Kommentar
18:11 Uhr, 15.02.2008

USA: Nur eine Stimmungsrezession?

1. Das derzeitige Stimmungsbild des US-Konsumenten ist derzeit alles andere eindeutig. Im Laufe dieser Woche wurden bereits zwei Stimmungsindikatoren bekannt gegeben, die in ihrer Entwicklung kaum unterschiedlicher hätten sein können. Der IBD/TIPP-Economic Optimism Index stieg überraschend auf 44,5 Punkte an, immerhin den höchsten Wert seit Oktober 2007. Das ABC Verbrauchervertrauen, welches wöchentlich erhoben wird, sackte dagegen auf den tiefsten Stand seit November 1993. Das bekanntere und gewichtigere Konsumklima der Universität von Michigan wurde heute für Februar mit einem überraschend deutlichen Rückgang auf 69,6 Punkte im Februar gemeldet (Bloomberg-Median und Deka- Bank: 76,0 Punkte). Dies ist der niedrigste Wert seit 16 Jahren. Ein solcher Wert wäre mit dem Beginn einer Rezession durchaus vereinbar. Sowohl die Lage- als auch die Erwartungskomponente hat sich im Vergleich zum Vormonat verschlechtert.

2. Dass die Stimmung der US-Konsumenten derzeit stärker von den Entwicklungen an den Finanzmärkten als von den tendenziell fallenden Benzinpreisen beeinflusst wird, zeigt auch der Verlauf des Rasmussen-Index seit Anfang des Jahres. Dieser Indikator wird täglich erhoben, sodass die Auswirkungen der Tagesschwankungen an den Aktienmärkten bzw. bei den landesweiten Benzinpreisen auf die Stimmung der privaten Haushalte erkennbar werden.1 Während sich die Tagesänderungen bei den Aktienmärkten relativ zeitnah auch in dem Stimmungsindikator niederschlagen, lässt sich der eigentlich negative Zusammenhang zwischen Stimmungsindikator und Benzinpreisen (fallende Benzinpreise führen zu höheren Stimmungswerten) derzeit nicht erkennen.

3. Die unterschiedlichen Entwicklungen der einzelnen Stimmungsindikatoren sind geradezu symptomatisch für die derzeitige konjunkturelle Lage, denn deren Einschätzung ist auch für die professionellen Analysten alles andere als eindeutig. So lassen sich zwar für das vielfach diskutierte Rezessionsszenario hinreichend gute Gründe finden, und mancher Konjunkturindikator wie das heutige Konsumklima deutet durchaus den Beginn einer Rezession an. Allerdings signalisiert die überwiegende Mehrheit der Makroindikatoren eher eine schwache Wachstumsphase als eine Rezession. Diese ausgeprägte Konjunkturdelle wird aber von stark schwankenden Makroindikatoren bzw. deutlichen Marktüberraschungen in beide Richtungen gekennzeichnet sein, die sich in entsprechenden Stimmungsschwankungen sowohl bei den privaten Haushalten als auch an den Finanzmärkten in den kommenden Monaten übersetzen werden.

4. Die Industrieproduktion ist im Januar gegenüber dem Vormonat den Markterwartungen entsprechend um 0,1 % mom angestiegen, wir hatten mit einer Stagnation gerechnet. Die Kapazitätsauslastung blieb unverändert bei nach oben revidierten 81,5 % (Bloomberg-Median: 81,4 %; DekaBank: 81,3 %).

5. Die drei Hauptgruppen entwickelten sich durchweg unterschiedlich. Die Produktion der Versorger stieg deutlich um 2,2 % gegenüber dem Vormonat. Zwar hat der deutliche Kälteeinbruch am Ende des Monats auch zu Stromausfällen geführt. Letztlich überwog aber die höher als saisonübliche Heizaktivität. Ein deutlicher Produktionsrückgang wird dagegen vom Bergbau gemeldet (-1,8 % mom). Die gewichtigste Hauptgruppe bildet das verarbeitende Gewerbe. Dessen Produktion stagnierte im Januar im Vergleich zum Vormonat. Insbesondere der Produktionsrückgang in der Automobilindustrie belastete, während der Bereich Computer und Elektronik weiterhin seine Produktion kräftig ausgeweitet hat, wobei sich hier sogar über die vergangenen sechs Monate auch eine zunehmende Dynamik feststellen lässt. Für die Produktgruppe „Business Equipment“ wurde ein monatlicher Anstieg von 0,4 % gemeldet. Diese Teilabgrenzung liefert aktuelle Informationen hinsichtlich der Investitionstätigkeit der Unternehmen. Der Anstieg im Januar ist insoweit überraschend, als er auf eine weiterhin gute Investitionstätigkeit der Unternehmen hindeutet. Somit scheinen die Bremswirkungen der Kreditkrise weiterhin nicht in der Realwirtschaft anzukommen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rezessionsdiskussion ist dies offensichtlich überraschend, denn in den vergangenen zehn Rezessionszeiträumen lässt sich kein Beispiel finden, in dem die Investitionen der Unternehmen nicht rückläufig waren (im Gegensatz zum privaten Konsum, der in sieben der vergangenen zehn Rezessionsphasen weiter expandierte, wenn auch schwächer).

6. Die Produktionsentwicklung der Unternehmen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, ist derzeit schwach, wenn auch nicht rezessiv. Die Details der heutigen Daten hinsichtlich der Investitionstätigkeit der Unternehmen deuten allerdings an, dass die allgemein erwartete Konjunkturdelle (bzw. Rezession) im Januar (noch) nicht begonnen hat. Wir bleiben trotz dieser positiven Überraschung bei unserer Einschätzung, dass sich die Kreditkrise zeitnah belastend auf die US-Wirtschaft bemerkbar machen wird. Die Realwirtschaft mag der aktuellen Stimmungsrezession nicht komplett folgen – ein unvermindertes Bruttoinlandsproduktswachstum in Höhe des Potenzials von gut 2,5 % im ersten Halbjahr 2008 ist aus heutiger Sicht aber kaum vorstellbar.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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