Kommentar
12:18 Uhr, 07.09.2007

USA: Hypothekenmarkt weiterhin in der Krise

1. Wie schlimm steht es um den US-Hypothekenmarkt? Während hinsichtlich der Bautätigkeit jeden Monat eine Vielzahl an Bauindikatoren veröffentlicht wird, sodass eine relativ zeitnahe und gute Abschätzung der Wohnungsbauinvestitionen möglich ist, gibt es zu den Entwicklungen an den Hypothekenmärkten nur wenige makroökonomische Informationen. Die wichtigsten hierzu wurden heute mit dem Datensatz „Mortgage Delinquencies“ von der Mortgage Bankers Association (MBA) für das vergangene zweite Quartal veröffentlicht. Zu unterscheiden sind hierbei einmal Daten zu den Zahlungsrückständen (Delinquencies), deren Anteil an ausstehenden Hypotheken sich im zweiten Quartal von 4,84 % auf 5,12 % erhöht hat. Daneben werden Zahlen zu den tatsächlichen Zwangsvollstreckungen (Foreclosures) ausgewiesen. Hier stieg der Anteil im zweiten Quartal von 1,28 % auf 1,40 %.

2. Einen genaueren Einblick in die durchaus verschiedenen Entwicklungen am Hypothekenmarkt liefert die Aufschlüsselung der Zahlen nach verschiedenen Schuldnergruppen und nach Hypotheken mit festem bzw. variablem Zinssatz. Während sich die Kreditqualität sowohl bei Schuldnern mit besserer (Prime) als auch mit schlechterer Bonität (Subprime) im Vergleich zum Vorquartal insgesamt verschlechtert hat, ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen Hypotheken mit festem und variablem Zinssatz. So hat sich im Bereich der schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen (Seriously Delinquent, definiert als mehr als drei ausstehende Zahlungen) der Anteil im Subprime-Segment mit variabler Verzinsung von 10,13 % auf 12,40 % deutlich erhöht. In der Vergangenheit gab es nur ein Quartal (4Q 2000) mit einem kräftigeren Anstieg. Im variabel verzinsten Prime-Segment stieg der Anteil von 1,66 % auf 2,05 % zwar auf den ersten Blick nur marginal. Gleichwohl neigt diese Zeitreihe nicht zu großen Ausschlägen, sodass der Zuwachs tatsächlich der stärkste jemals ausgewiesene ist. Wenige Änderungen gab es dagegen bei den festverzinslichen Hypothekenverträgen. Im Subprime-Segment ist hier der Anteil der schwerwiegenden Zahlungsrückstände sogar geringfügig gesunken. Dies belegt, dass die Problematik auf den Hypothekenmärkten vor allem auf der derzeit stattfindenden Anpassung der Zinszahlungen variabel verzinster Hypotheken beruht. Besonderer Beliebtheit erfreute sich in den vergangenen Jahren das Konstrukt der „2-28“-Hypotheken, also Verträge mit einer Laufzeit von insgesamt 30 Jahren, wobei nur für die ersten zwei Jahre ein fester Zinssatz und danach eine Anpassung an eine variable Verzinsung vorgesehen ist. Da das kurzfristige Zinsniveau heute deutlich höher ist als vor zwei Jahren, bedeutet dies, dass die zahlreichen Hausbesitzer, die im Jahr 2005 eine Hypothek aufgenommen haben, sich nun einer deutlichen Erhöhung der Zinsbelastung gegenübersehen. Dieser Anpassungsprozess dürfte sich mindestens bis Mitte 2008 fortsetzen.

3. Während das Ausmaß der Probleme im Hypothekenbereich weiterhin im Unklaren bleibt, zeichnen sich zumindest mögliche Auswirkungen ab: Weiterhin gilt unsere Einschätzung, dass eine Ausweitung des Häuserangebots bedingt durch einen Anstieg der Zwangsvollstreckungen nicht zwingend zu landesweit fallenden Immobilienpreisen führen muss. Der bisherige Verlauf der Krise im privaten Wohnungsbau hat gezeigt, dass der Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnimmobilienmarkt eher durch eine schwächere Wohnungsbauaktivität herbeigeführt werden wird, denn die Wohnungsbaurezession bedeutet eine geringere Ausweitung des Angebots an neuen Häusern. Eine zweite Entwicklung, die sich in den vergangenen Tagen abzeichnet, ist politischer Natur: Aufgeschreckt durch die Vielzahl an Medienberichten wird nun eine Reihe von politischen Lösungen diskutiert: Eine davon ist, dass den beiden halbstaatlichen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac erlaubt wird, auch Hypotheken aufzukaufen, deren Wert die Schwelle von 417.000 US-Dollar übersteigt. Dies würde insbesondere die seit einigen Wochen sehr angespannte Situation im Markt für „Jumbo“-Hypotheken entschärfen und so insbesondere die höherpreislichen Segmente des Wohnimmobilienmarktes stützen. Ein anderer Vorschlag sieht vor, private Haushalte, die mit ihrer Hypothek in Zahlungsschwierigkeiten gekommen sind, steuerlich zu entlasten. Bereits beschlossen wurde, die Hypothekenversicherung seitens der Federal Housing Administration (FHA) auch auf solche Hypotheken auszuweiten, die sich bereits im Zustand der Zahlungsverzögerung befinden. Dadurch soll nach Angaben der FHA ca. 240.000 Hausbesitzern eine Umschuldung und damit eine Vermeidung der Zwangsvollstreckung ermöglicht werden. Angesichts der im nächsten Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen kann davon ausgegangen werden, dass beide politische Lager eine hohe Bereitschaft aufweisen, auch Steuergelder für die Bereinigung der Hypothekenkrise aufzuwenden.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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