Kommentar
18:46 Uhr, 07.11.2008

USA: Arbeitmarkt nach Schwächephase jetzt auf Rezessionskurs

1. Der Arbeitsmarktbericht für Oktober bot gleich mehrere negative Überraschungen: Die Anzahl der Beschäftigten sank netto um 240.000 Personen (Bloomberg-Median: -200.000 Personen, DekaBank: -170.000 Personen) und die beiden Vormonatswerte wurden insgesamt um knapp 180.000 Stellen nach unten revidiert, sodass im September nun sogar ein Beschäftigungsrückgang um fast 300.000 Personen ausgewiesen wird. Die Arbeitslosenquote stieg deutlich auf 6,5 % (Bloomberg-Median: 6,3 %, DekaBank: 6,2 %). Zumindest die durchschnittlichen Stundenlöhne erhöhten sich den Markterwartungen entsprechend um 0,2 % gegenüber dem Vormonat (DekaBank: 0,3 %).

2. Leider wird in der Pressemitteilung vom Bureau of Labor Statistics (BLS) nicht erläutert, weshalb es zu dieser unüblich kräftigen Abwärtsrevision der Beschäftigungsdaten insbesondere für September gekommen ist. Zu vermuten ist, dass Unternehmen, die von den Hurrikans im September betroffen gewesen sind, zunächst keine beendeten Beschäftigtenverhältnisse gemeldet hatten und dies nun nachträglich getan haben. Untermauert wird diese Vermutung dadurch, dass das BLS im Vormonat darauf hingewiesen hatte, dass die Hurrikans keine negativen Effekte auf die Beschäftigungsentwicklung gehabt hätten. Dies ist allerdings nach den Erfahrungen mit Hurrikan „Katrina“ von 2005 wenig wahrscheinlich. Für den Monat Oktober weist das BLS auf einen streikbedingten Beschäftigungsrückgang um 27.000 Personen in der Luftfahrtindustrie (Boeing) hin. Aber auch ohne diese beiden Sondereffekte hat sich die Situation am Arbeitsmarkt spätestens seit Oktober deutlich verschlechtert. Von nahezu allen Branchen wird ein Rückgang der Beschäftigung gemeldet: Hatte sich beispielsweise im Baugewerbe bis zum Spätsommer die Beschäftigungsentwicklung entschärft, wurde nun im Oktober wieder deutlich mehr Beschäftigung abgebaut. Beim Rückgang im verarbeitenden Gewerbe kam der Streik in der Transportindustrie zum Tragen, sodass die Entwicklung hier den Vormonaten entspricht. Entscheidend ist allerdings das gewichtige Dienstleistungsgewerbe. Der Rückgang der Beschäftigten im Finanzsektor ist zumindest absolut mit 24.000 der höchste jemals ausgewiesene (Berechnungsbeginn: Januar 1939). Weniger historisch, aber gewichtiger ist der Rückgang im Bereich Unternehmensdienstleister, der sich einmal mehr durch eine sinkende Anzahl von Zeitarbeitern erklärt. Hinzu kam ein Rückgang im Bereich Handel-, Transport- und. Versorgungssektor. Neben dem schwachen Einzelhandel wurden auch im Großhandel recht deutlich Beschäftigte freigesetzt.

3. Bis etwa August dieses Jahres haben sich die Unternehmen mit Entlassungen noch zurückgehalten. Diese Zurückhaltung haben sie nun aufgegeben. Nicht jeder Arbeitsmarktbericht wird in den kommenden Monaten Beschäftigungsrückgänge von über 200.000 Personen aufweisen. Aber die monatlich stärksten Beschäftigungsrückgänge stehen sicherlich noch aus. Die Erfahrung mit vergleichbaren Rezessionen, und in einer solchen befindet sich die US-Wirtschaft nun sicherlich, zeigt, dass Beschäftigungsrückgänge von 300 bis 400.000 in einzelnen Monaten durchaus möglich sind. Anders als in früheren Abschwüngen sind die Unternehmen diesmal jedoch relativ gut aufgestellt und haben in den vergangenen Jahren keine Personalüberkapazitäten aufgebaut. Dies spricht dagegen, dass sehr starke Beschäftigungsrückgänge von 400.000 Personen und mehr über mehrere Monate zu erwarten sind. Bislang hat sich die Lohnentwicklung noch relativ gut entwickelt. Auch dies ist für das frühe Stadium einer Rezession nichts Ungewöhnliches. Die Lohndynamik wird vermutlich erst zur Jahreswende spürbar zur Schwäche neigen. Die Entwicklung der Arbeitslosenquote weist in diesem Zyklus eine Besonderheit auf, denn sie stieg schon sehr früh an. Hintergrund hierfür war vorwiegend, dass sich die Anzahl der Erwerbspersonen deutlich erhöhte. Seit drei Monaten allerdings steigt die Arbeitslosenquote zunehmend aus konjunkturellen Gründen, denn seither nimmt die Anzahl der gekündigten Personen deutlich zu. Es liegt auf der Hand, dass diese Entwicklung nur der Beginn der allgemeinen Abschwächung am Arbeitsmarkt sein kann, sodass die Arbeitslosenquote im Laufe des kommenden Jahres in die Region von knapp 8 % ansteigen dürfte. Dies ist für US-amerikanische Arbeitsmarktverhältnisse ungewöhnlich hoch. Zuletzt wurden Anfang der Neunzigerjahre Werte in dieser Größenordnung ermittelt.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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