Kommentar
08:45 Uhr, 09.03.2016

US-Dollar vor starker Abwertung?

Für die meisten ist klar: Der Dollar wird weiter aufwerten. An dieser Meinung änderte auch die Dollarschwäche der letzten Wochen nichts. Das kann sich als Fehler herausstellen.

Man kann bei der Korrektur des Dollars in den vergangenen Wochen nicht gerade von einer bahnbrechenden Abwertung sprechen. Gegenüber einem breit gefassten Index an Währungen verlor der Dollar gerade einmal 3 % - aber immerhin. Der breit gefasste Dollarindex beinhaltet auch Währungen von Schwellenländern wie Brasilien oder Indonesien. Diese Währungen waren zuletzt nicht unbedingt ein lebendes Beispiel für Stabilität...

Der Dollar wertet nun gegenüber gerade diesen Währungen ab. Das ist zunächst als Korrektur zu interpretieren. Viele Währungen hatten gegenüber dem Dollar 30-70 % an Wert verloren. Irgendwann findet in jedem Bärenmarkt eine Bärenmarktrally statt. Man darf die Dollarschwäche also auch nicht überbewerten, wäre da nicht noch die Schwäche gegenüber den anderen großen Währungen.

Der Dollar ist gegenüber dem Euro, dem Yen und dem australischen Dollar ungewöhnlich schwach. Das Austauschverhältnis zum australischen Dollar verbesserte sich zugunsten der australischen Währung allein innerhalb der vergangenen Handelswoche um 4,5 %.

Die Dollarabwertung gegenüber manchen Währungen wie dem australischen Dollar kann man ebenfalls als Korrektur einer Übertreibung abtun, denn unterm Strich ist die US-Wirtschaft immer noch vergleichsweise stark. Die US-Wirtschaft wächst doppelt so schnell wie die Eurozone und fünf Mal so schnell wie die japanische Wirtschaft. Darüber hinaus sinken die Zinsen weltweit weiter, während sie in den USA tendenziell steigen. Das sind alles Argumente für den Dollar.

Grafik 1 zeigt die Arbeitslosenrate in den USA sowie zwei Dollar-Indizes. Der US-Dollar Index misst den Wert gegenüber dem Euro, Yen, Pfund, kanadischen Dollar, der schwedischen Krone und dem Schweizer Franken. Seit 2011 lässt sich eine negative Korrelation zur Arbeitslosenrate beobachten.

Seitdem die Arbeitslosenrate deutlich fällt, wertet der Dollar auf. Zufall?

Wenn es nach den meisten Analysten geht, dann ist das kein Zufall. Es ist Ausdruck der relativen Stärke der US-Wirtschaft. Betrachtet man die gesamte Historie seit 1973, dann zeigt sich ein anderes Bild. Ein starker Dollar ging mit hoher Arbeitslosigkeit einher und nicht umgekehrt. Der Dollar ist größtenteils positiv mit der Arbeitslosenrate korreliert und nicht negativ. Die Arbeitslosenrate ist keine besonders gute Variable, um den Verlauf des Dollars zu bestimmen oder zu erklären.

Sehr viel besser als die Arbeitslosenrate erklärt die Inflation die Dollarstärken und Schwächen. Grafik 2 zeigt die Dollar-Indizes und die Inflation. Die Inflation ist invertiert dargestellt, sodass die Zeitreihen parallel verlaufen. Niedrige Inflation in den USA bedeutet grundsätzlich einen starken Dollar. Das gilt seit über 40 Jahren.

Die Inflation in den USA ist der bestimmende Faktor für den Dollarwert. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um den Vergleich zwischen dem Dollar und dem brasilianischen Real oder dem Euro handelt. Grafik 3 zeigt die US Inflationsrate und den EUR/USD Wechselkurs. Je höher die Inflationsrate in den USA steigt, desto höher steigt auch der Euro.

Zu dieser Systematik gab es eine Ausnahme. Diese galt von 1999 bis 2000. Wer sich an die Anfänge des Euro erinnert weiß noch sehr gut, wie groß die Sorgen damals um den Euro waren. Der Euro fiel und fiel. Es wurde sogar zugunsten des Euro interveniert, um ihn zu stützen. Es war keinem geheuer, wie der Euro so kurz nach Einführung dramatisch an Wert verlor.

Seitdem die Anfangsschwierigkeiten des Euro hinter uns liegen ist die Korrelation zwischen US-Inflation und dem EUR/USD Kurs sehr hoch. Noch deutlicher wird der Zusammenhang, wenn man das Inflationsdifferential betrachtet. Grafik 4 zeigt dieses. Abgebildet ist die Differenz zwischen der US- und der Euroinflation. Die Inflation in der Eurozone wird dabei von der US-Inflationsrate abgezogen. Die Korrelation ist extrem hoch und erklärt einen Großteil der Bewegung des Währungspaares.
Seit Mai 2015 sehen wir eine größer werdende Divergenz. Das Inflationsdifferential steigt an, während der Wechselkurs auf niedrigem Niveau verharrt. Die Bemühungen der EZB den Euro zu schwächen sind sicherlich bestimmend dafür. Inzwischen ist die Inflationsdifferenz jedoch so groß, dass der Aufwertungsdruck für den Euro immer deutlicher wird.

Die Inflationsrate steigt in den USA seit Oktober 2015 merklich an. Insbesondere zu Jahresbeginn 2016 gab es eine große Überraschung, als die Inflation auf 1,4 % hochschnellte. In der Eurozone hat sich die Inflationsrate hingegen wieder reduziert. Das Differential wird also immer größer.
Vermutlich erklärt diese Inflationsdifferenz, weshalb Mario Draghi einfach nicht aufhören kann, vor der Deflation zu warnen. Je größer die Differenzen zu anderen Währungsräumen werden, desto größer ist der Aufwertungsdruck auf den Euro. Will die EZB eine Euroaufwertung verhindern, dann muss die Inflation steigen bzw. muss sie die Zinsen noch weiter senken.

Der Aufwertungsdruck auf den Euro ist inzwischen sehr hoch. Gelingt der EZB kein Turnaround bei der Inflation, dann kommt die Euroaufwertung – und zwar sprunghaft. Geht es nach der Inflation, dann müsste der Euro bei 1,30 stehen. Man kann sich vorstellen, was dann mit der Wirtschaft im Euroraum los wäre.

Die Panik der Notenbanker weitere Maßnahmen zu beschließen wird ein klein wenig verständlicher, wenn man den Zusammenhang zur Inflation kennt. Hinter dem Zusammenhang steht letztlich nicht allein das Inflationsdifferential, sondern die Differenz der Realzinsen. In den USA liegt der Realzins (gemessen an 10-jährigen Staatsanleihen minus aktueller Inflationsrate) bei 0,45 %. In der Eurozone liegt der Realzins bei 0,5 %. Unter diesen Umständen ist eine Euroaufwertung nur durch weiterhin großangelegte Manipulation zu verhindern.

Der Dollar ist inzwischen deutlich überbewertet. Solange sich fundamental nichts ändert, die Inflation in den USA weiter steigt und die Zinsen ebenfalls stagnieren, muss der Dollar abwerten. Das wird auch dann geschehen, wenn die EZB nur halbherzige Maßnahmen beschließt. Sie muss schon die „Bazooka“ herausholen, um den Euro auf tiefem Niveau zu halten.

3 Kommentare

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  • Master Robin
    Master Robin

    Inflation, Kaufkraft-, Zinsparität, BIP-Wachstum, Produktivität etc. sind Parameter die sich direkt bestenfalls langfristig auswirken. Kurzfristig treibt die Erwartung der davon beeinflussten Notenbank-Politik den EUR/USD Kurs. Im Übrigen hat auch der Ölpreis Auswirkungen auf den USD im Vergleich zu anderen Währungen.

    16:09 Uhr, 09.03.2016
  • Jarakoff
    Jarakoff

    Die Ansaätze, die hier beschrieben werden beziehen sich ja im Prinzip auf die Kaufkraftparität (Differenz der Inflationsraten) und Zinsparität (Differenz der Zinsen).

    Gleiche Kaufkraft in zwei Ländern bedingt jedoch eine gleiche Produktivität! Und diese ist in den USA höher als in der Eurozone (vielleicht nicht als in Deutschland, aber sicher als in der Eurozone insgesamt). Daher erscheint m.E. eine höhere Kaufkraft des USD im Vergleich zum EUR gerechtfertigt.

    Die Zinsparität wiederum besagt im Prinzip, dass das höhere Zinsniveau eines Landes (USA) durch eine Abwertung der Währung (USD) wieder ausgeglichen wird. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Anleger aufgrund einer schwachen Währung (Weichwährung) höhere Zinsen als Ausgleich fordern (siehe Türkei, Brasilien, etc.). D.h. die Ursache der höheren Zinsen ist i.d.R. die schwache Währung, nicht umgekehrt. Im Falle der USA vs. Europa gilt m.E. eher der Carry-Trade. D.h. Anleger suchen sich Anlagen mit höherer Rendite und diese sind derzeit nunmal in den USA zu finden. Somit fließt Kapital aus Europa in die USA, was den USD stärkt.

    Der entscheidende Punkt bei der Betrachtung des EUR/USD ist m.E. aber vor allem die unterschiedliche Notenbankpolitik. Die EZB tritt voll auf's Gas (wahrscheinlich bald noch stärker), während die USA die Füße noch still hält. Das spricht m.E. für einen stärkeren USD.

    13:57 Uhr, 09.03.2016
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Also die US-Arbeitslosenquote in Relation zu irgendwas zu setzten, grenzt für mich an Wahnsinn! Diese Zahl sagt 0,0 über die wahren Verhältnisse in den USA ab - wo also ist der Sinn hieraus was ableiten zu wollen.Ansonsten ist der Artikel wie immer sehr gelungen

    09:20 Uhr, 09.03.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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