USA: Kann man dem Verbrauchervertrauen vertrauen?
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1. Der US-Konsument lässt sich als „unbekanntes Wesen“ trefflich beschreiben. Denn eigentlich hat er genügend Gründe seine Konsumausgaben zurückzufahren: fallende Immobilienpreise, Rekord hohe Benzinpreise, schwacher Arbeitsmarkt, schlechte Stimmungswerte. Nur, bislang hat er es immer noch nicht getan. Weiterhin geben die privaten Haushalte jeden zusätzlich eingenommen Cent zeitnah wieder aus. Erkennbar ist dies an der nahezu stagnierenden Sparquote. Wir wollen dem „unbekannten Wesen“ auf die Spur kommen und in den kommenden Wochen mehrere Analysen zum Thema „US-Konsument“ vorlegen. Was treibt den US-Konsumenten eigentlich? Wie sieht es mit der Verschuldungssituation der privaten Haushalte aus? Ist sie vielleicht viel besser als ihr schlechter Ruf oder ist die Lage gar noch viel schlimmer als es viele beschreien? Beginnen wollen wir unsere Artikelreihe mit einer Analyse der Stimmungsindikatoren der privaten Haushalte. Hierbei konzentrieren wir uns auf das am stärksten beachtete Verbrauchervertrauen, welches vom Conference Board monatlich erhoben wird.
2. Gemessen am Verbrauchervertrauen hat sich die Stimmung der privaten Haushalte seit Juli 2007 deutlich verschlechtert. Ohne große Zwischenerholungen sank das Verbrauchervertrauen innerhalb von 10 Monaten von knapp 112 Punkten auf unter 60 Punkte. Dies ist eine der stärksten Stimmungseintrübungen in der vierzigjährigen Historie dieses Indikators. Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber auch, dass das aktuelle Niveau zwar tief sein mag, aber nicht zwingend auf eine Rezession schließen lässt. Beispielsweise verringerte sich das Verbrauchervertrauen Anfang 2003 von ähnlich hohen Niveaus aus kommend ebenfalls auf rund 60 Punkte. Eine Rezession blieb allerdings aus. Ein weiteres Beispiel findet sich Anfang der Neunzigerjahre. Knapp ein Jahr nach Ende der 90er-Rezession sackte das Verbrauchervertrauen erneut ab. Mit 47,3 Punkten wurde nicht nur der Tiefstand der vorhergehenden Rezession unterboten, sondern der zweitniedrigste Wert überhaupt erreicht. Analog zu 2003 blieb die Rezession aus. Wegen dieser offensichtlichen Fehlsignale scheint sich das Verbrauchervertrauen als Rezessionsindikator zu disqualifizierten.
3. Wenn schon nicht als Konjunkturindikator, so lässt sich doch vermuten, dass das Verbrauchervertrauen die Konsumdynamik der privaten Haushalte erklären kann. Denn selbst wenn die privaten Haushalte die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung vermutlich nicht gut genug abschätzen können, gelingt ihnen dies eher bei ihrer eigenen Konsumtätigkeit. Es gibt eine Vielzahl von Analysen, die den Zusammenhang zwischen US-Stimmungsindikatoren und Konsumausgaben untersuchen. Beispielsweise findet Dean Croushore heraus, dass die Berücksichtigung von Stimmungsindikatoren in Prognosemodellen für die Konsumtätigkeit der US-Haushalte sogar zu einer Ergebnisverschlechterung führen kann. Die meisten Analysen kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Die Konsumtätigkeit der privaten Haushalte hängt allgemein nicht von deren Stimmungslage ab. In „normalen“ Konjunkturphasen ist dies auch durchaus nachvollziehbar. Ob das Verbrauchervertrauen innerhalb eines Zeitraums um wenige Punkte steigt oder fällt, hat letztlich keinen Erklärungsgehalt für die tatsächliche Konsumdynamik.
4. Somit ist das Verbrauchervertrauen weder ein geeigneter Rezessionsindikator noch kann es in „normalen“ Konjunkturphasen die Konsumdynamik der privaten Haushalte erklären. Zurzeit liegt allerdings keine „normale“ Konjunkturphase vor. Daher bietet sich an, die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Konsumdynamik und Verbrauchervertrauen auf Phasen der Stimmungseintrübung zeitlich zu begrenzen. Wir haben deshalb die Phasen der Stimmungseintrübungen darauf hin untersuch, ob dort Verschlechterungen des Verbrauchervertrauens mögliche Änderungen der Konsumdynamik erklären kann. Gibt es also in Phasen der Stimmungseintrübung einen engeren Zusammenhang mit der Konsumdynamik der privaten Haushalte? Wir haben hierzu verschiedene Berechnungen vorgenommen, die wir im Anhang genauer erläutern. Unsere Ergebnisse zeigen, dass in Phasen der Stimmungseintrübung der Gesamtrückgang des Verbrauchervertrauens eine geringere Konsumdynamik teilweise erklären kann. Der Zusammenhang „Stimmung verschlechtert sich und die Konsumdynamik schwächt sich ab“, lässt sich aber nur im Falle des nominale Konsums finden. Für den inflationsbereinigten, also realen Konsum ist dieser Zusammenhang statistisch nicht eindeutig. Untersucht haben wir auch, ob die Stimmungseintrübung einen zeitlichen Vorlauf gegenüber der Konsumdynamik hat und kommen hier zu eindeutigeren Ergebnissen: Das Verbrauchervertrauen läuft der Konsumdynamik nicht voraus, sodass aus der aktuellen Stimmungseintrübung nicht auf eine zukünftig schwächere Konsumdynamik geschlossen werden kann.
5. Die statistischen Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Verbrauchervertrauens und der Konsumdynamik sind insgesamt auch in Schwächephasen nicht besonders ausgeprägt. Tatsächlich stellt sich die Frage, weshalb man als Volkswirt bzw. als Finanzmarktakteur diese Indikatoren beachtet. Hierfür gibt es zwei Gründe: Erstens sind sie trotz ihres begrenzten Aussagegehalts wegen ihrer frühen Veröffentlichung hochgradig finanzmarktrelevant. Somit können Prognosen für diese Indikatoren Entwicklungen an den Finanzmärkten frühzeitig abgreifen. Zweitens decken diese Stimmungsindikatoren in der Regel neben dem Indikator selbst auch noch weitere Teilaspekte ab. Beispielsweise zeigt sich die Finanzwelt interessiert an den Inflationserwartungen und zieht dazu Befragungsergebnisse des Konsumklimas der Universität von Michigan zurate, die zusätzlich neben der allgemeinen Stimmung abgefragt werden. Im Falle des Verbrauchervertrauens liefern die Ergebnisse hinsichtlich der Arbeitsmarkteinschätzung wichtige zusätzliche Informationen. Aufgrund der frühen Veröffentlichung und der Bedeutung der Teilfragen haben die Stimmungsindikatoren durchaus ihre Daseinsberechtigung. Bei der Interpretation des Verbrauchervertrauens und anderer Stimmungsindikatoren der privaten Haushalte ist allerdings stets Vorsicht geboten. Die Gründe für die geringe Aussagekraft des Verbrauchervertrauens sind vermutlich, dass die privaten Haushalte ihr Ausgabeverhalten nicht exakt erfassen und planen. Zudem werden die Stimmungsindikatoren der privaten Haushalte häufig von Einzelereignissen beeinflusst. Aktuell sind dies die Rekord hohen Benzinpreise. Dem Verbrauchervertrauen (und anderen Stimmungsindikatoren der privaten Haushalte) kann man daher nur bedingt vertrauen.
Quelle: DekaBank
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