Trendwende oder Chimäre?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Erwähnte Instrumente
- Die Schuldenquote geht in Deutschland zurück, mehr als viele erwartet hatten.
- Das ist jedoch nicht Ausdruck einer soliden Finanzpolitik. Es beruht vielmehr auf dem Wirtschaftswachstum und der Abwicklung der Bad Banks aus der Finanzkrise.
- Die öffentlichen Finanzen können sich bei steigenden Zinsen und/oder einer schwächeren Konjunktur schnell wieder verschlechtern.
Jeder weiß, dass der Staat seine Schulden nicht zurückzahlt. Wenn die Kredite an die öffentliche Hand ein bestimmtes Niveau erreicht haben, dann verharren sie entweder auf dem erreichten Stand oder steigen weiter an. Verringern tun sie sich nach aller Lebenserfahrung nicht.
So lautet die allgemeine Meinung. So ganz richtig ist sie freilich nicht. Es ist vielmehr eine der typischen Geldfallen, die plausibel erscheinen, in Wirklichkeit aber so nicht richtig sind. Ich habe in meinem neuen Buch viele andere solcher Geldfallen beschrieben.
Richtig ist: Die einzelnen Schuldtitel – etwa Anleihen – werden unter normalen Bedingungen hinsichtlich Zins und Tilgungen jeweils ordentlich bedient. Der Staat nimmt dafür dann neue Kredite auf. Nur bei einem Staatsbankrott ist das nicht der Fall. Der kommt freilich öfter vor als man denkt.
Auch die Schuldenquote ist schon häufiger zurückgekommen. Die Schuldenquote ist die Relation der öffentlichen Schulden gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Die USA beispielsweise hatten nach dem Zweiten Weltkrieg einen Schuldenstand von 120 % des BIP. Vierzig Jahre später betrug er nur noch 30 %. In Großbritannien sind die Schulden gemessen am BIP in dieser Zeit ebenfalls deutlich herunter gekommen.
Das lag freilich weniger an einer sparsamen Haushaltspolitik. Entscheidend waren vielmehr, dass das Sozialprodukt kräftig zunahm, dass die Inflationsrate relativ hoch war und dass die Zinsen durch staatliche Eingriffe gedeckelt worden waren. Das waren alles Bedingungen, die heute nicht mehr so gelten.
Umso mehr war ich überrascht zu sehen, wie sich die Schuldenquote in den letzten Jahren in Deutschland verringert hat (siehe Grafik). Die gesamten Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand waren in der Finanzkrise 2008 bis 2010 von 65 % auf über 80 % des BIP hochgeschnellt. Seitdem aber geht die Quote zurück. Nach den Schätzungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird sie in diesem Jahr nur noch 74,1 % betragen, im nächsten Jahr nur noch 72 %. Das ist ein deutlicher Schritt in Richtung auf das 60%-Kriterium des Maastricht-Vertrages, das viele in den letzten Jahren als nie mehr erreichbar ansahen.
Was steckt dahinter? Wirtschaftet der Staat doch besser als wir denken? Immerhin hat es die öffentliche Hand in Deutschland in den letzten Jahren geschafft, die Haushaltsdefizite, die sich 2010 auf EUR 105 Mrd. belaufen hatten, auf eine "Schwarze Null" zu reduzieren. Das ist eine Leistung, die nicht viele andere Staaten hinbekommen haben.
Zur Verringerung der Schuldenquote reicht dies freilich nicht aus. Dazu muss der Staat nicht nur keine Defizite mehr machen. Er muss Überschüsse erwirtschaften. Nur dann kann er die aufgenommenen Kredite zurückzahlen. Das liegt im Augenblick noch in weiter Ferne.
Dass die Schuldenquote von 2010 bis 2015 trotzdem zurückgeht, liegt an zwei Dingen. Zum einen hat sich das Bruttoinlandsprodukt um fast EUR 400 Mrd. erhöht. Damit wird der Nenner größer und die Schuldenquote verringert sich. Das war der wichtigste Effekt. Selbst wenn der Staat also keine Kredite zurückzahlt, geht die Schuldenquote allein durch das Wirtschaftswachstum zurück.
Zum anderen aber sind auch die Verbindlichkeiten des Staates kleiner geworden, und zwar um EUR 73 Mrd. Das ist zwar nicht so groß wie der Wachstumseffekt. Aber immerhin trägt auch dies zu rund einem Fünftel zur Verbesserung der Schuldenquote bei. Das ist überraschend. Die Verbindlichkeiten des Gesamtstaats gehen zurück, obwohl er in seinen laufenden Ausgaben und Einnahmen keinen nennenswerten Überschuss erwirtschaftet.
Der Grund liegt in den Spätfolgen der Finanzkrise. Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers 2008 hatte der Staat faule Kredite einzelner Banken (unter anderem der Hypo Real Estate) in seine Bücher genommen. Dadurch sollten die Institute vor der Insolvenz gerettet werden. Diese Kredite wurden in "Bad Banks" ausgegliedert. Sie werden jetzt Stück für Stück abgewickelt. Dadurch verringern sich die Verbindlichkeiten des Staates.
Das ist aber kein Zeichen finanzpolitischer Solidität. Es ist lediglich Ausdruck, dass die Aufräumarbeiten nach der Finanzkrise vorankommen. Die Situation im Bankensektor hat sich gebessert. Der Staat zieht sich aus seiner Hilfsfunktion zurück. Der Prozess wird noch einige Jahre weitergehen. Die FMS Wertmanagement, in der sich die Portfolien der Hypo Real Estate befinden, hatte Ende letzten Jahres noch ein Portfolio von EUR 119 Mrd. In der Spitze waren es EUR 176 Mrd.
Für den Anleger
Freuen Sie sich über die Verbesserung in den öffentlichen Finanzen. Das ist ein gutes Zeichen. Gehen Sie aber nicht davon aus, dass wir jetzt schon wieder solide Verhältnisse erreicht hätten. Zum einen ist der Schuldenstand im kommenden Jahr mit 72 % immer noch sehr hoch. Zum anderen ist der erreichte Stand noch fragil. Jede Zinserhöhung oder Verschlechterung der Konjunktur kann schnell wieder zu steigenden Schuldenquoten führen. In den letzten 25 Jahren gab es schon häufiger Verbesserungen beim Schuldenstand. Sie waren jedoch nur kurzlebig.
Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.
Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
Weitere Informationen über Assenagon und unsere Publikationen finden Sie auch auf www.assenagon.com.
Assenagon Asset Management S.A., Zweigniederlassung München, Prannerstraße 8, 80333 München, Deutschland
Rechtliche Hinweise
Dieses Dokument dient ausschließlich Informationszwecken und beinhaltet keine vertraglichen oder sonstigen Verpflichtungen. Es ist nicht als Angebot oder Verkauf einer Beteiligung an einem von Assenagon verwalteten Fonds zu verstehen. Alle Informationen in dieser Darstellung beruhen auf sorgfältig ausgewählten Quellen, die für zuverlässig erachtet wurden, doch kann die Assenagon S.A., Luxemburg, die Assenagon Asset Management S.A., Luxemburg und ihre Zweigniederlassungen sowie die Assenagon Schweiz GmbH, Assenagon Client Service GmbH, München und die Assenagon GmbH, München (zusammen im Folgenden "Assenagon-Gruppe" genannt) deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Genauigkeit nicht garantieren.
Alle Meinungsaussagen geben nur die Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Assenagon-Gruppe entspricht. Empfehlungen und Prognosen stellen unverbindliche Werturteile zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Darstellung dar. Diese können sich abhängig von wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen jederzeit ändern. Der Autor behält sich deshalb ausdrücklich vor, in der Darstellung geäußerte Meinungen jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Jedwede Haftung und Gewähr aus dieser Darstellung wird vollständig ausgeschlossen.
Die Informationen in dieser Darstellung wurden lediglich auf die Vereinbarkeit mit luxemburgischem und deutschem Recht geprüft. In einigen Rechtsordnungen ist die Verbreitung derartiger Informationen u. U. gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. Die vorstehenden Informationen richten sich daher nicht an natürliche oder juristische Personen, deren Wohn- bzw. Geschäftssitz einer Rechtsordnung unterliegt, die für die Verbreitung derartiger Informationen Beschränkungen vorsieht. Natürliche oder juristische Personen mit Wohn- oder Geschäftssitz in einer ausländischen Rechtsordnung sollten sich über derartige Einschränkungen informieren und sie entsprechend einhalten. Insbesondere richten sich die in dieser Darstellung enthaltenen Informationen nicht an Staatsbürger des Vereinigten Königreichs (ausgenommen Personen, die unter Ausnahmeregelungen nach der Financial Services and Markets Act 2000 (Financial Promotions) Order 2005 (die "Verordnung") fallen, wobei zu den relevanten Ausnahmeregelungen der Verordnung Artikel 49 der Verordnung (hochvermögende Unternehmen – High Net Worth Companies) zählt). Die Informationen in diesem Dokument sind weiterhin nicht für Gebietsansässige der Vereinigten Staaten oder andere Personen bestimmt, die als "US-Personen" im Sinne von Rule 902 in Regulation S des U.S. Securities Act von 1933 in der jeweils geltenden Fassung gelten, und dieses Dokument ist nicht als Angebot oder Verkauf einer Beteiligung an einem von Assenagon verwalteten Fonds an US-Personen zu verstehen. Keine US-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde oder sonstige Aufsichtsbehörde auf Bundes- oder bundesstaatlicher Ebene hat die Richtigkeit oder Angemessenheit dieser Präsentation oder sonstiger Informationen, die den Anlegern ausgehändigt oder zur Verfügung gestellt wurden, bestätigt. Jede gegenteilige Äußerung stellt einen Straftatbestand dar.
Diese Darstellung stellt weder ein öffentliches Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zum Erwerb von Wertpapieren, Fondsanteilen oder Finanzinstrumenten dar. Eine Investmententscheidung bezüglich irgendwelcher Wertpapiere, Fondsanteile oder Finanzinstrumente sollte auf Grundlage einschlägiger Verkaufsdokumente (wie z. B. Prospekt und Wesentlichen Anleger-informationen, welche in deutscher Sprache am Sitz der Assenagon Asset Management S.A. oder unter www.assenagon.com erhältlich sind) erfolgen und auf keinen Fall auf der Grundlage dieser Darstellung.
Die in dieser Darstellung aufgeführten Inhalte können für bestimmte Investoren ungeeignet oder nicht anwendbar sein. Sie dienen daher lediglich der eigenverantwortlichen Information und können eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Die Assenagon-Gruppe kann andere Publikationen veröffentlicht haben, die den in dieser Darstellung vorgestellten Informationen widersprechen oder zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Diese Publikationen spiegeln dann andere Annahmen, Meinungen und Analysemethoden wider. Dargestellte Wertentwicklungen der Vergangenheit können nicht als Maßstab oder Garantie für eine zukünftige Wertentwicklung herangezogen werden. Eine zukünftige Wertentwicklung wird weder ausdrücklich noch implizit garantiert oder zugesagt.
Der Inhalt dieses Dokuments ist geschützt und darf ohne die vorherige schriftliche Genehmigung der Assenagon-Gruppe weder kopiert, veröffentlicht, übernommen oder für andere Zwecke in welcher Form auch immer verwendet werden.
© 2014
Der Autor ignoriert den Fakt, dass die Schuldenquote nur deshalb zurückgeht, weil man BIP mit der Einbeziehung illegaler Aktivitäten schöngerechnet hat. Dies hat nichts mit dem Wirtschaftswachstum oder der Abwicklung der Bad Banks zu tun, es ist lediglich eine Änderung der Methodik, die optisch zu einer deutlichen Reduzierung der Staatsschuldenquote führt.
Falls Sie keine Grundlagen der Statistik beherschen, es heißt: Die Zahlen, die mit verschiedenen Methodiken errechnet wurden, sind nicht vergleichbar. Man müsste das BIP mit der alten Methode berechnen um zu beweisen, dass diese (vergleichbare) Zahl tatäschlich gewachsen ist. Bitte keine Birnen mit Äpfel dividieren und das Ergebnis als Wachstum "eines" Indikators präsentieren.