US-Wahl und die Folgen
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Die US-Präsidentschaftswahl ist so spannend wie selten zuvor. Mit der fulminanten Rede Bill Clintons auf dem Wahlparteitag der Demokraten sah Obama wie der sichere Sieger aus. Die erste Fernsehdebatte lenkte den Blick auf Romney und spülte ihn in den Umfrageergebnissen sogar zeitweise nach vorne. Wirbelsturm „Sandy“ hat jedoch den Fokus wieder auf Obama als amtierenden obersten Krisenmanager gelenkt, der vorwiegend die humanitären Aspekte in den Mittelpunkt rückte. Die Wahl bleibt offen!
Unterschiede in den Wahlprogrammen
Romneys Wahlprogramm liest sich durchaus wirtschaftsfreundlich: Nicht nur, dass er die bislang befristeten Steuererleichterungen dauerhaft machen möchte. Er plant zudem den Unternehmenssteuersatz von 35 auf 25 Prozent zu senken. Dieser ist übrigens der zweithöchste in den westlichen Industrieländern nach Japan (40 Prozent) und wird anhand von Unternehmensbefragungen, neben einem massiven Anstieg der Regulierung für kleine und mittlere Unternehmen, als Hauptbelastungsfaktor für Investitionen und Wachstum angesehen. Waren es vor Amtsantritt Obamas 2008 nur 8 Prozent der Unternehmen, die die Regulierung als Hauptbelastungsfaktor ansahen, so sind es aktuell über 20 Prozent! Darüber hinaus plant Romney eine Auslagerung der gesetzlichen Gesundheitsvorsorge Medicaid an die Bundesstaaten, was die Streichung eines großen Ausgabeblocks auf Bundesebene bedeuten würde. Seiner Einschätzung nach würde eine Dezentralisierung zu einem Wettbewerb um das beste Gesundheitssystem führen und damit eine höhere Kosteneffizienz ermöglichen.
Im Vergleich dazu möchte Obama in seiner zweiten Amtszeit nur wenige neue wirtschaftspolitische Veränderungen vornehmen. Seine Pläne zur Anhebung der Einkommensteuersätze dienen lediglich der Sanierung des Staatshaushaltes, was jedoch nicht risikofrei ist. Sowohl eine Einschränkung der Konsumaktivität als auch der Sparneigung ist denkbar. Ersteres würde die wirtschaftliche Aktivität unmittelbar bremsen, während eine geringere Sparneigung zukünftiges Wachstum beschränkt. Zudem sind seine Pläne zur Haushaltskonsolidierung auf der Ausgabenseite wenig ambitioniert.
Patt-Situation weiter wahrscheinlich
Auf den ersten Blick haben die Amerikaner aufgrund der verschiedenen Wahlprogramme eine echte Wahl. Tatsächlich dürfte sich aber nicht viel ändern, denn parallel mit der Präsidentschaftswahl werden wie üblich auch das Repräsentantenhaus und eine Drittel des Senats neu gewählt. Seit den Zwischenwahlen Ende 2010 besitzen die Republikaner eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, während der Senat von den Demokraten dominiert wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle drei Wahlen von einer Partei gewonnen werden, liegt aktuell bei rd. 30 Prozent. Das bedeutet, dass der wirtschaftspolitische Kurs der USA weniger von der Wahl des Kandidaten abhängt, als vielmehr von Sachzwängen.
Sachzwänge bestimmen Politik
Zum Jahreswechsel stehen drei wirtschaftspolitischen Entscheidungen an: Es laufen mehrere Steuererleichterungen aus. Zudem wurden im Zuge der Anhebung der Schuldengrenze im vergangenen Jahr überparteilich automatische Ausgabenkürzungen beschlossen. Diese Einigung stellt keine der beiden Parteien zufrieden und dürfte neu verhandelt werden. Schließlich wird vermutlich am Jahresende die Schuldenobergrenze erneut erreicht werden, sodass auch hierüber zu entscheiden ist.
Die ersten beiden Zwänge, die als „fiskalische Klippe“ bezeichnet werden, haben ein Volumen von über 600 Mrd. Dollar, was einem negativen Fiskalimpuls von ca. 4 Prozentpunkten entspricht. Sollte also hierüber keine Einigung erzielt werden, wäre eine scharfe Rezession 2013 die Folge. Trotzdem muss auch zwingend das Budget-Defizit zurückgefahren werden. Bei Amtsantritt Obamas belief sich die Gesamtverschuldung der USA auf 10 Billionen Dollar – aktuell sind es rd. 16 Billionen Dollar. Man muss nicht Volkswirtschaft studiert haben, um zu erkennen, dass dieses Tempo nicht ungestraft fortgesetzt werden kann, ohne dass zum Beispiel eine weitere Rating-Abstufung die Folge wäre. Für den absolut größten Schuldner der Welt keine guten Aussichten.
Moderator gefragt
Es ist also ein Moderator im Weißen Haus gefragt, der mehr verbindet als spaltet und fähig ist Kompromisse zu schließen, auch wenn dies der Parteilinie widerspricht. Denn die fiskalische Klippe zu umschiffen ist kurzfristig wichtig, auch wenn dabei alle Maßnahmen verlängert, aber dadurch nichts gespart würde. Langfristig schlimmer wäre, wenn der Abbau des laufenden Defizits nicht bald realistisch in Angriff genommen werden würde. Leider hat sich der amtierende Präsident in den vergangenen vier Jahren nicht durch große Kompromissbereitschaft ausgezeichnet, während Romney in seiner Zeit als Governor von Massachusetts sich mehr an der Realpolitik ausrichtete als an den Grundlinien seiner Partei. In der jetzigen Situation ist ehrlich makelnder Moderator gefragt, der im Interesse seines Landes handelt und die Kräfte der Wirtschaft entfesseln kann.
Folgen für die Finanzmärkte
Wir gehen davon aus, dass eine Wiederwahl Obamas keine großen Reaktionen an den Finanzmärkten auslösen würde, insbesondere weil die Märkte dies bereits jetzt schon einpreisen. Ein Machtwechsel im Weißen Haus hingegen könnte eine Nachwahlrallye bei Aktien verursachen, genießt Romney doch als Macher und undogmatischer Moderator einen guten Ruf in der Wirtschaft. Nur so würde aus unserer Sicht ein Anreiz für amerikanische Aktientitel entstehen, während bei einer Fortführung der bisherigen Politik die relativ hohe Bewertung des US-Aktienmarktes eher für einen Abbau von Übergewichtungen in internationalen Portfolios zugunsten von europäischen Aktien spräche.
Quelle: GECAM
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