Kommentar
17:40 Uhr, 02.08.2013

Unruhe voraus?

Die Spannung an den Börsen ist regelrecht greifbar. Zwischen dem Ende von QE, Chinas Kredit-, Immobilien- und Produktivitätsproblemen bis hin zu überraschend guten Konjunkturdaten aus den USA und einer zaghaften Erholung in Europa ist alles dabei. Das ist genug Stoff für Unruhe. Die Meinungen über den zukünftigen Verlauf der Aktienindizes polarisieren sich dabei zunehmend. Sie pendeln zwischen Crash und immer neuen Rekordhochs. Wahrscheinlich haben beide Lager recht – allerdings zeitlich versetzt. Bevor es nachhaltig weiter aufwärts geht, ist eine Korrektur einzuplanen, auch wenn die Kurse in jüngster Vergangenheit nicht daraufhin deuten.

Kritische Wochen

Während sich die Meinungen über die Kursverläufe unterscheiden, ist das Sentiment vergleichsweise neutral. Es zeigt momentan weder Euphorie noch besondere Skepsis. Neutralität ist gefährlich. Während bei Extremen klar ist, ob sich ein Boden oder ein Top abzeichnet, ist Neutralität gut für Überraschungen. Das Sentiment kann sich schnell in eine positive oder negative Richtung bewegen. Welche es letztlich sein wird, kann man nur erahnen. Saisonal deutet allerdings vieles auf eine Veränderung zum Negativen. Anleger sollten sich also auf eine „überraschende“ Korrektur vorbereiten.

Der S&P 500 verläuft 2013 bisher so wie man es erwartet. Der erste Chart zeigt den bisherigen Verlauf 2013 und den typischen Verlauf der letzten 20 Jahre. Die Saisonalität ist gut zu erkennen. Von Oktober bis Jahresende läuft die Jahresendrallye. Von Ende Februar bis Ende April gibt es eine Frühjahrsrallye. Und zu guter Letzt zeigt sich das schwache Halbjahr, welches im Mai beginnt. Dem Sprichwort „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ ist hier durchaus etwas abzugewinnen.

Bei etwas genauerer Betrachtung lässt sich das schwache Halbjahr nochmals unterteilen. Fast immer im Mai beginnt eine 4 bis 8-wöchige Verkaufswelle, die dann von einer kurzen Sommerrallye beendet wird. Die Sommerrallye dauert für gewöhnlich nicht länger als 4 bis 6 Wochen. In manchen Jahren fällt sie ganz aus oder ist kaum wahrnehmbar. Ende Juli bis Mitte August folgt eine zweite Verkaufswelle, die bis zur Start der Jahresendrallye Ende September bis Anfang Oktober anhält. Vor allem der Monat August stellt sich als schwieriger Monat heraus. Starke Kursrückgänge sind im August wahrscheinlicher als im Mai. Zuletzt wurde das eindrucksvoll vor zwei Jahren bewiesen, als 2011 im August ein regelrechter Crash stattfand. Der Vergleich einiger mehr oder minder ähnlicher Jahre zu 2013 (1998, 2008, 2011) zeigt, dass sich der S&P seit Kurzem in einem kritischen Zeitfenster befindet. Der hervorgehobene Teil ist der Zeitraum, in dem es am häufigsten zu Turbulenzen kam.

Vorstellbar ist ein Verlauf ähnlich wie 1998 oder 2011. Hier stünde eine Korrektur unmittelbar bevor. Mit etwas Phantasie lassen sich auch Parallelen zu 2008 erkennen. Hier gäbe es dann noch eine Gnadenfrist. Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang noch ein Vergleich der S&P zur Goldvolatilität. Die beiden Volatilitäten verlaufen sehr ähnlich. Die Korrelation ist sogar so hoch, dass jede kleine Abweichung sofort auffällt. Der Verlauf seit Mai 2013 zeigt eine beunruhigende Divergenz, die zur Vorsicht mahnt.

Obwohl ab Anfang August die Wahrscheinlichkeit für eine Korrektur deutlich erhöht ist, stellt man sich als Anleger natürlich trotzdem die Frage, ob man aussteigen soll, wenn es so gut läuft. Für das Dilemma gibt es eine Lösung, die in der Volatilität liegt.

Eine gute Wette

Volatilität ist mit den zugrunde liegenden Indizes stark negativ korreliert. Es verwundert daher nicht, dass der typische Jahresverlauf des S&P 500 Volatilitätsindex VIX sich zum Aktienindex invers verhält. Besonders auffällig ist der starke Anstieg ab Ende Juli/Anfang August. Die Maiturbulenzen sind dagegen äußerst bescheiden. Wer also auf steigende Volatilität setzen möchte, ist gut beraten, dies zwischen Juli und September zu tun.

Die Frage ist natürlich: möchte ich überhaupt auf steigende Volatilität setzen? Es gibt mehrere Argumente, weshalb dies sinnvoll sein kann. Auf steigende Volatilität zu setzen ist nicht nur saisonal gesehen eine gute Idee. Der typische Jahresverlauf ist zwar nur ein Durchschnitt, doch auch die einzelnen Jahre zeigen einen sehr konsistenten Verlauf. Seit Einführung des VIX vor 20 Jahren gab es lediglich drei Jahre, in denen die Volatilität zwischen Anfang August und Ende September fiel bzw. stagnierte. Die Trefferquote von 85% lässt sich sehen. Darüber hinaus ist die long Positionierung eine gute Absicherung. Wer sich nicht aus dem Markt zurückziehen möchte, kann sich absichern und mögliche Kursverluste durch steigende Volatilität wettmachen. Während der S&P dieses Jahr bedenkliche Parallelen zu 2011 aufweist, zeigt der VIX große Ähnlichkeit zu 1998 und 2011. Hinzu kommt noch, dass die Volatilität derzeit extrem niedrig ist. Der VIX notiert bei 13 Punkten. Der August Future notiert bei 13,5.

Von den drei Ausnahmejahren abgesehen, stieg der VIX mindestens 20%. In vielen Jahren lag der Wert deutlich darüber. Auch wenn das nach einem sehr guten Setup klingt, gibt es einige Punkte zu beachten. Handeln lässt sich meist der nächste Future Kontrakt. Steigt bis zum Laufzeitende dieses Kontraktes der VIX nicht an bzw. fällt weiter, dann muss die Position gerollt werden, d.h. der Augustkontrakt muss gegen den Septemberkontrakt getauscht werden. Ist die Volatilität niedrig, gehen Anleger davon aus, dass sie in Zukunft steigen wird. Dadurch ist im Normalfall ein Kontrakt, der weiter in der Zukunft liegt, teurer als der aktuelle. Der Septemberkontrakt müsste z.B. um 15 gekauft werden, während der Augustkontrakt zu 14 aufgelöst wird. Dadurch fallen Verluste an, wenn eine Position gerollt werden muss. Die meisten Volatilitätsprodukte, die auf steigende Notierungen setzen, sind langfristig Verlustbringer, weil sie regelmäßig Rollverluste akkumulieren. Hinzu kommt, dass die Produkte die VIX-Bewegungen nicht zu 100% nachvollziehen. Steigt der VIX um 30% heißt das noch nicht, dass auch das Produkt um 30% steigt. Im Schnitt werden lediglich 50% der Bewegung erfasst. Aufgrund dieser Ineffizienz ist es am besten den VIX direkt zu handeln und falls notwendig die Position selbst zu rollen.

Die Phase steigender Volatilität beträgt ca. 3 Monate. Wird der Augustkontrakt gekauft, muss die Position schlimmstenfalls zwei Mal gerollt werden – auf den Septemberkontrakt und dann auf den Oktoberkontrakt. Dadurch akkumulieren Sie Verluste. In einem durchschnittlichen Jahr bleiben dann aber immer noch 15% Gewinn. Kommt es zu einer größeren Korrektur sollten mindestens 30% übrig bleiben. Damit sind bestehende Longpositionen abgesichert bzw. lässt sich ein schöner Gewinn einfahren, wenn man nicht mehr long in Aktien positioniert ist.

Zum direkten Handel der VIX Futures (bzw. CFDs auf die Futures) gibt es eine Alternative. Während klassische Long-Produkte auf die Volatilität ineffizient sind, gibt es auch Lösungen, die sich die Rollproblematik zunutze machen. Diese Produkte setzen auf fallende Volatilität und sind vergleichsweise effizient. Man kann mit diesen Produkten auch von steigender Volatilität profitieren, indem man sie nicht kauft, sondern verkauft. Es handelt sich dann um eine Shortposition auf fallende Volatilität. Steigt nämlich die Volatilität, dann fällt das Shortprodukt. Nachdem es aber leerverkauft wurde, gewinne ich bei den Kursverlusten. Das klingt zugegebenermaßen ein wenig umständlich und kompliziert, ist de facto aber recht einfach und für Anleger deutlich effizienter als klassische Longprodukte. Hintergründe zur Volatilität und Rollproblematik, sowie eine Erklärung zu den Produkten finden Sie in einem früheren Artikel von mir (hier).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es saisonal eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Korrektur an den Aktienmärkten gibt. Parallelen zu 1998 und 2011 deuten sogar eine etwas stärkere Bewegung an, die bis Ende September andauern kann. Um sich abzusichern bzw. Gewinne zu ermöglichen, bietet es sich an auf steigende Volatilität zu setzen. Im Normalfall sollte trotz möglicher Rollverluste ein Gewinn von 15% möglich sein. Am effizientesten ist es, VIX Futures bzw. CFDs auf die Futures zu handeln. Alternativ kann der ProShares Short VIX Short-Term Futures leerverkauft werden.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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