Kommentar
15:18 Uhr, 08.10.2010

US-Arbeitsmarktdaten: QE2 wird wahrscheinlich

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Von Martin Pachtner und Jochen Stanzl, Redaktion der Godmode-Trader.de-Publikation Rohstoff-Report.de

Das Schlagwort „Quantitative Easing 2“ (QE2) ist das derzeit bestimmende Thema an den Finanzmärkten. Konkret geht es dabei um den Kauf von Anleihen durch eine Notenbank, die auf diese Weise dem Markt mehr Liquidität zuführt. Diese „unkonventionelle“ Maßnahme der Geldpolitik wurde als eine Art Notfallreaktion auf die Verwerfungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise implementiert. Alleine die amerikanische Federal Reserve Bank (FED) erwarb zwischen August 2008 und März 2010 hypothekenbesicherte Wertpapiere und US-Treasuries im Wert von 1,75 Billionen US-Dollar. Auch andere Zentralbanken wie die Bank of England (BoE) und zuletzt die Bank of Japan (BoJ) folgten diesem Beispiel. Die zusätzliche Liquidität solle helfen, die wirtschaftliche Genesung zu beschleunigen, so die offizielle Erklärung der Maßnahmen.

Falls die Programme denn Wirkung zeigten, scheint diese nicht sonderlich lang angehalten zu haben. Nach einer erstaunlich schnellen wirtschaftlichen Erholung präsentieren sich die Wachstumsaussichten der meisten Industrienationen im laufenden Jahr wieder eingetrübt. Während in der ersten Jahreshälfte noch die Einstellung von geldpolitischen Stimulierungsmaßnahmen auf der Agenda stand, hat sich das Bild mittlerweile wieder vollkommen gewandelt. Marktteilnehmer erwarten nun eine zweite Runde der quantitativen Lockerung (QE2) durch die FED. Diese Ansicht wird sowohl durch Worte als auch durch Taten der Währungshüter verfestigt.

Jüngste Äußerungen von FED-Offiziellen legen nahe, dass nicht die Absicht besteht es bei dem abgespeckten Prozedere belassen zu wollen. Eine ganze Reihe von Ökonomen haben daraus bereits ein konkretes Wunschdatum für weitere Schritte abgeleitet: Anlässlich der nächsten Sitzung des Offenmarktausschusses am 3. November rechnen sie mit der Ankündigung eines weiteren Aufkaufprogramms in Höhe von zunächst etwa 500 Milliarden US-Dollar. Allerdings werde es dabei wohl nicht bleiben, meint beispielsweise Jan Hatzius, Amerika-Chefvolkswirt bei Goldman Sachs. Er geht von einem schrittweisen Vorgehen der FED aus, wodurch das Volumen des Gesamtpakets auf mindestens 1 Billion US-Dollar anwachsen soll. Die Frage, ob es überhaupt zu QE2 kommen werde, haben die Analysten der Bank bereits auf ihre Weise beantwortet: Die potentiellen Effekte des Programms wurden bereits in den US-Wirtschaftsausblick 2011 integriert.

QE2: Auswirkungen auf Rohstoffmärkte?

Warum sollten nun gerade unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik starken Einfluss auf die Rohstoffpreise haben? Grundsätzlich könnte argumentiert werden, dass jede erfolgreiche wirtschaftliche Stimulierungsmaßnahme positiv für den Rohstoffmarkt zu interpretieren sei, schließlich werde die Nachfrage angeregt. Dieser Ansatz erscheint jedoch zu kurz gegriffen, auch wenn er prinzipiell richtig ist. Der wirkliche Wachstumstreiber der Rohstoffnachfrage ist der zunehmende Bedarf der Schwellenländer, die ohnehin robustes Wirtschaftswachstun verzeichnen. Diese Entwicklung ist nicht neu, und wiegt deutlich schwerer als die Aussicht auf eine „künstliche“ Belebung der amerikanischen Nachfrage. Die Rohstoffrallye der vergangenen Wochen lässt sich damit also nur schwer begründen. Der tatsächliche Katalysator dürfte viel mehr die Sorge vor den möglichen Nebenwirkungen der US-Notenbankpolitik sein: Steigende Inflation und eine deutliche Abwertung des US-Dollar, verbunden mit ungewöhnlich starker Korrelation zwischen den Asset-Klassen Aktien und Rohstoffe.

Investoren fürchten Inflation

Das Inflationsargument liegt auf der Hand, so man sich den Mechanismus des Quantitative Easing vor Augen führt. Technisch wird der Vorgang des Anleihekaufs als „Bilanzverlängerung“ der Notenbanken beschrieben. Faktisch werden die Geldpressen angeworfen, um diese Anleihen überhaupt bezahlen zu können. Die Zentralbank druckt also Geld, um Schuldtitel in gewaltigem Ausmaß zu erwerben. Dadurch soll zum einen das Zinsniveau gesenkt werden, zum anderen mehr Liquidität auf den Märkten zirkulieren. Wie lange die Notenbank die erworbenen Titel zu halten gedenkt wird nicht näher spezifiziert. Anhaltspunkte geben allenfalls die allgemeinen Äußerungen der Verantwortlichen zur geldpolitischen Linie: Darin heißt es mit schöner Regelmäßigkeit, die FED werde die rekordtiefen Leitzinsen falls nötig „für eine ausgedehnte Periode“ beibehalten. Ein Ende der „kostenlosen“ Zentralbankgeldschwemme ist demnach in unmittelbarer Zukunft nicht zu abzusehen. Auch wenn unter einigen Ökonomen noch immer die Angst vor einer Phase der Deflation grassiert, sprechen zumindest die Edelmetallnotierungen eine andere Sprache: Der Markt stimmt mit den Füßen ab, und versucht sich in die scheinbare Sicherheit von Gold, Silber, und Sachwerten zu retten.

Flucht aus dem US-Dollar

Diese Aussichten bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Wechselkursentwicklung. Investoren verlieren zunehmend den Glauben an den Wert der Weltreservewährung US-Dollar. Die Warnung des IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn vor regelrechten Währungskriegen erscheint vor diesem Hintergrund durchaus nicht aus der Luft gegriffen. Derweil weigert sich China weiter beharrlich, dem Wechselkurs des Renminbi Yuan mehr Raum zu geben. Unter dem Strich lässt sich ein Vertrauensverlust in alle Papierwährungen konstatieren, weshalb Investoren zunehmend die Flucht in Sachwerte ergreifen. Umso weiter der Dollar fällt, umso höher steigen dabei die hauptsächlich in Dollar notierten Rohstoffe.

Korrelation treibt Rohstoffpreise

Neben Inflationssorgen und der Abwertung des US-Dollars spielt die Entwicklung der Aktienmärkte eine wichtige Rolle für die Rohstoffmärkte. Auch wenn die gefühlte Korrelation zwischen den beiden Asset-Klassen höher sein mag als in tatsächlichen Zahlen ausgedrückt, ist sie weiterhin deutlich positiv. Wann das Ende der Fahnenstange erreicht ist, lässt sich kaum seriös prognostizieren. Sollten sich die Befürchtungen der Skeptiker erfüllen, könnte sich die nominale Rallye bei Rohstoffen noch deutlich fortsetzen. Einige Marktbeobachter gehen sogar davon aus, dass die US-Notenbank QE2 starten wird, um mit dem dann schwächeren Dollar Inflationsdruck nach China zu exportieren und Peking dadurch zu einer Aufwertung des Renminbi zu zwingen.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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