Kommentar
10:11 Uhr, 29.07.2019

Value-Aktien: Nicht mehr viel wert - aber warum?

Value Aktien tragen es im Namen: sie sind etwas wert. In Wahrheit werden sie aber von Anlegern gemieden wie die Pest.

Man kann sich viele Theorien ausdenken, weshalb es Value-Aktien schwer haben. Zunächst lohnt aber ein Blick auf die Größenordnung der Underperformance. Seit 2007, dem Jahr vor der Finanzkrise, haben Wachstumswerte Value-Aktien deutlich geschlagen. Der Performance-Index zeigt das eindrucksvoll.

Die Underperformance liegt inzwischen bei 35 %. Wer also in Wachstum investiert hat, steht heute deutlich besser da und zwar gleich um 50 %. Der Depotstand wäre also 50 % höher als bei einem reinen Value-Investment

Diese lange Dürre ist außergewöhnlich. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Underperformance, aber noch nie für einen so langen Zeitraum. Die Underperformance zur Zeit der Internetblase war mit 40 % höher, dauerte aber keine zwei Jahre. Derzeit befinden wir uns schon im zweiten Jahrzehnt der Underperformance.

Annualisiert macht das inzwischen auch viel aus. Über die letzten 10 Jahre war die Performance von Value im Durchschnitt um 2 % schlechter als die von Growth (Grafik 2). In den letzten 5 Jahren waren es sogar über 5 % und über 3 Jahre 4,7 % - pro Jahr. 2 % oder sogar 4 % mögen nicht eindrucksvoll klingen, doch wenn das viele Jahre so geht, summiert sich die Underperformance ganz schön auf.


Wieso aber kommt es überhaupt zu dieser schlechten Performance? Darauf gibt es mehrere Antworten. An vorderster Front steht ein Messproblem. Value muss man ja irgendwie messen, um überhaupt entscheiden zu können, ob ein Unternehmen zu dieser Kategorie gehört.

Ein Maßstab ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Ist es gering, ist das gut. Die Logik dahinter ist einfach. Hat ein Unternehmen Netto-Vermögenswerte von z.B. 1 Mrd. und ist an der Börse lediglich 800 Mio. wert, kann man einen Euro Vermögen zu 80 Cents erwerben. Toll.

Die Wirtschaft hat sich nun aber gewandelt. Die größten Geldmaschinen unserer Zeit (Google, Facebook, Apple usw.) haben kaum Vermögenswerte. Microsoft hat ein KBV von 10. Lässt man immaterielle Vermögenswerte unberücksichtigt, liegt das Verhältnis sogar bei 20. Das ist aus Value-Sicht eine Katastrophe. Trotzdem generiert Microsoft deutlich mehr Wert als eine alte Fabrik.

Value-Indizes sind mit „Asset-schweren“ Unternehmen beladen. Dazu zählen Autobauer, Ölunternehmen, Tabakunternehmen, Telekomaktien, Minenwerte und Hersteller von Gütern des täglichen Bedarfs wie etwa Kraft Heinz. Damit wird das Problem zusätzlich offensichtlich. Anleger trauen Autobauern nicht über den Weg. Der globale Automarkt stagniert seit Jahren. Alle warten auf eine Trendwende, aber seit vielen Jahren vergeblich.

Öl- und andere Rohstoffunternehmen haben es derzeit ohnehin nicht leicht. Seit dem Crash 2014/15 kommt der Sektor nicht mehr auf die Beine. Tabak war auch schon einmal moderner. Mit Telekomaktien gewinnt man auch keinen Blumentopf. Bei einer Marktdurchdringung von nahezu 100 % ist Wachstum eben schwierig. Das gilt auch für Unternehmen wie Kraft Heinz.

Es gibt auch noch einen dritten Faktor. Value-Aktien weisen häufig eine hohe Dividendenrendite aus. Der Gewinn wird größtenteils über diesen Weg ausgeschüttet. Wenn es schon kein Wachstum gibt, so doch zumindest regelmäßiges Einkommen. Das führt dazu, dass die Kurse kaum steigen.

Unternehmen, die ihre Aktien zurückkaufen, steigen, weil der Gewinn je Aktie steigt. Würden sie stattdessen alles in Dividenden stecken, würden die Kurse auch anders aussehen. Diesen „optischen“ Effekt darf man nicht ganz vernachlässigen.

Einige dieser Umstände werden sich früher oder später wieder ändern. Auf absehbare Zeit wird das wohl nicht der Fall sein. Bis es soweit ist, wird man mit Value nicht viel Wert im Depot generieren.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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