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08:28 Uhr, 31.03.2016

US-Rohstoffsektor: 275 Mrd. USD Verlust in 2015!

Vor einer Woche veröffentlichte das US-Wirtschaftsministerium die Bilanzdaten aller Unternehmen. Das Ergebnis ist katastrophal. Der Rohstoffsektor schrieb Verluste von 275 Mrd. Dollar innerhalb eines Jahres.

Es ist kein Geheimnis, dass der Rohstoffsektor unter Druck steht. Wie sehr ist erst jetzt bekannt worden. Das US-Wirtschaftsministerium erfasst die Bilanzpositionen aller Unternehmen und veröffentlicht die Daten quartalsweise. Nun sind die Daten für das Gesamtjahr 2015 bekannt. Das Bild ist erschreckend.

Grafik 1 zeigt die Gewinne und Verluste des Sektors seit dem Jahr 2000 in jedem einzelnen Quartal. In den Daten enthalten sind alle Unternehmen, die im Segment „Mining“ tätig sind. Dazu gehört die Rohstoffförderung ebenso wie die direkte Wertschöpfungskette. Es sind also auch Zulieferer und Dienstleistungsunternehmen erfasst. Dazu gehören Unternehmen wie Baker Hughes oder Schlumberger, die Dienstleistungen und Ausrüstung für Ölunternehmen bereitstellen.

Das Wall Street Journal berichtete über die Daten und nannte die Zahl 227 Mrd. USD als Verlust. Dabei handelt es sich um den Nachsteuerverlust. Grafik 1 zeigt auch den Vorsteuerverlust. Dieser beläuft sich auf 275 Mrd. Diese Zahl zeigt die Profitabilität besser als die Nachsteuerverluste, da Steuerrückerstattungen die Verluste derzeit verringern.

Ein erheblicher Teil der Verluste wird durch die hohen Schulden verursacht. Derzeit zahlen Unternehmen des Sektors pro Jahr 20 Mrd. an Zinsen an Banken und Investoren, die Anleihen halten. Vor 10 Jahren war die Verschuldung nicht nur erheblich geringer, sondern auch die Zinszahlungen beliefen sich auf weniger als 5 Mrd. pro Jahr, obwohl das Zinsniveau damals ein ganz anderes war.

Die schnelle Expansion des Sektors nach 2006 hat nicht nur zu hohen Schulden geführt. Die Schulden wurden eingesetzt, um Förderrechte zu erwerben und Rohstoffvorkommen zu erschließen. Den Schulden stehen also auch Vermögenswerte gegenüber. Die Vermögenswerte und die Gesamtverbindlichkeiten, die diesen gegenüberstehen, sind in Grafik 2 abgebildet.

Vor dem großen Boom lagen die Vermögenswerte bei gerade einmal 200 Mrd. Dollar. Sie stiegen bis Ende 2014 auf 1,3 Billionen Dollar an. Im gleichen Zeitraum stiegen die Verbindlichkeiten von 130 Mrd. auf 700 Mrd. an. Seitdem die Rohstoffpreise fallen, fallen auch die Vermögenswerte, da Unternehmen hohe Abschreibungen vornehmen müssen.
Die Vermögenswerte sind in den vergangenen anderthalb Jahren um 300 Mrd. gefallen. Die Verbindlichkeiten konnten im gleichen Zeitraum um lediglich 80 Mrd. reduziert werden. Dieses Missverhältnis aus fallenden Vermögenswerten und vergleichsweise stabilen Verbindlichkeiten führt zu einer Reduktion der Nettovermögenswerte.

Die Nettovermögenswerte sind eine wichtige Kenngröße, da sie zeigen wie viel Spielraum Unternehmen haben bevor sie Insolvenz anmelden müssen. Hohe Schulden sind kein Problem, wenn diesen ausreichende Werte gegenüberstehen. Derzeit sind die Vermögenswerte 400 Mrd. höher als die Verbindlichkeiten. Sinkt dieser Betrag im Extremfall auf null, dann wären Verbindlichkeiten und Vermögen gleich groß. In diesem Fall wäre der Sektor innerhalb kurzer Zeit insolvent. Keiner würde den Unternehmen noch Kredit gewähren, wenn diesen kein Vermögen mehr gegenübersteht.
Noch haben Unternehmen hohe Nettovermögenswerte. Bedenkt man jedoch wie hoch die jährlichen Verluste sind, dann ist dieses Vermögen auch schnell weg. Ein Verlust von 275 Mrd. wie im vergangenen Jahr wird sich nicht wiederholen. Die Verluste waren besonders hoch, weil viele Unternehmen hohe Abschreibungen vorgenommen haben. Diese sollten in diesem Ausmaß im aktuellen Jahr nicht noch einmal anfallen. Die Rohstoffpreise sind allerdings nach wie vor sehr niedrig. Man muss trotz aller Sparanstrengungen mit weiteren Verlusten rechnen. Diese können sich gut und gerne auf 150 Mrd. belaufen.

Die derzeit noch solide Vermögenssituation der Unternehmen kann sich schnell ändern. Innerhalb von 3 Jahren könnten die Reserven aufgebraucht sein. Dann ist der Sektor im Durchschnitt insolvent. Der Durchschnitt sagt natürlich wenig über jedes einzelne Unternehmen aus. Firmen wie Exxon werden auch in 10 Jahren noch solvent sein. Kleinere Unternehmen und insbesondere Schieferölförderer werden früher Insolvenz anmelden müssen.
Ein Szenario, in dem es keine Insolvenzwelle geben wird, ist kaum vorstellbar. Grafik 3 zeigt die Schuldenberge sowie den Jahresumsatz der Branche. Der Umsatz lag selbst in Krisenzeiten immer oberhalb der Gesamtschulden. Das ist inzwischen nicht mehr der Fall.
In den letzten Jahren haben sich Unternehmen mit 380 Mrd. Dollar verschuldet. 62 Mrd. davon liegen direkt in den Bankbilanzen. Der Rest der Schulden liegt bei Investoren, die die Anleihen der Unternehmen halten.

Die gute Nachricht in diesem düsteren Umfeld: weniger als 10 Mrd. der Schulden sind kurzfristige Schulden. Die ganz große Insolvenzwelle wird also nicht sofort anrollen. Firmen haben aktuell über 60 Mrd. an Barmitteln. Kurzfristige Schulden lassen sich also bedienen. Auch fällig werdende Zinszahlungen sollten von den meisten Firmen gestemmt werden können. Mittelfristig sieht das anders aus. Rohstoffunternehmen werden kaum neue Geldmittel zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig dürften die Barmittel innerhalb eines Jahres durch die Verluste aufgezehrt sein.

Die Lage ist absolut desaströs. Bisher sind vor allem kleine Unternehmen der Ölbranche in die Insolvenz geraten. In anderen Segmenten stehen auch die ganz großen unter Druck. Der zweitgrößte Kohleproduzent der USA, Arch Coal, hat bereits Insolvenz angemeldet. Der größte der Branche, Peabody Energy, steht kurz davor.

In der Gasförderung sind die Vorzeichen ähnlich schlecht. Hier sind die Preise noch weiter gefallen als auf dem Kohle- und Ölmarkt. Insolvenzen werden sich nicht vermeiden lassen. Anlegern stehen weiter schwierige Zeiten bevor. Trotz der Euphorie um die 50 % Rallye der Ölpreise innerhalb weniger Wochen darf man sich nichts vormachen: die Lage spitzt sich weiter zu. Überstanden ist noch nichts.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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