US-Wahlen: Es steht viel auf dem Spiel
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Im November stehen sich Joe Biden und Donald Trump ein zweites Mal als Kandidaten um die US-Präsidentschaft gegenüber. Während Biden den Status quo beibehalten dürfte, würden unter Trump dramatische politische Veränderungen zu erwarten sein. Eine Fortsetzung der Politik der letzten vier Jahre könnte auf den Anleihemärkten zu höheren langfristigen Renditen führen, insbesondere angesichts der Verschlechterung der US-Finanzlage, die keine der beiden Parteien in Angriff nehmen will. Eine Regierung Trump hingegen dürfte wesentlich höhere Zölle einführen, die Abschiebung von Einwanderern ohne Papiere vorantreiben und versuchen, den Inflation Reduction Act (IRA) zu verwässern. Solche Maßnahmen könnten Inflation und Renditen in die Höhe treiben.
Amundi hat die aktuellen Aussagen der beiden Kandidaten zu fünf Kernbereichen analysiert: Außenpolitik, Handel, Steuern, Einwanderung und Energie. Auch, wenn Worten nicht immer Taten folgen, so geben die Ergebnisse doch wertvolle Einblicke in das Denken und die Pläne der Konkurrenten.
Deutliche Unterschiede in den Programmen
In einer zweiten Amtszeit von Präsident Biden würden sich die USA weiterhin stark in geopolitischen Krisenherden engagieren und ihre Verbündeten unter Druck setzen, die Last mitzutragen. Die Außenpolitik unter Donald Trump ist weniger vorhersehbar, wohl mit verschärften Wirtschaftssanktionen und einem weniger sicheren Einsatz für Verbündete. Die außenpolitische Agenda der Kandidaten macht einige Szenarien denkbar: Eine Eskalation des Protektionismus, insbesondere höhere Zölle, könnte zu Vergeltungsmaßnahmen führen. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf den staatlichen Finanzierungsbedarf. Die Renditen langfristiger Anleihen könnten zwar volatiler werden, aber wirklich besorgniserregend wäre ein anhaltender Anstieg der Laufzeitprämien auf langfristiger Basis. Sollte sich die Bilanz des öffentlichen Sektors weiter verschlechtern, wäre dies sehr wahrscheinlich. Mehr Protektionismus steht auf der Agenda beider Kandidaten. Biden könnte die Palette der Ziele erweitern, während Trump mit seinem Wunsch, die US-Schlüsselindustrien zu schützen, Handelskonflikte mit den Verbündeten in Europa und Asien lostreten könnte.
Auch die Steuerpolitik wird ein zentrales Thema sein. Keiner der beiden Kandidaten hat bisher einen klaren Weg zur Tragfähigkeit der US-Schulden vorgeschlagen. Trump wird die Verlängerung seines 2017 verabschiedeten Gesetzes über Steuersenkungen und Arbeitsplätze priorisieren, während Biden versuchen wird, die Steuern für Bezieher niedriger bis mittlerer Einkommen zu senken und die für Bezieher hoher Einkommen und Unternehmen zu erhöhen.
Die Einwanderung bleibt ein politisch brisantes Thema. Es wird erwartet, dass beide Kandidaten eine strengere Politik verfolgen werden. Allerdings werden Trumps Drohungen, Einwanderer ohne Papiere auszuweisen, einen starken negativen Effekt haben, da dies das Arbeitskräfteangebot und die Löhne beeinflussen wird. Bei der Energiepolitik wird eine Regierung Trump die Eigenversorgung und die heimische Öl- und Gasförderung bevorzugen. Biden hingegen würde auch weiterhin Initiativen für saubere Energie unterstützen.
Starke Auswirkungen auf Anleihen, Aktien und den Dollarkurs
Im Falle eines republikanischen Wahlsieges rechnen wir wegen der Aussicht auf weitere Steuerreformen mit einer kurzfristigen Aktienrallye. Die von Trump vorgeschlagenen Steuerermäßigungen für kleine Unternehmen könnten vor allem Aktien von Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung zugutekommen, während eine Erhöhung der Verteidigungs- und Energieausgaben den entsprechenden Sektoren Auftrieb geben könnte. Die Aufhebung der IRA-Vorteile für grüne Energie könnte sich jedoch negativ auf nachhaltige Energieunternehmen auswirken. Umgekehrt könnte ein Wahlsieg der Demokraten aufgrund möglicher Erhöhungen der Unternehmenssteuern, einer höheren Verbrauchssteuer auf Aktienrückkäufe von Unternehmen, einer höheren Besteuerung von Spitzenverdienern und der Einführung einer Vermögenssteuer Druck auf die Aktienmärkte ausüben.
Die Renditen von US-Anleihen werden in erster Linie von der Entwicklung der Staatsverschuldung bestimmt, die derzeit von vielen als untragbar angesehen wird. Welche Partei auch immer im Amt ist, sie wird irgendwann einen glaubwürdigen Anpassungsplan vorlegen müssen, um den Märkten die Sicherheit zu geben, dass der staatliche Finanzierungsbedarf beherrschbar ist. Eine entscheidende Auswirkung auf den Markt sind höhere Laufzeitaufschläge, da die Anleger zunehmend eine Prämie für das Halten von Schuldtiteln mit längeren Laufzeiten verlangen. Die Trump-Agenda dürfte zu einer schnelleren Verschlechterung der Bilanz des öffentlichen Sektors und zu höheren Defiziten führen, da es sich um nicht finanzierte Steuersenkungen handeln würde. Die Agenda von Biden scheint etwas ausgewogener zu sein, denn er will einige Steuern zu erhöhen. Aber auch das wird nicht ausreichen, um den Anstieg der Schuldenlast ohne erhebliche Ausgabenkürzungen einzudämmen.
Jede Politik, die keinen längerfristigen Konsolidierungsplan aufweist, ist anfällig für Rating-Herabstufungen und Marktdruck, der irgendwann eine Neuberechnung erzwingen wird. Wenn die Trump-Agenda so umgesetzt wird, wie sie sich derzeit abzeichnet, ist sie auch für dieses Risiko anfälliger.
Der langfristige Status des US-Dollars wird weiterhin von den relativen Zinsunterschieden und den Wachstumsaussichten im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen abhängen. Wenn die Federal Reserve die Leitzinsen senkt, dürften zwar die Zinsdifferenzen abnehmen, aber die stärkeren Wachstumsaussichten der USA sollten den Dollar stützen. Theoretisch könnten deutlich höhere Zölle unter einer Trump-Regierung das Handelsdefizit verringern und den Dollar stärken. Höhere Zölle und das Potenzial für Handelskriege könnten jedoch die Unsicherheit im Handel erhöhen und die Stimmung der Anleger gegenüber den USA trüben. Wenn Trumps wichtigste Maßnahmen – einschließlich strenger Einwanderungskontrollen, Steuersenkungen und einer Rückführung der IRA – frühzeitig umgesetzt werden, könnte dies zu höherer Inflation und längerfristigen Renditen führen und so den Ausblick für die Dollarentwicklung unsicher werden lassen.
Hohe US-Staatsschulden belasten Marktaussichten
Für eine eindeutige Prognose des Wahlausgangs ist es noch zu früh, auch, weil das Rennen von mehreren Faktoren beeinflusst wird: Trumps rechtliche Probleme, mögliche Außenseiter-Kandidaten, das wirtschaftliche Klima im Land, die Inflation und geopolitische Spannungen.
Keiner der beiden Kandidaten hat einen Weg vorgeschlagen, um die USA in Richtung einer tragfähigen Verschuldung zu lenken. Das Haushaltsdefizit bleibt also voraussichtlich hoch und die Verschuldung im Verhältnis zum BIP wird den Spitzenwert der Nachkriegszeit von 106 % übersteigen. Mit diesen Realitäten muss sich die nächste Regierung auseinandersetzen. Denn die Sozialversicherung wird voraussichtlich in zehn Jahren zahlungsunfähig sein, und die Zinszahlungen sind inzwischen der drittgrößte Haushaltsposten. Sie übertreffen sogar noch die Verteidigungsausgaben. Anlegerinnen und Anleger sollten im Blick haben, dass diese ungelösten strukturellen Probleme den Druck auf kurz- und langfristige Zinssätze erhöhen könnten. Ein solches Szenario würde schließlich auch für die Aktienmärkte auswirken.
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