Kommentar
10:39 Uhr, 31.03.2015

Übertreibung am Anleihemarkt?

25 Prozent der europäischen Staatsanleihen haben negative Renditen. Zehnjährige deutsche Staatsanleihen rentieren bei 30 Basispunkten. Und auf Britische Pfund lautende Anleihen außerhalb des erstklassigen Staatsanleihesektors hatten im Januar 2015 mit einem Zuwachs von 4,9 Prozent ihr bestes Monatsergebnis aller Zeiten, während die Renditen auf das Rekordtief von 3,3 Prozent sanken. „Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten“, kommentiert Nick Hayes, Manager des AXA WF Global Strategic Bonds. „Ich bin mir nicht sicher, welche dieser Tatsachen mich am meisten schockiert. Es besteht offenbar kaum noch ein Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Fundamentaldaten und den Vermögenspreisen, wie insbesondere die Renditen von Staatsanleihen zeigen.“ Während die USA und Großbritannien an der Schwelle einer neuen Ära ohne Quantitative Easing und mit demnächst steigenden Zinsen stünden, hielten die quantitativen Lockerungsprogramme der EZB und Japan die Renditen auf diesen niedrigen Niveaus.

„Das Spiel von Angebot und Nachfrage verzerrt zunehmend die Bewertungen von Zinsinstrumenten, weil eher risikoarme Titel Käufer finden“, erklärt Hayes. „Einige Renditen sind sogar auf das tiefste Niveau seit 500 Jahren gefallen.“ 2014 seien dabei vor allem zwei Faktoren zum Tragen gekommen: Der Markt senkte seine Erwartungen in Bezug auf die Maximalrendite im Zinszyklus, und sehr viele Marktteilnehmer hätten Duration untergewichtet. Dies habe im Zuge der zwischenzeitlichen Renditesteigerungen zu Problemen und weiteren Käufen geführt, als die Anleger ihre Positionen am kurzen Ende der Zinskurve schlossen.

Wieso könnten die Renditen steigen?

„Ich habe mich lange dagegen gewehrt, die Anleiherallye als Übertreibung zu bezeichnen, aber die Situation ist in jedem Falle außergewöhnlich, und so stellt sich die Frage, was hier eigentlich vor sich geht“, so Hayes weiter. „Die Ruhe, mit der Anleger negative Renditen akzeptieren, gibt sicherlich Anlass zur Sorge. Im Übrigen sind wir wahrscheinlich auch Zeugen der so genannten Kapitulationsphase. Ähnliches konnten wir im Jahr 1999 im Technologie-Aktienmarkt beobachten. Damals vollzogen viele, die Technologie ursprünglich untergewichtet hatten, eine Kehrtwende nach dem Motto: Offenbar kann man bei diesen IPOs nur gewinnen, wenn die Aktien selbst bei schlechten Fundamentaldaten immer zulegen.“ Diese Kapitulationsphase ist Hayes zufolge wichtig, weil sie dem Markt hilft, ein Gleichgewicht zu finden. Anders als im Jahr 2014, als wegen der allgegenwärtigen Durationsuntergewichtung praktisch der ganze Markt auf dieselbe Entwicklung setzte, seien die Positionierungen jetzt sehr viel ausgeglichener. Es gebe genügend Marktteilnehmer, die weiter sinkende Anleiherenditen für möglich hielten. „Vielleicht geht die Analogie mit der Nasdaq weiter und der Zinsmarkt implodiert irgendwann einfach. Dann bestünde wenig Widerstand gegen steigende Renditen“, so Hayes.

Wie sollten sich Anleger positionieren?

Das globale Fixed-Income-Segment sei allerdings eine so diverse Anlageklasse, dass es nicht ausreiche, einfach nur eine Übertreibung auszumachen und die Anlageklasse komplett zu ignorieren. „Wir analysieren Anleihen, die sensibel auf Zins- und Bonitätsveränderungen reagieren, lange und kurze Laufzeiten, konventionelle und inflationsindexierte Titel und natürlich achten wir auf regionale Diversifizierung“, erläutert Hayes. „Angesichts der extrem niedrigen Renditen bevorzugen wir Anleihen mit kürzeren Laufzeiten und meiden weiterhin langlaufende Staatsanleihen, die in den letzten Monaten so massiv angezogen haben. Außerdem setzen wir auf Credits besonders im US-High-Yield-Segment.“ Dennoch könne man davon ausgehen, dass eine Korrektur bei US- und anderen wichtigen Staatsanleihen in den meisten Anlageklassen Verkaufswellen auslösen könne.

Hayes positioniert sich daher defensiv: „2015 sollte es in meinen Augen um Renditeverzicht statt um Zusatzrendite gehen. In den letzten fünf Jahren hat sich die Renditejagd am Anleihemarkt gelohnt. 2015 werde ich dagegen versuchen, Anleihen mit besonders niedrigen Renditen zu kaufen, die auch nur ein geringes Risiko haben. Mein Kernportfolio besteht aus den Zinsinstrumenten mit dem niedrigsten Beta, also kurzlaufenden Anleihen mit geringem Risiko.“

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