Kommentar
11:06 Uhr, 27.05.2008

Trendwende oder Bullenfalle?

Seit dem Ausbrechen der Subprime-Krise im vergangenen Sommer konnten die internationalen Aktienmärkte im April erstmals wieder deutliche Zuwächse erzielen. Insbesondere das Ausmaß der Kursgewinne vermag auf den ersten Blick zu überraschen, war doch der April 2008 in Kontinentaleuropa der beste Börsenmonat seit April 2003. Ist die im Sommer 2007 begonnene Kurskorrektur an den internationalen Aktienmärkten damit bereits beendet?

Einige Gründe sprechen aus unserer Sicht noch gegen eine endgültige Entwarnung. Zwar sind die internationalen Aktienmärkte weiterhin recht attraktiv bewertet, doch die weitere konjunkturelle Entwicklung in den USA und damit die zukünftige Entwicklung der Unternehmensgewinne ist noch mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet. Dazu zählt neben der vor Monaten ausgebrochenen Immobilienkrise auch der deutliche Anstieg des Ölpreises, der Produktionskosten verteuert und auch bei den privaten Haushalten Kaufkraft abschöpft. Dies gilt nicht zuletzt auch in Europa, wo die Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro sich auch in 2008 bislang fortsetzte, und damit die europäische Exportwirtschaft belastet.

Positiv ist anzumerken, dass das beherzte Einschreiten der US-Notenbank Fed, die u.a. den kurzfristigen Leitzins seit dem vergangenen Sommer in mehreren Schritten auf 2% senkte, für eine Beruhigung innerhalb des Finanzsektors sorgte. Darüber hinaus stellte insbesondere die Rettungsaktion für die US-Investmentbank Bear Stearns, die mit Hilfe der Fed von JP Morgan Chase übernommen wurde, ein wichtiges Ereignis für die Finanzmärkte dar. Im Vorfeld dieser Übernahme waren die Renditeabstände von Unternehmensanleihe („Spreads“) insbesondere aus dem Finanzsektor, auf neue Höchststände gestiegen. Nach der Rettung von Bear Stearns bildeten sich die Spreads wieder zurück und boten damit ein Ventil für die Aktienmärkte, die sich in den Wochen nach der Rettungsaktion deutlich positiv entwickelten. Dass die Ausweitung der Renditeabstände kein Phänomen war, welches sich auf Unter nehmens verbindlichkeiten beschränkte, lässt sich daran erkennen, dass zwischen zeitlich die EU-Peripherieländer Griechenland, Portugal und Italien Renditeaufschläge von bis zu 60 Basispunkten gegenüber Anleihen der Bundesrepublik Deutschland zahlen mussten. Selbst für EU-Kernländer wie Frankreich oder Österreich betrug der Spread zeitweise rund 30 Basispunkte gegenüber Bundesanleihen.

Wie kann nun das „Muster“ für eine nachhaltige Erholung aussehen? Bei vielen Investoren sind die Risikobudgets nach dem deutlichen Kursrutsch im 1. Quartal stark reduziert. Vor dem Hintergrund der in den letzten Monaten gestiegenen Volatilität ist ein Aufbau neuer risikobehafteter Positionen teilweise nur eingeschränkt möglich. Nachdem in der letzten Phase der Abwärtswelle auch die Titel der EU-Peripherieländer unter Druck geraten sind, erwarten wir hier auch die ersten nachhaltigen Erholungstendenzen und mittelfristig eine Rückkehr zu geringeren Rendite abständen. Erst nach diesem „Vertrauensbeweis“ werden sich die Anleger wieder stärker risikobehafteten Anlagen von Unternehmensanleihen beginnend bis hin zu Aktienanlagen zuwenden.

Offen bleibt die Frage, ob es im Zuge der Erholung an den Finanzmärkten auch zu realen Wertsteigerungen kommt. Führt die expansive Geldpolitik der US-Notenbank zu einem weiteren Anstieg der Inflationsrate, so wird es trotz eines Zusammenlaufens der Spreads möglicherweise reale und gegebenenfalls sogar absolute Vermögensverluste geben. Auch die sichersten Staatsanleihen hätten in einer solchen Phase Korrekturpotenzial und Renditeanstiege wären die Folge.

Daher dürfte sich die jüngste Erholung an den Aktienmärkten nicht ohne zwischenzeitliche Kursrückschläge fortsetzen.

Quelle: INVESCO

INVESCO zählt als Teil der AMVESCAP Gruppe zu den führenden Asset Managern weltweit. Zusammen mit den Schwesterunternehmen verwaltet INVESCO weltweit über 490 Milliarden Euro (Stand: 31.5.2007). Über 5.000 Mitarbeiter, darunter rund 500 Investmentspezialisten, sind in 19 Ländern im Einsatz.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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