Kommentar
11:02 Uhr, 31.10.2013

USA kritisieren Deutschlands Exportstärke!

Ist das Zufall oder Berechnung? Genau in dem Moment, in dem die Empörung in Deutschland über die weltweite US-Spionagetätigkeit besonders groß ist, übt das US-Finanzministerium scharfe Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik.

Ist das Zufall oder Berechnung? Genau in dem Moment, in dem die Empörung in Deutschland über die weltweite US-Spionagetätigkeit besonders groß ist, übt das US-Finanzministerium scharfe Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik. In einem halbjährlichen Bericht des Finanzministeriums an den Kongress über Währungsmanipulationen taucht auch Deutschland auf. Das könnte einen natürlich schon deshalb verwundern, weil Deutschland überhaupt keine eigene Währung mehr hat, die es manipulieren könnte. Aber mit solchen Feinheiten hält man sich in Washington natürlich nicht auf.

Ganz offen kritisiert das US-Finanzministerium in seinem Bericht die große Exportstärke der deutschen Wirtschaft und macht Deutschland zwischen den Zeilen sogar für die Euro-Krise verantwortlich! Die schwache Binnennachfrage in Deutschland und die einseitige Exportabhängigkeit hätten anderen Euro-Staaten geschadet und die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa vergrößert. Deutschland habe während der gesamten Euro-Krise einen hohen Leistungsbilanzüberschuss beibehalten, schreibt das US-Finanzministerium. Andere Länder, die jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben, werden vom US-Finanzministerium für ihre Anpassungen in der Krise ausdrücklich gelobt, während die Schuldenexzesse, die überhaupt erst zur Krise geführt haben, mit keinem Wort erwähnt werden…

Die Kritik an Deutschland ist schon ein starkes Stück. Verantwortlich für die Euro-Krise sollen nach US-Lesart in erster Linie also nicht die hochverschuldeten Länder sein, die jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben, sondern Länder wie Deutschland, die seit Jahren mehr produzieren als sie konsumieren. Das ist so, als ob man bei einem Wettrennen den Sieger beschuldigt, er sei zu schnell gelaufen.

Statt Kritik hätte die deutsche Wirtschaftspolitik eigentlich Lob verdient. In keinem anderen größeren Land ist die Erwerbstätigkeit in den vergangenen Jahren so stark gestiegen wie in Deutschland. Das war eine direkte Folge schmerzhafter Reformen, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt. Der Anstieg der Beschäftigung in Deutschland ist auch die beste Voraussetzung dafür, dass in Deutschland künftig wieder mehr konsumiert werden kann – wovon nicht zuletzt die anderen Länder in Europa profitieren dürften.

Natürlich leben die USA schon seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse, was ein Grund für die einseitige Beurteilung der Situation der Eurozone sein könnte. Vor der Finanzkrise bezahlte die USA den Rest der Welt mit wertlosen Derivaten, heute bezahlt man den Rest der Welt mit wertlosen Dollars, die man sich einfach druckt. So finanzieren die USA ihre gigantischen Defizite in der Leistungsbilanz und im Staatshaushalt. Ein Modell für die Wirtschaft in Deutschland oder der Eurozone ist das aber ganz sicher nicht.

Oliver Baron

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Über den Experten

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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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