Kommentar
10:52 Uhr, 08.01.2014

US-Geldpolitik: Steht das Nullzinsversprechen auf einem wackligen Fundament?

Die US-Notenbank dürfte ihr derzeitiges Niedrigzinsversprechen aufweichen und den Leitzins bereits im ersten Quartal 2015 anheben, vermutet Raiffeisen-Finanzanalyst Jörg Angelé. Verantwortlich seien falsche Annahmen der US-Notenbanker bezüglich der Wirtschaftsentwicklung.

Im Dezember hat die US-Notenbank den ersten Schritt zur Beendigung ihrer ultralockeren Geldpolitik eingeleitet. Die Federal Reserve kündigte an, ihr monatliches Anleihenkaufprogramm im Januar um 10 Mrd. auf 75 Mrd. USD zu reduzieren. Trotzdem bleibt die US-Geldpolitik stark expansiv. Die Bilanzsumme wird durch die Anleihenkäufe weiter aufgebläht, zumal die Erlöse aus fälligen Anleihen ständig reinvestiert werden.

Im Jahr 2014 könnte die US-Geldpolitik trotz der neuen Notenbankchefin Janet Yellen nach Einschätzung von Raiffeisen Research nun deutlich gestrafft werden. Yellen gilt zwar, noch stärker als ihr Amtsvorgänger Ben Bernanke, als geldpolitische Taube, also als Anhängerin einer eher expansiv ausgerichteten Geldpolitik. Im geldpolitischen Rat (FOMC) der US-Notenbank wird sich die Zusammensetzung laut Raiffeisen Research aber deutlich in Richtung einer strafferen Geldpolitik verschieben, da (inklusive Notenbankchef Ben Bernanke) mindestens drei Anhänger einer lockeren Geldpolitik aus dem Board of Governors und damit dem FOMC ausscheiden werden. Die Besetzung der vakanten Stellen ist Aufgabe von US-Präsident Barack Obama. Ein neues FOMC-Mitglied steht offenbar bereits fest. Es handelt sich um Stanley Fischer, den langjährigen Präsidenten der israelischen Zentralbank und ehemaligen Lehrmeister von Ben Bernanke und EZB-Präsident Mario Draghi. Fischer ist nach Einschätzung von Raiffeisen Research ein pragmatischer und ausgewogener Geldpolitiker. „So hat er zwar die außerordentlichen Maßnahmen der Fed zur Belebung der US Konjunktur gelobt, gleichzeitig ist er aber ein Kritiker der insbesondere von Bernanke und Yellen propagierten forward guidance, also der Lenkung der Markterwartungen hinsichtlich der Leitzinsentwicklung durch Vorgabe zeitlicher oder ökonomischer Schwellenwerte“, schreibt Raiffeisen-Finanzanalyst Jörg Angelé in einem aktuellen Research-Artikel. Die jährliche Rotation bei den Präsidenten der regionalen Federal Reserve Banken wird zudem dazu führen, dass mit Charles Evans und Eric Rosengren zwei weitere Anhänger einer sehr lockeren geldpolitischen Ausrichtung aus dem FOMC ausscheiden werden. Insgesamt werden im FOMC nach Einschätzung von Jörg Angelé im Jahr 2014 die Verfechter einer lockeren Geldpolitik höchstens noch eine geringe Mehrheit haben. Dies dürfte zu weniger einhelligen geldpolitischen Entscheidungen und einer eher raschen Reduktion der Anleihenkäufe führen, ist der Analyst überzeugt.

Aber auch das Niedrigzinsversprechen der Fed steht nach Einschätzung von Angelé auf einem zunehmend wackligen Fundament. Die Argumentationslinie der US-Notenbanker habe in den letzten Quartalen zunehmend an Überzeugungskraft verloren. So hätten die US-Notenbanker lange Zeit behauptet, dass der deutliche Rückgang der US-Arbeitslosenquote nicht den wahren Zustand der US-Wirtschaft abbilde, da gleichzeitig die sogenannte Partizipationsquote, die den Anteil der dem US-Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügung stehenden Personen angibt, ständig im Sinken begriffen war. Fed-Präsident Bernanke habe auf der Pressekonferenz am 18. Dezember nun aber fast beiläufig eingestanden, dass der Rückgang der Partizipationsquote zum großen Teil demografisch oder strukturell und eben nicht konjunkturell bedingt sei. So sei es auch folgerichtig, dass die „Währungshüter den Rückgang der Arbeitslosenquote seit Jahren unterschätzen und das obwohl sie den Anstieg des realen Bruttoinlandsproduktes konsequent überschätzen“, schreibt Angelé. Gleichzeitig bleibe das FOMC weiter sehr sorglos in Bezug auf einen möglichen Inflationsanstieg. Insgesamt seien die FOMC-Leitzinsprojektionen angesichts der besseren Wirtschaftsdaten wenig plausibel. Dies gelte umso stärker für die fernere Zukunft. „Die Leitzinsprojektionen der FOMC-Mitglieder scheinen nicht mehr durch ökonomische Fakten bestimmt zu werden, sondern durch ein Kalenderdatum“, vermutet Angelé. Gemeint ist die Einschätzung der FOMC-Mitglieder, dass die Leitzinsen frühestens im zweiten Halbjahr 2015 angehoben werden. Angelé erwartet nicht, dass die Leitzinsen tatsächlich erst zu diesem Zeitpunkt wieder steigen werden. „Nimmt der Lohndruck in den nächsten Quartalen in dem von uns erwarteten Ausmaß bei gleichzeitigem weiteren Rückgang der Arbeitslosenquote zu, dürfte die US-Notenbank ihr derzeitiges Versprechen brechen und den Leitzins bereits im ersten Quartal 2015 anheben“, vermutet der Analyst.

Wie es mit der US-Geldpolitik in der nahen Zukunft weitergeht, dürfte bereits nach dem nächsten Zinsentscheid am 29. Januar erkennbar werden. Die meisten Banken erwarten, dass die Fed ihre Anleihenkäufe bei jedem Zinsentscheid im laufenden Jahr um weitere 10 Mrd. USD reduzieren dürfte. Damit dürfte das Anleihenkaufprogramm aller Wahrscheinlichkeit im Jahr 2014 vollständig beendet werden.

Oliver Baron

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Über den Experten

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Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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