Kommentar
08:01 Uhr, 12.05.2016

Ungereimtheiten bei den Inflationszahlen

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
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    Kursstand: 46,15 $/Barrel (Commerzbank CFD) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Brent Crude Öl
    ISIN: XC0009677409Kopiert
    Kursstand: 47,47 $/Barrel (Commerzbank CFD) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Die aktuellen Inflationszahlen sind durch Sonderfaktoren verzerrt. Es gibt keine Deflation.
  • Im weiteren Verlauf des Jahres wird die Preissteigerungsrate im Euroraum stärker anziehen als derzeit von den meisten erwartet.
  • Das wird sich auf die Zinsen auswirken. Sie werden sich am langen Ende des Marktes erhöhen.

Bei den letzten Inflationszahlen für den Euroraum stießen mir ein paar Ungereimtheiten auf. Jeder weiß, dass die Öl­preise seit Anfang des Jahres deutlich nach oben gegangen sind. Gleichzeitig steigen die Löhne nach zum Teil heftigen Arbeitskämpfen besonders in Deutschland. Wer in den Ge­schäften einkauft, hat nicht den Eindruck, es werde billiger. Und was tut die Inflationsrate? Sie ist im April gesunken und war mit -0,2 % sogar negativ. Da kann doch etwas nicht stimmen. Ich habe mir daher die Zahlen etwas genauer an­geschaut – und stieß dabei auf noch mehr Überraschungen.

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Zunächst zu den aktuellen Zahlen. Hier wird immer wieder gesagt, die Inflation wäre wegen der niedrigen Energieprei­se zurückgegangen. Das ist falsch. Es liegt an etwas ganz Anderem. Es gibt da einen Sonderfaktor, der mich ärgert, seit ich mich mit diesen Statistiken befasse. Denn er wird immer wieder übersehen. Das sind die Pauschalreisen in Deutschland. Sie sind im März wegen des frühen Osterfes­tes um 10 % teurer geworden. Im April dürften sie dann wieder billiger gewesen sein. Das hat die Inflationsrate gedrückt. Pauschalreisen sind nämlich gar nicht so unbe­deutend. Sie haben ein Gewicht von 2,6 % am Warenkorb. Ohne diesen Posten wäre die Inflationsrate im April nicht gefallen. Das gilt zwar in erster Linie für Deutschland, wirkt sich aber auch auf den Euroraum aus.

Man sollte also den Rückgang der Inflation im April nicht so ernst nehmen. Das ist keine Deflation. Es wird sich wieder normalisieren.

Wichtiger sind die weiteren Aussichten. Die meisten erwar­ten hier derzeit wenige Änderungen. Sie glauben (beein­flusst auch durch das permanente Mantra der EZB), dass die Inflation noch auf längere Zeit niedrig bleiben wird. Ich möchte da einen Kontrapunkt setzen. Unter der Oberfläche vollziehen sich nämlich ein paar Veränderungen, die am Ende zu einer höheren Inflation führen werden:

Erstens werden die Ölpreise die Inflation in Zukunft nicht mehr so stark drücken wie bisher. Das liegt zum einen da­ran, dass sie vermutlich weiter nach oben gehen werden. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann wird zumindest der Vorjahresabstand immer kleiner. Am Jahresende lägen die Ölpreise um 17 % über Vorjahr, wenn der Weltmarktpreis von heute an unverändert bliebe (Grafik).

»Ich möchte da einen Kontrapunkt setzen. Unter der Oberfläche vollziehen sich nämlich ein paar Veränderungen, die am Ende zu einer höheren Inflation führen werden.«

Zweitens steigen die Löhne zumindest in Deutschland deutlich an. Sie lagen zuletzt um knapp 3 % über Vorjahr. Eine solche Zunahme hat es schon lange nicht mehr ge­geben. Sie ist deutlich höher als die Zunahme der Produkti­vität (in diesem Jahr vermutlich 0,1 %).

Drittens zieht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage an, an­geheizt durch die wachsenden Einkommen. Im Sommer werden die Renten in Deutschland zudem um 5 % angeho­ben. Die Finanzpolitik ist nicht mehr so restriktiv, allein schon wegen der Flüchtlingsströme. Umgekehrt produziert die Wirtschaft in der Bundesrepublik nahe an der Kapazi­tätsgrenze. Wenn die Nachfragezuwächse zu groß werden, dann werden die Unternehmen die Preise erhöhen.

Darüber hinaus gibt es noch Anderes. Als Folge des Immo­bilienbooms gehen zum Beispiel die Baupreise nach oben. Sie lagen in Deutschland zuletzt 1,5 % über Vorjahr.

Nun soll man nicht übertreiben. Es gibt auch Gegenposten. Einer ist die Aufwertung des Euros. Sie verbilligt die Impor­te. Ein anderer ist die schwierige Lage in den Krisenländern, wo die Inflation nach wie vor negativ ist. Das setzt der Euro­inflation Grenzen. Sie wird daher nicht dramatisch anstei­gen. Ich rechne am Jahresende mit einer Rate von 1 % bis 1,5 %. Das sieht nach nicht viel aus. Aber: Es ist keine Deflation mehr. Von minus 0,2 % bis plus 1,5 % ist ein ganz schöner Weg. Und – das ist für die Märkte wichtig – der Trend weist nach oben.

Was heißt das nun für die Zinsen? Im Augenblick rechnen viele für den weiteren Verlauf des Jahres noch mit einer wei­teren Lockerung durch die EZB. Wenn die Inflation aber so verläuft, wie ich das hier skizziert habe, dann wird es da­zu nicht kommen. Die Erwartungen werden sich drehen. Ich glaube zwar nicht, dass die EZB die Zinsen erhöht. Das wä­re zu früh. Auf den Märkten wird aber zunehmend die Frage diskutiert werden, was denn nach Auslaufen des Wertpa­pierankaufsprogrammes geschieht.

Das wirkt sich auf die Märkte bei kurzen Laufzeiten nicht aus, wohl aber bei längeren Laufzeiten. Es wäre verwunder­lich, wenn die Sätze nicht nach oben gingen. Es kann dabei auch zeitweise hektischere Bewegungen geben. Im vorigen Jahr erhöhten sich die Zinsen für 10-jährige Bundesanlei­hen von Mitte April bis Mitte Juni um 90 Basispunkte. Die Rendite erreichte wieder fast ein Prozent. So etwas könnte ich mir im zweiten Halbjahr als Folge der höheren Inflations­raten auch wieder vorstellen. Allerdings sollte man auch hier die Kirche im Dorf lassen. In den Vereinigten Staaten haben die Kapitalmärkte auf die höheren Preissteigerungen und auf die geldpolitische Normalisierung nur sehr maßvoll rea­giert. Allerdings sind die Sätze dort auch schon erheblich höher (1,80 %).

Für den Anleger

gibt es keinen Grund zur Panik. Man muss sich nicht von allen Beständen an Festverzinslichen trennen. Man weiß ja nicht, wie dauerhaft das ist. Allerdings ist es sicher nicht falsch, ein paar Umschichtungen vorzunehmen. Zum einen sollte man sich inflationsgeschützte Anleihen anschauen. Damit kann man von zunehmenden Preissteigerungsraten profitieren. Zum anderen werden Anlagen, bei denen Zins­änderungsrisiken ausgeschaltet sind, interessanter. Die Ak­tienmärkte wären bei einer Änderung der Inflationserwartun­gen verunsichert.

4 Kommentare

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  • kriva
    kriva

    Ach übrigens Herr Hübner

    vor einem halben Jahr schrieben Sie, dass die Asylantenflut gut für die Beschäftigung und unser Wachstum wären.

    Haben Sie da neuere Erkenntnisse ??

    Alle Ihre Kollegen gehen von Belastungen im dreistelligen Milliardenbereich aus.

    Hat Ihr Unternehmen auch schon Asylanten eingestellt ?

    21:53 Uhr, 12.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Also ich frag mich schon lange, wer die Hokus Pokus Zahlen der EZB glaubt.... M. E. haben wir eine Rate, die weit über 0 ist....

    11:13 Uhr, 12.05.2016
  • bembes
    bembes

    Bei der zukünftigen Inflationsrate dürfen Sie die ganzen staatlichen Preiserhöhungen wir z.B. Wasser, Abwasser, Grundsteuer etc. nicht vergessen. Teilweise gab es da Erhöhungen von mehr als 10 %. Aber die blöde EZB erzählt uns Märchen !!!

    Wir haben heute schon mind. 1 % Inflationsrate !!!!

    08:13 Uhr, 12.05.2016