Kommentar
10:30 Uhr, 21.02.2024

Vergeht Amerikanern die Konsumlaune nun doch?

Bisher schienen US-Konsumenten unersättlich. Das hilft auch dem Aktienmarkt. Jetzt zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen.

Diese Ermüdungserscheinungen kamen in Form von schlechten Einzelhandelsumsätzen im Januar. Gegenüber Dezember gingen die Umsätze um 1,1 % zurück. Auf Jahressicht lag der Rückgang bei 0,2 %. Es ist der erste Rückgang seit Frühjahr 2020, als Lockdowns Konsum teils unmöglich machten (Grafik 1).

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Rückläufige Einzelhandelsumsätze sind selten. Dass sie zu Pandemiebeginn oder während der Rezession 2008/09 fielen, überrascht nicht. Dass es gerade jetzt einen Rückgang gibt, ist hingegen durchaus überraschend. Selbst in mehreren wirtschaftlichen Schwächephasen zwischen 2010 und 2020 kam es niemals zu einem Rückgang.

Anleger reagierten auf die Daten mit Käufen von Aktien, nicht mit Verkäufen. Das bedeutet, dass Anleger in den Daten keinen beginnenden Wirtschaftsabschwung sehen, sondern lediglich einen Rückgang im hohen Konsumtempo. Das ist grundsätzlich positiv zu werten, denn zu hohes Wachstum facht nur wieder die Inflation an.


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Ob sich die Daten aus dieser Perspektive wirklich feiern lassen (solides, aber nicht zu hohes Wachstum), ist fraglich. Januardaten sind immer stark saisonal bereinigt. Andernfalls ist nicht zu erklären, dass die Einzelhandelsumsätze gegenüber Dezember in vielen Jahren nicht fallen, sondern steigen. Im Dezember findet immerhin das Konsumfest Weihnachten statt. Auf unbereinigter Basis gehen die Umsätze im Januar tendenziell um 20 % gegenüber Dezember zurück.

Die Januardaten sind bei der ersten Veröffentlichung also sehr unsicher. 2024 gab es noch einen weiteren Umstand, der schwierig war. Das Wetter war ungewöhnlich schlecht. Fast 600.000 Arbeitnehmer konnten wegen des Wetters nicht arbeiten. Wenn das Wetter Arbeit erschwert, ist tendenziell auch der Konsum schwach (Grafik 2).

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So zeigte sich in einigen Konsumkategorien ein besonders starker Rückgang. Ausgaben für Bau- und Gartenmaterialien fielen um mehr als 4 %. Ist das Wetter schlecht, wird weniger gebaut. Ohne diese Sonderfaktoren aufgrund des Wetters wären die Umsätze wahrscheinlich auf Jahressicht nicht rückläufig.

Gleichzeitig deutet sich für die kommenden Monate bereits wieder ein Rebound an. Die Notenbank von Chicago erhebt unter Einzelhändlern die Umsatzerwartungen. Diese gehen den tatsächlichen Daten um ungefähr vier Monate voraus. Die Datenreihe ist volatil. Der Mehrmonatsdurchschnitt dreht allerdings sehr robust nach oben.

Selbst die Schwäche im Januar, ob wetterbedingt oder nicht, wurde angedeutet (Grafik 3). In den kommenden Monaten sollten die Einzelhandelsumsätze wieder deutlich zulegen. Die Umfrage der Chicago Fed impliziert ein Wachstumspotenzial von 4 %. Das ist selbst nach Abzug der Inflation noch ein anständiges Wachstum. Der Einzelhandel macht ja nur einen Teil der Konsumausgaben aus.

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Die Daten waren weniger schlimm als gedacht. Anleger feierten sie sogar als Goldilocks, weil sie eine Abschwächung des Wachstums zeigten, ohne aber eine Rezession anzukündigen. Blickt man hinter die Kulissen und den Ausblick, wird in den USA immer noch konsumiert als gäbe es kein Morgen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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