US-Aktien: Wie deutlich ist die Überbewertung?
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Die Meinungen darüber, wie stark der US-Markt überbewertet ist, gehen auseinander. Einige sagen, der Markt sei praktisch auf jeder Ebene – ob KGV, Kurs-Buchwert, Kurs-Cashflow usw. – überbewertet. Andere wiederum sehen zwar die im historischen Vergleich hohen Bewertungen, doch empfinden sie nicht als übertrieben. Das Argument: Es fehlt an Alternativen.
Einen wirklich objektiven Maßstab für die Überbewertung des Marktes gibt es nicht. Die Bewertung ist immer relativ. Im Vergleich zu 2009 ist der Markt hoffnungslos überbewertet. Im Vergleich zur Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende ist der Markt geradezu noch ein Schnäppchen. Es kommt also immer auf den Maßstab an, den man als Vergleich heranzieht.
Diese ziemlich einfache Philosophie kann man wie in der Abbildung graphisch darstellen. Abgebildet ist der S&P 500 sowie das Shiller KGV (inflationsbereinigtes, langjähriges Durchschnitts-KGV). Das Shiller KGV dient als Vergleichsmaßstab. Der Kurs eines Index eignet sich als Maßstab nicht besonders gut, denn ein Index kann auch bei hohen Kursen niedrig bewertet sein, wenn hohes Wachstum vorliegt.
Das KGV ist bereits ein relativer Maßstab und eignet sich daher für den Vergleich sehr gut. Um nun festzustellen wie stark ein Markt über- oder unterbewertet ist, muss man im Prinzip nur wissen, wie weit der aktuelle Wert vom Mittel abweicht.
Das Shiller KGV wurde vom Nobelpreisträger Robert Shiller entwickelt und wurde bis ins 19. Jahrhundert zurückgerechnet. Der Durchschnitt über den gesamten Zeitraum liegt bei 16.7. Aktuell liegt der Wert bei 27. Auf den ersten Blick würde man nun sofort sagen, dass die Überbewertung offensichtlich ist. Dem ist nicht zwangsläufig so.
Ein Markt ist dann außergewöhnlich bewertet, wenn seine Bewertung um einen bestimmten Betrag vom Mittel abweicht. Grantham zieht dafür die Standardabweichung heran. Im Normalfall werden zwei Standardabweichungen vom Mittel verwendet. Steigt der Wert des Vergleichsmaßstabs (hier das Shiller KGV) über 2 Standardabweichungen an, dann liegt eine klare Überbewertung vor.
Die Herangehensweise, die hier verwendet wird, ist nichts anderes, als ein Bollinger Band für das Shiller KGV zu konstruieren. Das Bollinger Band nimmt einen gleitenden Durchschnitt als Ausgangspunkt an. Auf diesen Durchschnitt, z.B. 12 Monate gleitender Durchschnitt, wird die Standardabweichung berechnet. Diese wird dann doppelt vom Durchschnitt abgezogen und addiert. So ergeben sich die äußeren Bollinger Bänder.
Die Grafik zeigt das Bollinger Band des Shiller KGV. Als Grundlage dient der 60 Monate gleitende Durchschnitt. Steigt der Basiswert, das Shiller KGV, über das äußere Band an, dann liegt eine Überbewertung vor. Aktuell befinden wir uns noch darunter.
Im vergangenen Jahr wurde die obere Begrenzung erreicht. Der Markt korrigierte tatsächlich und zwar bis zum Mittelwert (mittlere Linie des Bollinger Bandes). Auch in der Vergangenheit hat diese Systematik gut funktioniert. Vom oberen Rand kehrt der Basiswert erst zum Mittel zurück und steigt von dort aus entweder wieder an oder beginnt einen neuen Trend. Ist letzteres der Fall, dann sinkt der Basiswert unter das mittlere Band bis zur unteren Begrenzung.
Ich weiß nicht, welchen gleitenden Durchschnitt Grantham verwendet. Persönlich empfinde ich 60 Monate als sinnvoll. Ein längerer Zeitraum glättet Bullen- und Bärenmärkte zu sehr. Ein kürzerer Zeitraum ist zu anfällig für kurzfristige Schwankungen.
Einige Analysten vergleichen das aktuelle KGV mit dem Mittelwert der letzten 135 Jahre, also dem Durchschnitt über den gesamten Zeithorizont. Persönlich halte ich das nicht für zielführend. Der Mittelwert der letzten 135 Jahre (16.7) wurde gerade einmal in 2009 erreicht, als der Markt am Boden lag. Davor kam es zuletzt in den 80er Jahren dazu. Der Mittelwert der letzten 135 Jahre hat wenig mit dem Markt seit 1990 zu tun. Man legt daher vermutlich den falschen Maßstab an, wenn man den Durchschnitt seit 1881 nimmt.
Nach dem hier angewendeten Mittel dürfte der Markt noch 6 % steigen und bewegt sich erst dann außerhalb des Bollinger Bandes. Eine Korrektur wird dann fällig. Für eine Rückkehr zum Mittel müsste diese 16 % betragen. Das ist nicht der große Zusammenbruch, den alle erwarten. Selbst wenn der Markt zur unteren Begrenzung zurückfiele, müsste der Kurs lediglich um 32 % nachgeben.
Der Markt mag überbewertet sein, doch daraus ergibt sich nicht zwangsläufig ein Zusammenbruch. Ein Markt kann zudem lange Zeit überbewertet sein, bevor er dreht. Derzeit hat der Markt noch etwas Spielraum nach oben, ohne in eine maßlose Übertreibung überzugehen.
Clemens Schmale
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Korrektur: am meisten gewann wohl der Arbeitnehmer
Überbewertung? Steigende Zinsen würden in erster Linie wohl Gläubiger langfristiger Anleihen schädigen. Steigende Zinsen bedeutet auch eine sich gut entwickelnde Wirtschaft, also erst mal gut für Aktien. Diese Prozesse laufen meist langsam einen Zinscrash wird man wohl kaum zulassen, auch Verhältnisse wie in den dreißigern (Versagen der Notenbanken). Steigende Zinsen oder Inflation ohne Wachstum: schlecht aber nicht so schlecht, weil die Umsätze der Unternehmen ja auch steigen. Interessant ist, wer in den USA in den 70 ern mit steigender Inflation (Staatsausgaben, steigende Löhne) am wenigsten verlor (am Rande: am meisten wohl der Arbeitnehmer) der Aktionär (mehr oder weniger gleichbleibende Kurse, mehr Dividende), der Festgeldbesitzer oder der Besitzer 10 jähriger Anleihen (zunächst Kursverluste - später höhere Zinsen).
Eine plötzliche exorbitante Inflation wäre wirklich schlecht - aber wo soll sie herkommen? Im Vergleich zu früher sind die Notenbanken doch wesentlich schlauer geworden.
Ich habe große Zweifel daran, dass man Entwicklungen aus den Jahrzehnten großer globaler Überlegenheit der amerikanischen Wirtschaftsmacht in die Gegenwart der gar Zukunft projezieren kann. Ökonomisch kann da jederzeit mal etwas anders laufen, als es die Empirie vorschlägt. Und die Börse als so eine Art ernstes Gesellschaftsspiel funktioniert ja so, dass alle Beteiligten ständig versuchen, aus dem Verhalten der anderen zu lernen. Das Geschehen passt sich also fortlaufend den gewinnträchtigsten Strategien an. Die einzige wirkliche Regel, die man daraus ziehen könnte ist: Nichts bleibt auf Dauer so, wie es war.
sehr gutes langfristiges Bild. Bewertungen und deren Entwicklung können sich selbst verstärken. Letztens hatte ich einen sehr guten Vergleich zwischen CAPE und T.Bond Ratio von Aswath Domadaran gesehen. Versus Anleihen sind Aktien tatsächlich the Place to be, aka TINA