Trichet : 8 Jahre EZB, nun kommt Draghi
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Jean-Claude Trichet scheidet aus dem Amt. Der EZB-Chef blickt auf seine 8-jährige Amtszeit sicherlich mit gemischten Gefühlen zurück. Ich möchte behaupten, dass die ersten 5 Jahre ein Spaziergang waren gegen den Kampf, den Trichet seit 2008 führen muss.
Formale Unabhängigkeit ist nicht mit einem faktischen Freibrief zu einseitig regelkonformem Handeln zu verwechseln. Die europäischen Notenbanker sind zwar vertraglich einzig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet (was die EZB wesentlich von der amerikanischen Fed unterscheidet, die auch Wachstum fördern soll), aber man sollte nicht den politischen Druck unterschätzen, dem eine Zentralbank ausgesetzt ist.
Seit Frühjahr 2010 hat die EZB denn auch Anleihen aus Krisenstaaten im Umfang von 170 Mrd. EUR gekauft. Es darf durchaus angenommen werden, dass dies stabilisierend auf die Kurse gewirkt hat. Das bedeutet nicht, dass Sie und ich das gutheißen müssen. Es ist aber ein nicht zu leugnender Fakt, dass die Fähigkeit der Zentralbank zum Kauf von Staatsanleihen und die reale Umsetzung dieser Fähigkeit wohl der Hauptgrund dafür sind, dass die Anleihen von Ländern wie Italien noch nicht viel heftiger gefallen sind. Der Markt setzt darauf, dass die EZB als „lender of last resort“ zur Verfügung steht. Das ist sogar wichtiger als der Rettungsschirm EFSF oder der dauerhafte Stabilitätsmechanismus ESM. Jeder Rettungsmechanismus, der letztlich nicht auf die EZB setzen kann, ist ohnehin zum Scheitern verurteilt.
Im angelsächsischen Raum hat man dies bereits treffend erkannt. Wenn das bisherige System ohne umfangreiche Pleiten „gerettet“ werden soll, wird die EZB zu einer zweiten Fed mutieren müssen. Nur der deutsche Widerstand gegen entsprechende Gelüste aus Frankreich verhindert dies noch; sonst würde vermutlich längst ein Entwurf zur Änderung der EU-Verträge hinsichtlich der Aufgaben und Befugnisse der EZB auf dem Tisch liegen.
Sollte Deutschland irgendwann der Meinung sein, dass es aus dem Euro heraus muss, so wird der Grund dafür wahrscheinlich genau in diesem Konflikt mit der Position der schwächeren EU-Staaten liegen.
Der ehemalige Präsident des BDI Hans-Olaf Henkel hat in seinem aktuellen Buch „Rettet unser Geld“ denn auch vorgeschlagen, dass der Euro in zwei Zonen aufgespalten wird, wobei Deutschland und Frankreich jeweils die Führung ihres „Blocks“ übernehmen sollen. Henkel musste besonders die berechtigte Kritik der Geschichtsvergessenheit in Kauf nehmen, denn die deutsch-französische Freundschaft bildet ohne Zweifel den Kern Europas. Insofern ist es nahezu ausgeschlossen, dass Deutschland von sich aus dieses Szenario forciert. Es scheint aber nicht unmöglich, dass beide Länder gemeinsam entscheiden könnten, diesen Weg zu beschreiten, ohne ihre enge Bindung aufzugeben.
Im Moment ist das Zukunftsmusik. Es ist weiter davon auszugehen, dass der Euro mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigt wird. Wir können nur ahnen, was Politik und Notenbanken sich noch alles einfallen lassen.
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