Kommentar
06:52 Uhr, 26.11.2015

US-Haushalte sind beinahe wieder kreditwürdig

Die Schuldensituation der US Privathaushalte ist für die ganze Welt relevant. US Konsumenten sind schließlich der „Consumer of Last Resort.“

Die US Wirtschaft ist die mit Abstand größte Wirtschaft der Welt. 22,5% der weltweiten Wirtschaftsleistung entfallen auf die USA. Die Weltwirtschaft kann ohne die USA nicht boomen. Das trifft insbesondere auch deshalb zu, weil die USA die größte Importnation sind. Die USA importieren knapp 3 Billionen Dollar an Waren und Dienstleistungen pro Jahr. Das sind fast 4% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Würde sich das Importvolumen drastisch verringern, dann kann das weltweit zu einer Wirtschaftskrise führen.

Weil US Bürger gerne und viel konsumieren und die gesamte US Wirtschaft so groß ist, ist das Wohl und Wehe der Exportnationen von den USA abhängig. Der US Konsum brach in der Finanzkrise dramatisch ein und erholte sich in den Folgejahren nur langsam. Auch heute noch ist das Konsumwachstum unterdurchschnittlich. Das liegt vor allem an der anhaltenden Entschuldung der Haushalte.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Schulden der Privathaushalte. Ein Großteil der Schulden entfällt auf Wohneigentum. Das Volumen der Immobilienkredite war von 2007 bis 2014 rückläufig. Für Konsumenten war es schwierig an Kredite zu gelangen. Die Zinsen sind zwar niedrig, doch das nutzt wenig, wenn man keinen Kredit bekommt. Banken hatten sich mit Immobilienkrediten die Finger so schwer verbrannt, dass sie seit 2008 in ihrer Kreditvergabe sehr restriktiv sind.

Im Gegensatz zu Immobilienkrediten wuchsen die Konsumkredite. Sie erhöhten sich seit der Finanzkrise um eine Billionen Dollar. Ein überwiegender Großteil davon wurde für neue Autos ausgegeben. Allein die Kredite für den Autokauf summieren sich inzwischen auf über eine Billion Dollar. Da drängt sich der Verdacht einer neuen Kreditblase auf, doch sollte diese jemals platzen, dann sind die Folgen überschaubar. Eine Billionen an Autokrediten ist doch etwas anderes als gut 10 Billionen für Immobilien.

Ob freiwillig oder durch Zwang (weil Immobilienkredite nicht zu erhalten waren) – die US Haushalte haben sich entschuldet. Die Kredite gingen von 101% der jährlichen Wirtschaftsleistung auf 80% zurück. Der Abwärtstrend verlangsamte sich zuletzt, doch es besteht die Möglichkeit einer weiteren Entschuldung.

Eine Fortsetzung der Entschuldung ist wünschenswert, da der Schuldenberg noch immer auf historischen Höchstständen ist. US Haushalte zahlen für die Kredite inzwischen so wenig wie zuletzt vor 30 Jahren, doch noch immer müssen 10% des verfügbaren Einkommens für Kredite (Zinszahlungen, Rückzahlung) aufgewendet werden. Steigen die Zinsen um 2 Prozentpunkte an, dann müssen nicht mehr 10%, sondern 12% des frei verfügbaren Einkommens aufgewendet werden.
Kurz bevor die US Immobilienblase platzte lagen die Ausgaben für Kredite bei 13,5% des verfügbaren Einkommens. Ein Zinsanstieg von 0% auf 2% kann die US Haushalte schnell an ihr Limit führen. Der Konsum würde darunter leiden und mit ihm die ganze Weltwirtschaft. Je mehr US Haushalte ihre Schulden während der Niedrigzinsphase noch verringern, desto robuster wird der Konsum in Zukunft sein.

Obwohl die Schulden sinken ist von einer Rückkehr zur Normalität noch keine Rede. Grafik 2 zeigt den Prozentsatz an Krediten, die entweder nicht mehr bedient werden oder in Zahlungsrückstand sind. Noch immer sind 5,5% der Kredite für private Wohnimmobilien in einer Form des Zahlungsrückstands oder des Ausfalls.

In anderen Bereichen sieht es besser aus. Während bei Wohnimmobilien vor der Krise nur 2% der Kredite notleidend waren, sind es derzeit noch immer überdurchschnittliche 5,5%. Bei Krediten für Geschäftsimmobilien, übrige Immobilien, Farmland und Konsumkrediten ist die Welt wieder in Ordnung. Hier sind die Quoten notleidender Kredite teils nahe ihrer historischen Tiefs.

Konsumenten sind trotz Schuldenreduktion noch nicht ganz über den Berg. Noch knapp 2% aller privaten Immobilienkredite befinden sich in Zwangsvollstreckung. In diesen Fällen ging die Immobilie in den Besitz der Bank über. Banken verkaufen diese Häuser, um ihr Geld zurückzuerhalten. Solange überdurchschnittlich viele Häuser von Banken verkauft werden müssen, begrenzt dies den Anstieg von Immobilienpreisen. Das ist per se keine schlechte Sache, denn steigen die Preise zu schnell an, dann droht die nächste Krise. Andererseits sind Konsumenten kreditwürdiger, wenn ihr Besitz, die Immobilie, mehr wert wird. Sie können sich dann leichter weitere Kredite beschaffen.

Genau das passierte vor 2008 und endete böse. Insofern ist die langsame Erholung der US Wirtschaft, des Konsums und des Immobilienmarktes eine gute Nachricht. Ein schneller Exzess nach dem Platzen der Blase konnte vermieden werden. So gut wie den Haushalten geht es dem Rest der Wirtschaft nicht und man kann bereits bei den Haushalten streiten, ob es ihnen wirklich gut geht. Die Armutsquote liegt in den USA nur knapp unter dem Hoch aus 2009 bei fast 15%. Wenn sich die Armutsquote nach 6 Jahren wirtschaftlicher Expansion nicht reduziert, dann stimmt etwas nicht.
Jenseits der Privathaushalte liegen viele Dinge im Argen. Grafik 3 zeigt die Entwicklung der Gesamtschulden der Haushalte, der Unternehmen und des Staates. Die Schuldenquote liegt bei 346% der Wirtschaftsleistung. Seit der Finanzkrise haben sich die Schulden lediglich um 33 Prozentpunkte von 379% reduziert. Die relative Schuldenlast ist um weniger als 10% gefallen!

Haushalte haben zwei Drittel zum Gesamtrückgang beigetragen. Der Rest der Wirtschaft und der staatliche Bereich haben so gut wie gar keine Anstalten gemacht die Schuldenaufnahme zu bremsen. Haushalte sind wieder etwas kreditwürdiger geworden, doch die Gesamtwirtschaft ist noch immer am Limit. Selbst wenn die Schulden nun nicht weiter steigen würde ein Zinsanstieg auf 2% eine Entschuldung verhindern, weil die Zinszahlungen so hoch werden, dass kein Geld mehr für Tilgung übrig bleibt.

Die Entschuldung ist zumindest bei Privatpersonen gut vorangekommen. Die Gesamtwirtschaft ist nach wie vor überschuldet und am Limit. Hebt die US Notenbank die Zinsen im Dezember an, dann sollte die Inflation nicht lange auf sich warten lassen. Andernfalls ist es nur eine Frage von wenigen Jahren, bis die Überschuldung wieder zum ganz großen Thema wird. Die einzige Chance eine neuerliche Schuldenkrise zu verhindern, wenn die Zinsen angehoben werden, ist Inflation, um die Schuldenlast durch Inflation mittelfristig zu verringern.

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3 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Die einfachste Methode, Kredite im großen Maßstab unter Kontrolle zu halten ist eine gesetzliche Vorschrift, dass Zinsbeträge nicht größer sein dürfen als die zu den Intervallen gehörenden Tilgungen. Jetzt ergäbe sich natürlich die Frage: Will das im Bankensektor jemand? Ein Haus, das aufgrund notleidender Kredite an die Bank fällt, ist ja oft im Nachhinein noch ein gutes Geschäft.

    09:02 Uhr, 26.11.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Die Sichtweise ist m. E. zu kurzsichtig... Wie in Europa darf man nicht vergessen, dass die Schulden des Staates auch die Schulden der Haushalte sind..... Mag schön sein, dass die Haushalte sich entschulden, aber wenn der Staat sich um so mehr verschuldet wird es schwirig. Und wenn wieder einer auf die Idee kommt zu schreiben, dann muss man die Reichen besteuern mal ein Zitat aus Wall Street : Geld geht dahin wo es gemocht wird.........

    07:06 Uhr, 26.11.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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