Kommentar
13:15 Uhr, 08.10.2014

Der positive Ölpreis-Schock

Erwähnte Instrumente

  • WTI Öl
    ISIN: XC0007924514Kopiert
    Kursstand: 88,00 $/Barrel (Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Brent Crude Öl
    ISIN: XC0009677409Kopiert
    Kursstand: 91,74 $/Barrel (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Der Ölpreis ist in den letzten vier Monaten um 20 % gesunken. Das dürfte angesichts der schwächeren Weltwirtschaft noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.
  • Niedrigere Ölpreise sind positiv für das Wachstum der Ölimportländer. Für Deutsch­land könnte der Effekt wenigstens 0,3 Pro­zentpunkte pro Jahr betragen.
  • Auch die Kapitalmärkte dürften profitieren.

Jeder redet heute über die Risiken und Gefahren für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Da ist es an der Zeit, auch einmal auf Chancen zu schauen. In diesen Tagen geht der Ölpreis deutlich zurück. In der Vergangenheit haben Steigerungen des Ölpreises immer zu erhebli­chen Belastungen des Wachstums geführt. Könnte ein niedrigerer Ölpreis der Konjunktur neue Impulse geben?

In den letzten vier Monaten hat sich der Ölpreis um 20 % verringert (von 114 auf 92 Dollar je Barrel). Das war mehr als die meisten erwartet hatten. Es ist im We­sentlichen durch niedrigere Nachfrage und höheres An­gebot bedingt. Es muss noch nicht das Ende der Fah­nenstange sein. Die Weltkonjunktur schaltet einen Gang herunter. Da wird auch weniger Öl gebraucht. Die Ener­giesparbemühungen halten an. Andererseits ist der Boom mit dem Fracking vor allem in den USA noch nicht vorbei (auch wenn sich mit sinkendem Ölpreis die skep­tischen Stimmen mehren).

Der-positive-Ölpreis-Schock-Kommentar-Martin-Hüfner-GodmodeTrader.de-1

Die Grafik zeigt, wie groß Schwankungen des Ölpreises sein können. Sie macht auch deutlich, dass der Ölpreis auf dem jetzigen Niveau immer noch relativ hoch ist.

Vor fünf Jahren kostete Brent weniger als 70 Dollar, vor zehn Jahren sogar weniger als 50 Dollar. Freilich wer­den wir kaum auf solche Niveaus zurückkommen. Denn in den letzten Jahren hat sich die Ölförderung deutlich verteu­ert. Manche sagen, dass die Kosten des Frack­ings um 70 % über denen der herkömmlichen Ölförde­rung lie­gen. Man sollte die Erwartungen in einen wei­teren Preis­rückgang also nicht zu hoch schrauben. Wir wer­den nicht wieder auf 40 Dollar kommen wie 2008.

Bleiben wir beim jetzigen Preisrückgang von 20 %. Wie wirkt sich das aus? Deutschland hat im vergangenen Jahr Öl und Gas im Wert von knapp EUR 100 Mrd. im­portiert. (Erdgas ist ebenfalls erheblich billiger gewor­den). 20 % Preissenkung entsprechen einer Ersparnis von EUR 20 Mrd.

Freilich muss man berücksichtigen, dass sich der Euro in den letzten vier Monaten gegenüber dem Dollar abge­wertet hat. Der Europreis ist also weniger gefallen als der Dollarpreis. Somit verbleibt eine Ersparnis für die deutsche Volkswirtschaft von rund EUR 10 Mrd. Das entspricht etwa 0,3 % des Bruttoinlandsprodukts. Das ist nicht wenig. So etwas hat schon Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft.

Zunächst profitieren davon die privaten Haushalte. Sie bezahlen direkt weniger für Autofahren und Heizen. Auf Dauer, wenn sich die Preissenkungen für Energie in der Volkswirtschaft auch auf andere Preise auswirken, wird auch manches andere billiger. Damit steigt die Kaufkraft der Konsumenten. Sie haben mehr Geld, andere Dinge zu kaufen.

Positiv wirkt sich die Preissenkung für Öl und Gas auch auf die Investitionen aus. Die Unternehmen werden bei den Kosten entlastet. Die Gewinnmarge steigt. Sie kön­nen mehr Geld für neue Anlagen ausgeben. Hier ist der Effekt allerdings nicht so zwingend wie beim Konsum. Denn in vielen Fällen fehlt es den Unternehmen derzeit gar nicht an Geld für neue Maschinen und Ausrüstun­gen. Zudem werden bei niedrigeren Ölpreisen manche Vorhaben im Bereich der Energiesparmaßnahmen mög­licherweise zurückgestellt.

Beim Export sieht die Sache nicht so gut aus. Zwar wer­den andere ölimportierenden Länder zum Beispiel in der europäischen Gemeinschaft mehr Geld haben, um in Deutschland einzukaufen. Andererseits verringert sich die Nachfrage der Ölproduzenten. Dazu gehören die traditionellen Ölländer im Nahen Osten. Noch wichtiger aber sind inzwischen die USA. Hier wirken zwei Effekte. Auf der einen Seite steigt die Kaufkraft der dortigen Ver­braucher, die weniger für Benzin zahlen müssen. Auf der anderen Seite kommen manche Unternehmen des Energiesektors in Schwierigkeiten. Es könnte durchaus sein, dass die US-Wirtschaft durch die niedrigeren Öl­pre­ise nicht mehr so schnell expandiert, wie ursprünglich erwartet. Eine ganz neue Erfahrung für die Amerikaner.

Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Nied­rigere Ölpreise verringern die Inflation. Das wäre bis vor kurzem positiv gesehen worden. Inzwischen weckt es Ängste vor einer Deflation. Das kann sich negativ auf die Stimmung auswirken. Für die Zinsen ist eine niedrigere Geldentwertung positiv. Freilich sind die Kosten des Kre­dits inzwischen so niedrig, dass auch hiervon keine Im­pulse für das Wachstum zu erwarten sind. Negativ sind die Wirkungen auf die Umwelt. Es wird vermutlich wieder mehr CO2 in die Luft geblasen.

Das Fazit: Wenn die gesamtwirtschaftliche Ölrechnung in Deutschland um EUR 10 Mrd. sinkt, dann wird dies das Wachstum insgesamt positiv beeinflussen. Wie hoch der Effekt ist, ist schwer zu schätzen. Ich taxiere ihn aufgrund der vorgenannten Überlegungen auf min­destens 0,3 Prozentpunkte pro Jahr. Das ist etwa so viel, wie durch die Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukrainekrise verloren gehen. Es ändert die Wachs­tumsaussichten nicht vollkommen. Es ist jedoch ein schönes Zubrot in einer Zeit, in der es so viele negative Faktoren gibt.

Für den Anleger

Die Ölpreissenkung ist positiv für die Kapitalmärkte. Die Zinsen könnten – auch von dem erreichten niedrigen Ni­veau – noch etwas weiter zurückgehen. Für die Aktien ist wichtig, dass sich die Gewinnmargen der Unterneh­men erhöhen. Interessant sind vor allem Firmen mit ho­hem Energiebedarf. Positiv müsste auch die Chemie­industrie betroffen sein. Verbrauchsgüterproduzenten profitieren von der höheren Kaufkraft der Konsumenten. Schlecht ist die Situation dagegen für die Ölindustrie.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
Weitere Informationen über Assenagon und unsere Publikationen finden Sie auch auf www.assenagon.com.

Assenagon Asset Management S.A., Zweigniederlassung München, Prannerstraße 8, 80333 München, Deutschland

Rechtliche Hinweise

Diese Darstellung wird nur zu Informationszwecken und ohne vertragliche oder sonstige Verpflichtung zur Verfügung gestellt. Alle Informationen in dieser Darstellung beruhen auf sorgfältig ausgewählten Quellen, die für zuverlässig erachtet wurden, doch kann die Assenagon S.A., Luxemburg, die Assenagon Asset Management S.A., Luxemburg und ihre Zweigniederlassungen sowie die Assenagon Schweiz GmbH, Assenagon Client Service GmbH, München und die Assenagon GmbH, München (zusammen im Folgenden "Asse­nagon-Gruppe" genannt) deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Genauigkeit nicht garantieren. Alle Meinungsaussagen geben nur die Einschätzung des Ver­fassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Assenagon-Gruppe entspricht. Empfehlungen und Prognosen stellen unverbindliche Werturteile zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Darstellung dar. Diese können sich abhän­gig von wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen jederzeit ändern. Der Autor behält sich deshalb ausdrücklich vor, in der Darstellung geäußerte Meinungen jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Jedwede Haftung und Gewähr aus dieser Darstellung wird vollständig ausgeschlossen.

Die Informationen in dieser Darstellung wurden lediglich auf die Vereinbarkeit mit luxemburgischem und deutschem Recht geprüft. In einigen Rechtsordnungen ist die Verbreitung derartiger Informationen u. U. gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Die vorstehenden Informationen richten sich daher nicht an natürliche oder juristische Personen, deren Wohn- bzw. Geschäftssitz einer Rechtsordnung unterliegt, die für die Verbreitung derartiger Informationen Beschränkungen vorsieht. Natürliche oder juristische Personen, deren Wohn- bzw. Geschäftssitz einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt, sollten sich über die besagten Beschränkungen informieren und diese entsprechend beachten. Insbeson­dere richten sich die in dieser Darstellung enthaltenen Informationen weder an Staatsbürger aus Großbritannien oder den Vereinigten Staaten von Amerika und sind auch nicht als solche konzipiert.

Diese Darstellung stellt weder ein öffentliches Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zum Erwerb von Wertpapieren, Fondsanteilen oder Finanzinstrumenten dar. Eine Investmententscheidung bezüglich irgendwelcher Wertpapiere, Fondsanteile oder Finanzinstrumente sollte auf Grundlage einschlägiger Verkaufsdokumente (wie z. B. Prospekt) erfolgen und auf keinen Fall auf der Grundlage dieser Darstellung.

Die in dieser Darstellung aufgeführten Inhalte können für bestimmte Investoren ungeeignet oder nicht anwendbar sein. Sie dienen daher lediglich der eigenverantwortlichen Infor­ma­tion und können eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Die Assenagon-Gruppe kann andere Publikationen veröffentlicht haben, die den in dieser Darstellung vorgestellten Infor­mationen widersprechen oder zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Diese Publikationen spiegeln dann andere Annahmen, Meinungen und Analysemethoden wider. Dargestell­te Wertentwicklungen der Vergangenheit können nicht als Maßstab oder Garantie für eine zukünftige Wertentwicklung herangezogen werden. Eine zukünftige Wertentwicklung wird weder ausdrücklich noch implizit garantiert oder zugesagt.

Der Inhalt dieses Dokuments ist geschützt und darf ohne die vorherige schriftliche Genehmigung der Assenagon-Gruppe weder kopiert, veröffentlicht, übernommen oder für andere Zwecke in welcher Form auch immer verwendet werden.

© 2014

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • TomCat
    TomCat

    ​Ich sehe an der Zapfsäule immer noch 1,50 Euro ....

    07:54 Uhr, 09.10. 2014
    1 Antwort anzeigen