USA: Möglichkeiten und Grenzen politischer Maßnahmen zur Bewältigung der Kreditkrise
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1. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass selbst aggressive Leitzinssenkungen der Fed kein ausreichendes Mittel sind, um den starken Verwerfungen auf den Kreditmärkten in einem nennenswerten Ausmaß entgegenzuwirken. Die Fed hat hieraus ihre Lehren gezogen und neue Instrumente geschaffen, mit denen sie die Liquidität im längerfristigen Bereich der Geldmärkte und vor allem am Markt für Mortgage Backed Securities (MBS) direkter unterstützen kann als mit einer Lockerung der Geldpolitik allein. Zwar ist es noch zu früh, um den Erfolg dieser Maßnahmen zu beurteilen, es besteht jedoch Anlass zu einer gewissen Skepsis. So sinnvoll und notwendig die Schritte der Fed auch sind, so wenig richten sie sich an die eigentliche Wurzel des Übels, die Verschlechterung der Kreditqualität am Hypothekenmarkt und daraus resultierende Zweifel an der Gesundheit des Bankensystems. Um diese Vertrauenskrise zu überwinden, wäre ein Plan notwendig, der die aus den Kreditausfällen folgenden Verluste des Finanzsektors auf ein erträgliches Maß begrenzt. Wegen des potenziell enormen Schadens, den eine weitere Eskalation der Kreditkrise anrichten könnte, ist der Einsatz staatlicher finanzieller Mittel in diesem Bereich durchaus denkbar. Die bisher zur Diskussion stehenden Initiativen deuten aber darauf hin, dass der private Sektor in stärkerem Maße in Haftung genommen werden wird als bei früheren Bailouts.
Die Fed hat ihr Instrumentarium deutlich erweitert
2. In normalen Zeiten beschränkt sich das Tätigkeitsfeld einer Zentralbank auf den sehr kurzfristigen Bereich des Geldmarktes. Sie stellt dort dem Bankensystem diejenige Menge an Reserven zur Verfügung, die zur Erfüllung der Mindestreservepflicht, zur Versorgung der Öffentlichkeit mit Bargeld und zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs notwendig ist, und steuert auf diese Weise den Tagesgeldsatz. Die Fristentransformation und die Sicherstellung der Handelbarkeit von Wertpapieren werden dagegen weitgehend privaten Stellen überlassen. Mit dem Ausbruch und der sukzessiven Verschärfung der Kreditkrise wurde es jedoch notwendig, dass die Fed auch auf diesen Gebieten tätig wird, denn der Anstieg der Risikoprämien im längerfristigen Bereich der Interbankengeldmärkte und die eingeschränkte Liquidität (sprich: Handelbarkeit) von risikobehafteten Wertpapieren kamen in ihren Auswirkungen einer Erhöhung der Leitzinsen gleich.
3. Stoßrichtung all dieser Liquiditätsmaßnahmen sind die miteinander verflochtenen Probleme auf den Geld- und Kreditmärkten. Die Wahrnehmung einer erheblichen Verschlechterung der Kreditqualität am Hypothekenmarkt hat nicht nur zu deutlichen Kursverlusten von mit Wohnungsbaudarlehen unterlegten Anleihen geführt, sondern auch die Handelbarkeit dieser Wertpapiere stark beeinträchtigt. Dies zieht wiederum bei Finanzinvestoren, die derartige Papiere halten, den Bedarf nach sich, ihre Liquiditätsposition längerfristig abzusichern. Gleichzeitig funktioniert die Fristentransformation am Interbankengeldmarkt weniger reibungslos als in normalen Zeiten, da aufgrund der hohen Verluste des Bankensystems Ausfallrisiken hier eine deutlich höhere Bedeutung zukommt als früher. Insofern ist die Ausweitung der Spreads zwischen den längerfristigen Geldmarktsätzen und dem erwarteten Pfad der Leitzinsen letztlich ein Symptom der Krise am Markt für verbriefte Hypotheken. Gleichzeitig erschwert die Anspannung am Interbankengeldmarkt aber auch die Refinanzierung von Wertpapierbeständen und mindert so die Nachfrage insbesondere nach risikobehafteten Aktiva wie MBS und Corporate Bonds.
4. Die ersten Maßnahmen der Fed, wie die Ausweitung der Laufzeit von Diskontkrediten und die Einführung der Term Auction Facility, zielten in erster Linie auf eine Beruhigung der Geldmärkte ab, die indirekt aber auch die Kreditmärkte unterstützen würde. Ein vorteilhafter Begleitaspekt war dabei, dass im Rahmen dieser beiden Kreditfazilitäten risikobehaftete Wertpapiere als Sicherheiten verwendet werden können, was deren Attraktivität erhöht. Der geringe Erfolg, den die Fed auf diese Weise insbesondere auf den Kreditmärkten erzielte, veranlasste sie aber schließlich dazu, ihre Aktivitäten in stärkerem Maße direkt auf die Wertpapiermärkte zu richten. Am deutlichsten zeigt sich dies in der am 11. März ins Leben gerufenen Term Securities Lending Facility, die es den primary dealers1 ermöglicht, risikobehaftete Wertpapiere, darunter insbesondere auch private, mit einem AAA-Rating ausgestattete MBS, für eine Frist von 28 Tagen gegen USStaatsanleihen zu tauschen. Diese Maßnahme der Fed richtet sich somit nicht auf die Geldmärkte, sondern soll die Liquidität der für diese Fazilität zugelassenen Wertpapiere erhöhen. Auf diese Weise will die Fed verhindern, dass die primary dealers aufgrund von Liquiditätsengpässen versuchen, risikobehaftete Wertpapiere auf Märkten mit ohnehin schon eingeschränkter Liquidität abzustoßen, wodurch deren Kurse weiter unter Druck geraten und die Verluste des Bankensystems zunehmen würden. Die gleiche Absicht verfolgte die Fed offensichtlich auch mit der finanziellen Begleitung der Übernahme von Bear Stearns durch JP Morgan sowie die am 16. März eingeführte Primary Dealer Credit Facility. Letztere stellt zwar im Wesentlichen eine Ausdehnung des Diskontfensters auf den Teil der primary dealers dar, die keine Banken sind und deshalb keine Diskontkredite in Anspruch nehmen dürfen, und betrifft damit in erster Linie die Geldmärkte. Da die primary dealers wichtige Akteure auf dem Markt für MBS und andere verbriefte Kredite sind, dürfte der Schutz der Wertpapiermärkte aber auch bei dieser Maßnahme im Vordergrund gestanden haben.
5. Die Fed hat in ihrer Kommunikation zwar von Beginn an eine strikte Trennlinie zwischen der Liquiditätsversorgung des Finanzsystems und ihrer Geldpolitik gezogen, jedoch sind ihre Handlungsspielräume auf diesen beiden Feldern nicht gänzlich unabhängig voneinander. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass auch diejenigen Liquiditätsmaßnahmen, die sich unmittelbar auf die Geldmärkte beziehen, nicht die Bereitstellung von mehr Zentralbankgeld (Bargeldumlauf und Einlagen der Kreditinstitute bei der Fed) zum Gegenstand haben. Durch das Angebot von Liquidität für längere Laufzeiten als bei ihren üblichen Offenmarktoperationen versucht die Fed vielmehr, die derzeit eingeschränkte Fähigkeit der Interbankengeldmärkte zur Fristentransformation auszugleichen. Diese hatte zeitweise zu einer deutlichen Erhöhung der Zinssätze im längerfristigen Bereich der Geldmärkte relativ zum Niveau der Leitzinsen geführt und damit insbesondere die ersten Zinsschritte der Fed in ihrer Wirkung zumindest zum Teil konterkariert. Trotz der Anspannung im längerfristigen Bereich der Geldmärkte hat die Nachfrage nach Zentralbankgeld insgesamt durch die Kreditkrise jedoch nicht nennenswert zugenommen.
6. Die Wirkung der neu geschaffenen Kreditfazilitäten lässt sich am besten anhand der Bilanz des Federal Reserve Systems erläutern. Auf der Aktivseite führen die Liquiditätsmaßnahmen zu einer Zunahme der Forderungen in Form kurzfristiger Kredite an das Bankensystem und auf der Passivseite zu höheren Einlagen der Kreditinstitute. Die Nachfrage nach diesen Reserven ist jedoch extrem unelastisch. Zwar trifft das Angebot der Fed an längerfristiger Liquidität durchaus auf ein reges Interesse, jedoch halten die betreffenden Institute diese Mittel nicht als unverzinste Guthaben bei der Zentralbank, sondern lösen damit andere Verbindlichkeiten ab. Letztlich fließen die von der Fed bereitgestellten Ressourcen daher an das kurze Ende des Geldmarktes und drücken dort die Federal Funds Rate unter den von der Fed anvisierten Zielwert. Um die Kontrolle über die Federal Funds Rate zu behalten, muss die Fed daher die Liquiditätsmaßnahmen, die sie im längerfristigen Bereich des Interbankengeldmarktes betreibt, sterilisieren, d.h. in Bezug auf den gesamten Umlauf an Zentralbankgeld unschädlich machen. Bezogen auf ihre Bilanz bedeutet dies, dass sich die Vergabe zusätzlicher kurzfristiger Kredite an das Bankensystem nicht in einer Bilanzverlängerung niederschlagen darf, sondern durch den Abbau anderer Aktivposten ausgeglichen werden muss. In der Praxis geschieht dies in erster Linie dadurch, dass die Fed Staatsanleihen aus ihren eigenen Beständen verkauft.
7. Auch diejenigen Liquiditätsmaßnahmen der Fed, die sich nicht auf die Geldmärkte beziehen, also insbesondere die Term Securities Lending Facility, setzen einen ausreichenden Vorrat an Staatsanleihen als Manövriermasse voraus. Insofern begrenzt ihr Bestand an Staatsanleihen von derzeit 612 Mrd. US-Dollar (Stand 26. März 2008) den Handlungsspielraum der Fed in Bezug auf Maßnahmen, mit denen sie die Senkung der Leitzinsen flankiert, um den Verwerfungen auf den Geld- und Kreditmärkten entgegenzuwirken. Seit Ausbruch der Kreditkrise im Juli vergangenen Jahres ist das Volumen an Treasuries in der Bilanz der Fed bereits um 178 Mrd. US-Dollar zurückgegangen. Zudem können durch die Term Securities Lendig Facility sowie die angekündigte Aufstockung der Term Auction Facility Staatsanleihen im Wert von bis zu 220 Mrd. US-Dollar absorbiert werden. Aber auch dann würde die Fed noch über einen relativ großen Puffer verfügen, sodass die Durchführung weiterer Liquiditätsmaßnahmen nicht unmittelbar zu einem Konflikt mit der Fixierung der Federal Funds Rate führen wird. Entscheidend bleibt die Entwicklung auf den Hypothekenmärkten
8. Während den Liquiditätsmaßnahmen der Fed bei der Beruhigung der Geldmärkte durchaus ein gewisser Erfolg zugesprochen werden kann, besteht dieser im Bereich der Kreditmärkte allenfalls darin, eine weitere Verschärfung der Krise vermieden zu haben. Zu erklären ist dieses Resultat vor allem dadurch, dass die Fed zwar zu einem gewissen Grad verhindern kann, dass Banken aufgrund von Liquiditätsengpässen risikobehaftete Wertpapiere abstoßen und damit deren Kurse noch weiter sinken lassen. Mit der Bereitstellung von Liquidität allein ist sie jedoch relativ machtlos gegen die derzeit generelle Abneigung der Investoren gegenüber verbrieften Krediten aufgrund der noch nicht absehbaren Verluste durch Kreditausfälle. Eine rasche und signifikante Erholung der Märkte für MBS, Corporate Bonds und andere Kreditprodukte würde daher voraussetzen, die Höhe derartiger Verluste auf ein für das Finanzsystem tragfähiges Maß zu begrenzen. Wegen der potenziell starken gesamtwirtschaftlichen Schäden, die eine längere Fortsetzung oder sogar Eskalation der Kreditkrise hervorrufen könnte, stellt sich die Frage, inwieweit staatliche Mittel zu diesem Zweck eingesetzt werden sollten.
9. Ein solches „Bailout“ wäre für die USA kein Novum. Ähnliche Maßnahmen hat es bereits in den Dreißigerjahren im Anschluss an die Große Depression und in den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren zur Bewältigung der Savings and Loans-Krise gegeben. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass derartige Bailouts extrem kostspielig werden können. Nach Berechnungen des General Accounting Office2 beliefen sich die Kosten für die Abwicklung der während der Savings and Loans-Krise in Konkurs gegangenen Institute auf 160 Mrd. US-Dollar, die zu 83 % vom Steuerzahler aufgewendet werden mussten. Spätestens seit der Asienkrise besteht jedoch ein breiter Konsens darüber, dass der private Sektor in einem höchstmöglichen Maß an den Kosten der Bewältigung einer Finanzkrise beteiligt werden sollte, um Fehlanreize zu vermeiden. Ein solches Bailin dürfte daher ein zentrales Element eines jeden denkbaren Rettungsplans zugunsten des Hypothekenmarktes und damit des breiteren Finanzsystems werden. In der Praxis dürfte dies darauf hinauslaufen, dass die Inhaber verbriefter Wohnungsbaudarlehen im Gegenzug zu staatlichen Unterstützungsmaßnahmen in einem verkraftbaren Ausmaß auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Bereits Anfang März hatte Notenbankchef Bernanke in einer Rede darauf hingewiesen, dass ein partieller Schuldenerlass im Eigeninteresse der Gläubiger liegen könnte, wenn dadurch eine Zwangsvollstreckung vermieden und so der Wert der Hypothek gesteigert werden könnte. Die Verbriefung von Hypotheken und der begrenzte Handlungsspielraum der Dienstleister, die im Auftrag der Investoren die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Hypothekenschuldnern übernehmen, würden eine solche Lösung jedoch erschweren. Wie gewichtig dieses Argument ist, zeigt sich unter anderem darin, dass die unter der Bezeichnung HOPE NOW bekannte Initiative, die u.a. das Einfrieren der Zinsbelastung für bis zu 1,2 Mio. Subprime-Schuldner vorsieht, erst durch die Vermittlung von Finanzminister Paulson zustande gekommen ist. Mit dem Einsatz staatlicher finanzieller Mittel zur Abdeckung zumindest eines Teils der Kreditausfälle hätte die US-Regierung ein wichtiges Faustpfand in der Hand, um auch die Finanzindustrie zu rascheren und deutlicheren Zugeständnissen zu bewegen und damit die Grundlagen für eine Erholung an den Kreditmärkten zu legen.
10. Ein staatliches Bailout könnte im Prinzip auf zwei verschiedenen Ebenen ansetzen: durch Unterstützung der von Zahlungsunfähigkeit und Zwangsvollstreckung bedrohten Haushalte oder durch den Ankauf verbriefter Hypotheken. Beides würde letztlich die vom Bankensystem zu tragenden Kreditrisiken mindern und damit zu einer Erholung an den Finanzmärkten beitragen. Die erstgenannte Möglichkeit besitzt den zusätzlichen Charme, den angeschlagenen Wohnimmobilienmärkten eine direkte Unterstützung zu bieten, während die zweite Möglichkeit wahrscheinlich schnellere Erfolge bei der Lösung der Vertrauenskrise im Bankensystem zeigen und damit weitere Teile der Volkswirtschaft vor den negativen Folgen eines Credit Crunch abschirmen würde.
11. Die bisher weitest reichenden Vorschläge dieser Art stammen von den Politikern Barney Frank und Christopher Dodd, Vorsitzende des House Financial Service Committee bzw. des Senate Banking Committee, und beinhalten eine Verminderung der Zins- und Tilgungszahlungen für von der Zwangsvollstreckung bedrohte Hausbesitzer. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht die Federal Housing Administration (FHA), die zugunsten dieser Hypotheken Garantien aussprechen und damit eine Umschuldung zu einem von der FHA zugelassenen Kreditinstitut erleichtern soll. Im Gegenzug müssten die bisherigen Gläubiger, also i.d.R. die Besitzer eines MBS oder einer anderen Form von Verbriefung, auf einen ausreichend großen Teil ihrer Forderungen verzichten, um die Chance auf eine vollständige Rückzahlung des verbleibenden Kredits deutlich zu erhöhen. So soll z.B. im Vorschlag Franks die umgeschuldete Hypothek 90 % des Werts der Immobilie nicht übersteigen. Durch ein derartiges Bailout würden Finanzinstitute, die in den vergangenen Jahren in verbriefte Wohnungsbaudarlehen investiert haben, in einem signifikanten Ausmaß an den Kosten der Krisenbewältigung beteiligt werden. Sie hätten aber zugleich die Möglichkeit, diese illiquiden Kredite aus ihren Bilanzen zu entfernen und die Höhe ihrer Verluste zu begrenzen. Nach Vorstellung seiner beiden Initiatoren könnte sich ein solches Programm auf Hypotheken im Gegenwert von 300 bis 400 Mrd. US-Dollar erstrecken. In Abhängigkeit von den tatsächlichen Kreditausfällen würden die von der FHA ausgesprochenen Garantien jedoch nur einen Bruchteil dessen an Kosten für den amerikanischen Steuerzahler hervorrufen.
12. Ein wesentlicher Vorteil des Vorschlags von Frank und Dodd ist, dass der Einsatz von Steuermitteln zugunsten in eine finanzielle Schieflage geratener Hausbesitzer viel eher auf politische Zustimmung stoßen dürfte als ein Bailout international tätiger Investmentbanken. Dennoch wird auch er einen vermutlich langwierigen Gesetzgebungsprozess durchlaufen müssen, und seine Umsetzung dürfte einiges an Zeit erfordern. Er könnte daher zu spät kommen, um zu verhindern, dass sich die Anspannung im Finanzsystem in einem stärkeren Maße als bisher auf die Realwirtschaft auswirkt. Aus diesem Grund bleiben auch direkte Interventionen staatlicher Stellen am Markt für MBS und andere risikobehaftete Wertpapiere für die kommenden Monate eine ernst zu nehmende Option. Initiativen in diese Richtung sind im Vergleich zu früheren Krisen bislang eher klein. Wurde im Jahr 1989 mit der Resolution Trust Corporation ein neuer staatlicher Vermögensverwalter zur Bewältigung der Savings und Loan-Krise ins Leben gerufen, greift man in dieser Hinsicht bislang auf bestehende Institutionen zurück. Insbesondere wurde den staatlich gestützten Hypothekenfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac ein größerer Spielraum für den Kauf von MBS eingeräumt. Die Auswirkungen einer solchen Maßnahme sollten jedoch nicht überschätzt werden. Zwar werden Fannie Mae und Freddie Mac immer wieder als „halbstaatliche“ Institute bezeichnet. Sie verhalten sich jedoch nicht grundsätzlich anders als andere Investoren, d.h. sie setzen ihre Mittel nicht gezielt ein, um den Markt für MBS zu unterstützen, sondern investieren dort, wo sie eine Aussicht auf Gewinne sehen. Ihre produktive Rolle dürfte daher weniger darin bestehen, das Bankensystem von Altlasten zu befreien, als vielmehr Liquidität für die Vergabe neuer Hypotheken bereitzustellen und damit die Talfahrt an den Wohnimmobilien märkten zu dämpfen. Insbesondere eine Ausweitung ihrer Aktivitäten auf breitere Bereiche des Hypothekenmarktes scheint vor dem aktuellen Hintergrund hilfreich.
13. Ein direkter Ankauf von MBS und anderen Formen verbriefter Kredite von staatlicher Seite würde das Bankensystem von einer schweren Last befreien und wäre somit eine größere Hilfe als die Möglichkeit, derartige Papiere im Rahmen der Liquiditätsmaßnahmen der Fed als Sicherheiten einzureichen. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die Fed im großen Stil zum Kauf risikobehafteter Wertpapiere übergehen wird. Die in Ziffer 6 erläuterte Notwendigkeit, im längerfristigen Bereich der Interbankengeldmärkte durchgeführte Liquiditätsmaßnahmen durch den Verkauf von Staatsanleihen zu sterilisieren, gilt ganz analog auch für einen potenziellen Ankauf von MBS durch die Fed. Das bedeutet, will sie die Kontrolle über die Federal Funds Rate nicht aus den Händen geben, kann sie den Kauf derartiger Papiere nicht durch eine Ausweitung ihrer Bilanz, sondern nur durch einen entsprechenden Abbau ihrer Bestände an Staatsanleihen finanzieren. Dadurch würde aber der oben beschriebene Konflikt zwischen der Versorgung des Bankensystems mit längerfristiger Liquidität zum einen und der Fixierung der Federal Funds Rate zum anderen verschärft, d.h. der Puffer an Staatsanleihen, der es der Fed ermöglicht, diese beiden Funktionen zu trennen, würde kleiner. Im Extremfall würde die Fed durch die Notwendigkeit weiterer Liquiditätsmaßnahmen zu einer äußerst expansiven Geldpolitik gezwungen, sofern sie nicht Unterstützung vom Finanzministerium in Form zusätzlicher Staatsanleihen erhält oder das Recht, eigene Anleihen zu emittieren. Um ihre Unabhängigkeit nicht aufs Spiel zu setzen, wäre die Fed daher gut beraten, ein eventuelles Bailout am Markt für MBS und andere Kreditprodukte von vorneherein dem Finanzministerium zu überlassen. Dieses hält sich in dieser Hinsicht aber bisher bedeckt.
14. Während der Einsatz von Steuermitteln zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungen, z.B. über die Federal Housing Administration, vermutlich auf eine breite politische Zustimmung stoßen wird, dürften staatliche Interventionen an den Wertpapiermärkten wohl eher eine weitere Zuspitzung der Ereignisse voraussetzen. Aber auch dann ist nicht zwingend, dass die entsprechenden Maßnahmen des Finanzministeriums in einem unmittelbaren Kauf risikobehafteter Wertpapiere bestehen, da auf diese Weise nicht die größtmögliche Beteiligung des privaten Sektors an den Kosten der Krisenbewältigung erreicht würde. Planungen, zu diesem Zweck einen eigenen Fonds aufzulegen, der dem Bankensystem einen Teil seiner Kreditrisiken abnimmt, sind bereits letztes Jahr im Sande verlaufen. Problematisch hieran ist insbesondere, dass ein Beitrag des privaten Sektors darin bestehen müsste, einen solchen Fonds entweder mit finanziellen Mitteln oder mit Garantien auszustatten, was die derzeitigen Liquiditäts- und Solvenzprobleme tendenziell verschärfen würde und damit kontraproduktiv wäre. Eine der zahlreichen Möglichkeiten, den privaten Sektor an den Kosten der Bewältigung der Kreditkrise zu beteiligen, könnte folgendermaßen aussehen. Banken und andere Investoren, die sich für einen bestimmten Zeitraum zum Halten ihrer kritischen Wertpapiere verpflichten, erhalten im Gegenzug dafür vom Finanzministerium eine Garantie, die ihre höchstmöglichen Verluste aus diesen Positionen begrenzt. Auf diese Weise würde zum einen der Anreiz, derartige Papiere abzustoßen, verringert und ihre Kurse damit unterstützt. Zum anderen würden Solvenzrisiken und damit die Vertrauenskrise im Finanzsektor entschärft. Je mehr Institute auf ein derartiges Angebot eingehen, desto unwahrscheinlicher würde es, dass die vom Finanzministerium ausgesprochenen Garantien auch tatsächlich in Anspruch genommen werden müssten, und desto geringer wäre die letztendliche Belastung für den Steuerzahler.
Fazit
15. Die Politik steht der Kreditkrise nicht vollkommen machtlos gegenüber. Es ist allerdings wichtig zu erkennen, dass unterschiedliche Formen von Hilfe aus unterschiedlichen Richtungen kommen werden. Die Fed dürfte sich weiterhin auf ihre ureigensten Aufgaben konzentrieren, indem sie der konjunkturellen Abschwächung durch Leitzinssenkungen begegnet und diese mit Liquiditätsmaßnahmen flankiert, um die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte soweit wie möglich aufrecht zu erhalten. Im Hinblick auf einen Ankauf risikobehafteter Wertpapiere sind ihre Mittel dagegen begrenzt und ihre Legitimation fraglich. Schritte, die auf eine Vermeidung von Zwangsvollstreckungen am Wohnimmobilienmarkt und eine Verringerung der Solvenzrisiken im Bankensystem abstellen, würden letztlich den Einsatz von Steuermitteln voraussetzen. Initiativen dieser Art müssten daher nicht von der Fed, sondern vielmehr vom Finanzministerium ausgehen. Planungen, die eine Umschuldung der von einer Zwangsvollstreckung bedrohten Hauseigentümer mit Hilfe der Federal Housing Administration vorsehen, scheinen Erfolg versprechend und politisch durchsetzbar. Direkte Interventionen des Staates am Wertpapiermarkt wären dagegen eher eine Art finale Notmaßnahme. Aber selbst dann, wenn die von der Fed bereits durchgeführten und die von Seiten der US-Regierung noch zu erwartenden Schritte die erhofften Wirkungen zeigen, dürfte es noch eine gewisse Zeit dauern, bis die miteinander verflochtenen Probleme auf den Wohnimmobilien-, Hypotheken- und Wertpapiermärkten spürbar nachlassen. Eine weitere Beeinträchtigung der konjunkturellen Entwicklung durch die Kreditkrise in den kommenden Monaten ist daher quasi unvermeidlich.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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