Kommentar
07:57 Uhr, 14.04.2015

Verrückt: Kreditnehmer bekommen Zinsen!

Einen Kredit aufnehmen und dafür von der Bank Geld bekommen? Das geht, massenweise sogar.

Es ist soweit. Die finanzielle Repression (Vermögenstransfer von Gläubigern zu Schuldnern) hat einen neuen Höhepunkt erreicht: negative Kreditzinsen. Der EZB, aber auch der Schweizer Nationalbank, der Dänischen und Schwedischen sei Dank. Bisher gab es nur vereinzelt Gerüchte, dass Kreditnehmer Zinsen bekamen und nicht mehr zahlen mussten. Jetzt sieht es so aus, als würde es so langsam zu einem flächendeckenden Phänomen.

Für diejenigen, die einen Kredit aufgenommen haben ist das natürlich großartig. Sie müssen immer weniger zahlen. Die Zinslast fällt weg und auch die Rückzahlung des eigentlichen Kreditbetrages kann sich durch die negativen Zinsen verringern. Eine spanische Bank, Bankinter, hat einige Kreditverträge, bei denen nun negative Zinsen fällig werden. Aus diesem Grund reduziert die Bank jeden Monat den ausstehenden Kreditbetrag der Kunden um den anfallenden negativen Zins.

Im Einzelfall kommt es immer darauf an wie der Kreditvertrag gestrickt ist. Viele Verträge sind an den Euribor gekoppelt. Der Euribor ist der Interbankensatz, also jener Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Der Euribor mit einer Laufzeit von zwei Monaten ist bereits negativ. Der 3 Monats-Euribor steht nur noch ganz knapp über 0%.

Viele Verträge haben einen Euriborsatz als Grundlage. Auf diesen Zinssatz wird dann noch ein Aufschlag fällig, z.B. 3 Monats-Euribor +1%. Es gibt nun gerade in den Südländern einige Verträge, die keinen Aufschlag von einem Prozent auf den Euribor verlangen. Einige Kredite haben als Zinssatz eine Mischung aus 3 und 6 Monats- Euribor. Hier könnte der Zinssatz bald unter Null sinken.

Einige Banken haben vor der Krise ihrer Kreativität freien Lauf gelassen, um noch mehr Kredit zu vergeben. So gibt es auch Verträge, in denen ein Euriborsatz steht und von diesem dann ein Prozentsatz abgezogen wird. In einem konkreten Fall berichtet das Wall Street Journal von Euribor minus 1,1%. Im besten Fall würde sich die Bank dann ein negativer Zins von 0,9% ergeben (12 Monats Euribor ist knapp 0,2%).
Je tiefer die kurzfristigen Zinsen fallen desto mehr Verträge werden demnächst einen negativen Zinssatz ausweisen. Selbst wenn in Verträgen Euribor +1% steht heißt das noch lange nicht, dass der Zinssatz nicht negativ werden kann. Grafik 2 zeigt die Zinskurve in der Schweiz. Die Zinssätze bis 12 Monate sind Interbankensätze. Ab einer Laufzeit von einem Jahr handelt es sich um die Zinsen, die der Staat aktuell zahlen muss.

Der Tagesgeldsatz liegt derzeit bei -1,5%. Das muss man sich wirklich einmal in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen. Dann fehlen einem fast die Worte - dem Sparer vor Entsetzen, dem Schuldner vor Freude. Banken wiederum sind vollkommen überfordert und wissen gar nicht, was sie tun sollen. Die Frage, ob man als Bank für Kredite Geld zahlen muss hat sich noch nie gestellt. Die IT Systeme sind oft überfordert und auch sonst widerstrebt es den Banken einfach ihren Kunden für Kredite Geld zu zahlen.

Letztlich ist es die logische Konsequenz aus der Notenbankpolitik, dass man als Schuldner für die Kredite Geld bekommt. So kann man auch versuchen eine Schuldenkrise zu bewältigen. Sparer werden natürlich enteignet. Es werden alle enteignet, die unterm Strich ein positives Vermögen haben. Jene die keines haben werden zumindest nicht ärmer und jene, die Schulden haben werden durch die negativen Zinsen ihre Schulden ein Stück weit los.

Banken wenden sich in ihrer Verzweiflung an die nationalen Notenbanken und bitten um Hilfestellung in der Frage, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Die Zentralbanken halten sich bisher zurück konkrete Ratschläge zu geben. Konsequent wäre es, wenn sie die negativen Zinsen auch zu den Kunden durchreichen und dies die Notenbanken auch klar machen, dass es so sein muss.

Insgesamt ist die Situation absurd. Sie hat aber auch durchaus etwas Gutes: negative Zinsen verringern die Ungleichverteilung von Vermögen. Sie wird die Umverteilung von Arm zu Reich, die wir seit Jahrzehnten sehen, nicht umkehren, den Trend aber deutlich verlangsamen oder kurzfristig zu Halt bringen.

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13 Kommentare

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  • Eulen_spiegel
    Eulen_spiegel

    Es wird dringend Zeit das Bargeld verboten / entwertet wird - sonst gibt es eine neue Fondidee:

    Den Schweizer Gebirgstrust.

    Einfach einen alten Gebirgsbunker mieten, einen schwerbewaffneten Wachdienst anheuern und Kredite ohne Ende aufnehmen - als Sicherheit dient das Bargeld im Bunker, das man dann einfach nur anhäuft, um den Kredit nach Ende der Laufzeit "zurückzuzahlen", minus Zinsen.

    Und wenn Bargeld verboten ist, kann man die Zinsen dann auch auf -5% senken - schöne neue Welt. Die Superreichen werden trotzdem noch reicher, Anleihen sind eher in den Rentensparplänen der Mittelschicht/Arbeiterschicht zu finden.

    10:30 Uhr, 14.04.2015
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Es fehlt da bloß noch die Frage: Womit verdienen Banken heute noch Geld? Oder ist eine negative Bilanz zukünftig etwas Positives?

    09:47 Uhr, 14.04.2015
  • bembes
    bembes

    Schwachsinn !!!!! Und wer ist der Auslöser ?? die EZB mit Super-Draghi natürlich !!

    und wo bleiben die Politiker, namens Merkel, Schäuble, Juncker !!!!! alles Flaschen !

    07:40 Uhr, 14.04.2015
    1 Antwort anzeigen
  • fehu001
    fehu001

    hihi, lach mich schlaff.

    endlich wird auch klar, wie die überverschuldeten Staaten (weltweit) ihre Schulden zurück zahlen werden.

    Na bitte, geht doch

    21:29 Uhr, 13.04.2015
  • melody
    melody

    Hallo,

    wie lange wird es dann dauern bis auch die Sparkasse Zinsen senkt? Ein Bekannter muss einen Kredit weil sich sein Auto verabschiedet hat. Kann man hier lieber noch 1-2Wochen warten? Oder dauert es erst Monate bis man bei der Sparkasse keine 3%+ zahlen muss.

    Hab bei mir mal geschaut (comdirect) und dort ist der Zinssatz auch noch so hoch.

    LG

    21:20 Uhr, 13.04.2015
    1 Antwort anzeigen
  • gruetzi
    gruetzi

    Schöner Artikel und am Ende machst Du leider alles kaputt. Wie kann man denn im Fazit von "Sie [Anm. die Situation der Negativzinsen) hat aber auch durchaus etwas Gutes" sprechen, wenn Sparer massivst enteignet werden, die Menschen in die Verschuldung getrieben werden und wir aus den Verfehlungen der vergangenen Jahre nichts gelernt haben? Die Negativzinsen werden darüber hinaus mM nach in keiner Weise das Vermögen von den Reichen- Superreichen schmälern, ist dieses doch wohlwissend in Aktien oder Immobilien angelegt. Hier werden einzig und alleine marode und reformunwillige Regierungen über Wasser gehalten, um den längst fällig gewordenen Systembankrott zu verschleppen!

    20:31 Uhr, 13.04.2015
  • moneymaker22
    moneymaker22

    Zitat: Die IT Systeme sind oft überfordert und auch sonst widerstrebt es den Banken einfach ihren Kunden für Kredite Geld zu zahlen.

    Es würde mir als Unternehmer auch widerstreben wenn ich für mein Produkt/Dienstleistung auch noch bezahlen sollte, das hat mit Marktwirtschaft nichts mehr zu tun, das ist einfach nur noch Krank

    20:29 Uhr, 13.04.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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