen von Thomas Piketty und anderen: Begrenzung auf Altschulden und kein Blankoscheck für zukünftige Haushaltsdefizite“, so Stelter.

4. Europa müsse seine Strukturen ändern. Verbunden mit dieser Sozialisierung der unbedienbaren Alt-Schulden sei zwangsläufig eine Fiskalunion mit Aufgabe der Budgethoheit der einzelnen Staaten. Sei dies politisch nicht durchsetzbar, müssten eine verbindliche No-Bail-Out-Klausel und die Regelung von Staatsinsolvenzen vertraglich festgelegt werden. „Nur wenn wir die Altlasten gemeinsam abbauen, schaffen wir die Grundlagen für eine echte Reformagenda in Europa. Befreit von kurzfristigem Spardruck können die Länder Europas sich auf eine Wachstumsagenda einigen: Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, gezielte Einwanderungspolitik, Investitionen in Bildung, Innovation und Infrastruktur. Zweifel an der Tragfähigkeit einer solchen Lösung sind im Lichte der vergangenen Jahre durchaus verständlich, doch gibt es, solange wir am Euro festhalten, keine Alternative“, so Stelter.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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