Kommentar
18:44 Uhr, 28.10.2005

USA: Bruttoinlandsprodukt legt um 3,8 % zu

1. Der auf das Jahr hochgerechnete Anstieg des Bruttoinlandsprodukts ist im dritten Quartal nach vorläufigen Angaben mit 3,8 % gegenüber dem Vorquartal etwas stärker ausgefallen als von uns und den Märkten erwartet (Bloomberg-Umfrage: 3,6 %, DekaBank: 3,7 %). Damit hat die größte Volkswirtschaft der Welt seit dem zweiten Quartal 2003 in jedem Quartal mit 3,3 % oder mehr zugelegt, sie ist also zehn Quartale oberhalb der Potenzialrate gewachsen.

2. Überraschenderweise stieg der private Konsum erneut kräftig um 3,9 % (qoq, ann.) und trug 2,7 Prozentpunkte zum Wachstum bei. Die Schubkraft aufgrund der Rabattaktionen der Automobilhersteller zu Beginn des Quartals war hoch (Wachstumsbeitrag der Sparte Kraftfahrzeuge: 0,6 Prozentpunkte), das war bekannt. Angesichts der bisher vom Bureau of Economic Analysis gemeldeten Monatsdaten für den privaten Konsum hatten wir jedoch mit einem insgesamt schwächeren Anstieg gerechnet. Umgekehrt nahm der staatliche Konsum deutlich stärker als erwartet zu mit einem Plus von 3,2 %. Er leistete einen Wachstumsbeitrag von 0,6 Prozentpunkten. Mit Sicherheit verbirgt sich hinter dieser deutlichen Zunahme schon der erste Ausgabebrocken im Zusammenhang mit den Aufräumarbeiten und dem Wiederaufbau der Sturmschäden nach dem Hurrikan „Katrina“.

3. Das Wachstum der Anlageinvestitionen verlangsamte sich leicht im Vergleich zum zweiten Quartal. Die Veränderungsrate betrug 5,7 % (ann.) gegenüber dem Vorquartal, wobei die gewerblichen Investitionen mit 6,2 % etwas stärker zulegten als die Wohnungsbauinvestitionen (4,8 %). Insgesamt leisteten die Anlageinvestitionen einen Wachstumsbeitrag von 0,9 Prozentpunkten. Derzeit wird zwar nicht mehr die starke Dynamik des Jahres 2004 erreicht, der Investitionszyklus hat aber immer noch viel Schwung. Dagegen bremsten die Lagerinvestitionen mit einem Beitrag von 0,6 Prozentpunkten – nach dem leichten Lagerabbau um 1,7 Mrd. US-Dollar vom Vorquartal wurden nunmehr die Lager sogar um 16,6 Mrd. US-Dollar verringert. Zu Beginn des Quartals hatte man recht sicher mit einem Lageraufbau im dritten Quartal gerechnet, allein schon in der Erwartung, dass die im Zuge der Rabattaktionen der Automobilhersteller geräumten Lager sukzessive wieder gefüllt würden. Das dürfte jetzt wohl erst im vierten Quartal sichtbar werden.

4. Schwach war die Entwicklung der Exporte (0,8 %) und in noch stärkerem Maße der Importe (0,0 %). Dank der Stagnation der Importe lieferten die Nettoexporte sogar einen leicht positiven Wachstumsbeitrag von 0,1 Prozentpunkten. Auch hier war „Katrina“ beteiligt, denn einige wichtige Handelshäfen waren ab Ende August zumindest zum Teil außer Betrieb: ein Sondereffekt also, der nichts aussagt über die weitere Entwicklung des Handelsbilanzdefizits und damit auch des Leistungsbilanzdefizits.

5. Der BIP-Deflator stieg im dritten Quartal mit annualisierten 3,1 % stärker als erwartet und stärker als im letzten Quartal mit 2,6 %. Der Deflator der persönlichen Konsumausgaben (PCE) lag ebenfalls mit 3,7 % höher als im Vorquartal (3,3 %). Hier zeigen die Detailergebnisse, dass ein Großteil des Anstiegs vermutlich auf die höheren Energiepreise zurückgeht, die sich bei den Verbrauchsgütern besonders niederschlagen. So stieg der Deflator bei Verbrauchsgütern von 5,9 % auf 7,9 %, während er bei Gebrauchsgütern sogar von -0,5 % auf -3,0 % zurückging. Zweitrundeneffekte der gestiegenen Energiepreise lassen sich bislang noch nicht feststellen. Sie wären bei Dienstleistungen am besten sichtbar, bei denen die Lohnkosten den überwiegenden Anteil ausmachen. Der Deflator für Dienstleistungen lag mit 3,0 % nach 2,9 % jedoch ziemlich genau im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2004 und sogar unterhalb des Wertes für 2004 von 3,2 %. Bei einem zweiten Blick auf die Deflatoren-Details kommt man folglich zu einem beruhigenderen Ergebnis als es der erste Blick auf die gestiegene Gesamtrate vermuten lassen würde.

6. Die Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt sind insgesamt durchaus positiv zu werten – allein die hohen Zuwächse beim Staatskonsum sind kritisch für die Zukunft zu sehen. Viele der Detaildaten sind allerdings durch die Folgen des Hurrikans „Katrina“ verzerrt und werden es auch im vierten Quartal sein. Es kann davon ausgegangen werden, dass weiterhin ein recht stabiler Wachstumstrend oberhalb des Potenzialpfades von etwa 3 ¼ % zugrunde liegt. Die heutigen Daten bestätigen unsere Prognose eines Wachstums des Bruttoinlandsprodukts von 3,6 % in diesem und von 3,4 % im nächsten Jahr.

7. Der finale Wert des Konsumklimas der Universität von Michigan für Oktober wurde etwas schwächer als zuvor mit 74,2 Punkten (vorläufiger Wert: 75,4 Punkte) gemeldet (Bloomberg-Median: 76,0 Punkte; DekaBank: 77 Punkte). Dabei war die Lageeinschätzung deutlich schwächer als zuerst gemeldet, die Erwartungskomponente wurde sogar leicht nach oben revidiert.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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