Kommentar
13:54 Uhr, 04.02.2022

Ukrainekrise: Worauf wartet Putin?

Die Fronten zwischen Moskau und dem Westen sind so verhärtet, dass ein diplomatischer Ausweg unwahrscheinlich ist.

Nach Monaten an Truppenbewegungen und wochenlangen Gesprächen kann niemand mehr überrascht sein, wenn Russland die Ukraine angreift. Auf einen Überraschungsmoment kommt es Russland offenbar nicht an. So lässt sich erahnen, dass es Russland nicht um die Ukraine geht, sondern im Kern um den Westen.

Russlands Forderungen kennen wir. Man fühlt sich durch die NATO bedroht. Insbesondere ein Beitritt der Ukraine muss ausgeschlossen werden. Das ist schon sehr fabriziert. Die Ukraine und zuvor Georgien wollten erst der NATO beitreten, nachdem Russland die Souveränität der Staaten missachtete. Man kann also trefflich darüber streiten, wer wen bedroht und den Stein vor Jahren ins Rollen brachte.

Wenn es im Kern nicht um die Ukraine geht und auch die Sicherheitsgarantien angesichts der expansiven Politik Moskaus (Annexion der Krim 2014, Kaukasuskrieg 2008) wie Hohn wirken, worum geht es dann? Wahrscheinlich ums Prinzip und das ist die schlechteste aller Ausgangslagen.

Russland selbst ist gut vorbereitet. Um die Währung sorgt sich Moskau nicht. Geopolitisch ist sie wenig anfällig. Was den Kurs massiv bewegen kann, ist der Ölpreis (Grafik 1). Aktuell reagiert der Rubel verhalten auf die Spannungen. Das liegt auch an den enormen Devisenreserven, die Russland angehäuft hat.

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Lange Zeit war Russland krisenanfällig. Die Auslandsschulden überstiegen die vorhandenen Reserven. In einer Krise, die Kapitalflucht zur Folge hat, kann das das Finanzsystem gefährden. Eine solche Gefahr ist nur noch bedingt vorhanden. Die Reserven übersteigen die Schulden deutlich (Grafik 2) und die Reserven sind diversifiziert, z.B. in Gold.

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Sanktionen kann Russland in Bezug auf sein Finanzsystem gelassen entgegensehen. Schmerzhaft wäre eine Abkopplung vom internationalen Zahlungssystem SWIFT. Damit wird allerdings nicht nur Russland geschadet, sondern auch allen anderen Ländern. Russland könnte Forderungen nicht mehr begleichen und wie genau dringend benötigtes Erdgas gekauft werden soll, wenn man kein Geld mehr überweisen kann, muss auch noch geklärt werden.

Ohnehin erscheinen Sanktionsdrohungen leer. Gewisse Sanktionen sind nicht umsetzbar. Fast die Hälfte des in der EU eingeführten Erdgases kommt aus Russland. Die Infrastruktur ist nicht vorhanden, um es zu ersetzen. Russland liefert dabei nicht nur Erdgas und Öl, sondern auch viele andere Rohstoffe. Bei einer ganzen Reihe an relevanten Rohstoffen hat Russland global einen hohen Marktanteil. Ohne Russlands Phosphat und Kali bleibt die Welt ohne Dünger. Das ist nicht machbar.

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Auch viele Rohstoffe, die dringend für die Energiewende benötigt werden, kommen in großen Mengen aus Russland. Viele Rohstoffe sind schon jetzt knapp. Ohne russische Rohstoffe muss die Energiewende um ein Jahrzehnt verschoben werden. Das erscheint nicht gewollt.

Was möglich ist, sind Exportverbote wichtiger Technologiegüter, auf die Russland angewiesen ist. Der Effekt wäre jedoch erst langfristig zu bemerken und dürfte kurzfristig nicht abschrecken. Worauf wartet Russland also noch, wenn es keine schlechte Position hat, zumal der Westen ein militärisches Eingreifen ausschließt?

Putin will offenbar keinen Krieg. Ausschließen kann man ihn deswegen nicht. Die Krise ist echt, selbst wenn sie erzwungen wurde. Ein Krieg ist jedoch innenpolitisch schwierig. Es kann das Land einen oder Putin politisch begraben.

Der Westen hat zudem eher zufällig einen Trumpf entdeckt. Anstatt mit wenig abschreckenden und unkonkreten Sanktionen zu drohen, schlug man vor, Putin und seine Gefolgschaft zu sanktionieren. Die Reaktion aus Moskau kam prompt und war unmissverständlich. Putin zu sanktionieren, sein Vermögen und das seiner Gefolgschaft einzufrieren bedeutet einen irreparablen Schaden anzurichten. Es würde die Beziehungen sofort und gänzlich beenden.

Je schneller und deutlicher Sanktionsdrohungen zurückgewiesen werden, desto wirksamer sind sie wohl. Nun hat der Westen eine glaubwürdige Drohung und ein Krieg, sofern kein Unfall geschieht, wird unwahrscheinlicher. Jetzt muss Moskau nur noch einen Weg finden, aus der Sackgasse wieder herauszukommen.

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  • angola_murksel
    angola_murksel

    nordstream2 öffnen und schon sind alle lieb im kindergarten. außer usa und frau kempfert natürlich.

    17:09 Uhr, 04.02.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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