Kommentar
18:24 Uhr, 08.10.2007

Transocean: Die Herren der Schatzinseln

Das Öl wird knapp. Jedenfalls dann, wenn der Energieträger aus leicht zugänglichen Quellen an Land oder in Küstennähe stammt. Weil die günstigen Ölreserven bald zur Neige gehen, sind die Energiekonzerne zunehmend gezwungen, die noch sehr großen Ölvorräte in der Tiefsee anzuzapfen. Dabei dabei bedienen sich sich der Mitarbeit spezialisierter Firmen, der sogenannten Öldienstleistern. Hier kommt Transocean Inc. ins Spiel (WKN: 886661 ISIN: KYG900781090). Transocean betreibt im Auftrage der Energiekonzerne Bohrinseln und wird dafür mit sogenannten Tagesraten entlohnt. Der Konzern ist der Weltmarktführer in diesem Geschäft (Kasten: Texanische Norweger). Sein Schwerpunkt liegt in der Tiefsee und anderen schwer zugänglichen Gegenden.
Der von Houston aus gesteuerte Konzern hat seinen offiziellen Firmensitz auf den Cayman Inseln. Transocean Inc wird an der Heimatbörse New York Stock Exchange (Marktkapitalisierung: 32 Milliarden Dollar) und auch in Deutschland gehandelt. Die Aktie ist Mitglied im S&P 500 Index, der die wichtigsten US-Gesellschaften erfasst.

Transocean ist gerade dabei, mit GlobalSantaFe Corp. zu fusionieren. GlobalSantaFe, die dann in dem neuen Konzern aufgeht, ist ein ebenfalls in Houston ansässiger Öldienstleister, der gegen Tagessätze Bohrinseln betreibt. Wenn die Fusion abgeschlossen ist, bekommen die Transocean-Aktionäre pro Anteilschein 33.03 Dollar in bar und 0.6996 Aktien der neuen Gesellschaft, die wieder Transocean heißen wird. Die GlobalSantaFe-Aktionäre bekommen 22.46 Dollar in bar und 0.4757 Anteile.

Durch die Fusion entsteht der weltweit größte Ölbohrer mit einer Marktkapitalisierung von rund 50 Milliarden Dollar. „Größe schafft einen bedeutenden Vorteil, weil das Geschäft sehr kapitalintensiv ist“, erklärt Analyst Michael Drickamer vom Brokerhaus Morgan Keegan. Eine einzelne Bohrinsel kann schon 650 Millionen Dollar kosten. Analyst Judson Bailey vom Broker Jefferies schätzt, dass durch die Fusion jährlich Kosten in der Höhe von 100 Millionen bis 150 Millionen Dollar eingespart werden.

In allen Gewässern
Die beiden Texaner betreiben (bald) zusammen etwa 150 Ölplattformen in den Gewässern der USA (Golf von Mexiko), Kanadas, Venezuelas, Brasiliens, in der Nordsee (Küste Großbritannien und Norwegen), des Mittleren Osten, Nigerias, im Kaspischen Meer, Indiens und Australiens. Die dabei eingesetzten Technologien werden durch zahlreiche Patente vor Nachahmern geschützt (Kasten: Geschützte Technologien). Neben den festen Plattformen besitzen die beiden Gesellschaften auch eine Flotte von Schiffen, die zum Aufspüren von Ölquellen in sehr tiefer See eingesetzt werden. Diese Schiffe werden von den Energiekonzernen geleast. Das Einkommen beider hängt also von der Nachfrage nach Bohrinseln und Ölexplorations-Schiffen und den dafür gezahlten Tagesraten und Leasingsätzen ab.

Ausgebuchte Flotte

Derzeit profitieren die Fusionspartner vom Ölboom und wachsen rasant. Im 2. Quartal dieses Jahres steigerte Transocean seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um 67 Prozent auf 1.43 Milliarden Dollar. Der Gewinn kletterte auf 549 Millionen Dollar (Vorjahr: 249 Millionen). Je Aktie verdiente der Ölbohrer 1.84 (Vorjahr: 75 Cents). Damit wurde die Konsenserwartung (1.72 Dollar) deutlich übertroffen. Das Wachstum führt das Management auf höhere Tagesraten und eine stärkere Auslastung der Bohrinseln zurück. Außerdem sei die Flotte der Explorations-Schiffe bis 2008 ausgebucht und auch im Jahr 2009 sei deren Kapazität nahezu erschöpft. Die Nachfrage nach Bohrinseln sei in Indien und im restlichen Asien noch nicht befriedigt, hieß es außerdem.

Der Fusionspartner GlobalSantaFe, der demnächst in der „neuen“ Transocean aufgeht, wuchs im selben Zeitraum 39 Prozent auf 1,07 Milliarden Dollar Umsatz. Der Gewinn verbesserte sich auf 369 Millionen, oder 1.60 Dollar je Aktie (Vorjahr: 248.5 Millionen Dollar/1.01 Dollar).

Für dass Gesamtjahr stellen die Analysten bei Transoecan einen Umsatz von 5,9 Milliarden Dollar in Aussicht und bei GlobalSantaFe 4,4 Milliarden Dollar. Der neue Riese sollte daher auf einem Umsatz von rund 10 Milliarden Dollar kommen. In 2008 sollte der Gesamtumsatz um gut 20 Prozent auf 12,3 Milliarden Dollar klettern.

Lange Aufschwungphase

Glaubt man den Analysten sollte das Wachstum lange anhalten. „Die Öldienstleister befinden sich erst in der Mitte der längsten und stärksten Aufschwungphase seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts“, behauptet etwa Analyst Mark Urness vom Brokerhaus Calyon Securities. „Wir glauben, dass sich das Wachstum bei den Ölbohrern bis über 2010 hinaus fortsetzt“, fügt der Branchenkenner hinzu. Auch Analyst James Crandel von Lehman Brothers traut den Öldienstleistern ein langfristiges Wachstum zu. „In den vergangenen 25 Jahren haben die großen Energiekonzerne systematisch zu wenig in die Ölexploration investiert“, erklärt der Analyst. Daher sei das Öl jetzt knapp geworden. Daraus leitet Crandel einen hohen Nachholbedarf ab, der durch das Wachstum der Weltwirtschaft und den damit verbundenen Energiehunger noch gesteigert würde. Davon profitierten die Ölbohrer bis weit in das nächste Jahrzehnt hinein, glaubt Crandel. Das gelte vor allem für die Spezialisten bei der Ausbeutung der Tiefseevorkommen.

Der Boom der Bohrinseln

Andere Analysten warnen allerdings, dass derzeit viele Bohrinseln errichtet werden. Analyst Judson Bailey vom Broker Jefferies & Co. befürchtet etwa, dass der derzeitige Bauboom bei den Ölplattformen zu einem Überangebot an Bohrinseln führt. Dadurch geraten die Tagesraten, die Dienstleister wie Transocean dafür erlösen, unter Druck, warnt Bailey. Auch Analyst Daniel Boyd von Goldman Sachs rechnet damit, dass das wachsende Angebot an Bohrinseln die Tagesraten schmälert. Allerdings sei der Tiefwasser-Bereich - in dem Transocean seeinen Schwerpunkt hat - noch unterversorgt. Dort sollten die Nachfrage nach Bohrinseln das wachsende Angebot ausgleichen können. Bereits im September hatte der Fusionspartner GlobalSantaFe gemeldet, dass bei einer seiner Bohrinseln eine niedrigere neue Tagesrate von 185.000 Dollar ausgehandelt wurde (vorher: 210.000 Dollar).

Aktie: Ausgesprochen Zyklisch
Die Aktie ist allerdings sehr volatil. Die langfristige Kursentwicklung von Tranocean erinnert an Internet-Titel in den späten 90er Jahren. Im Zeitraum 1998 bis 2003 gab es zwei Kurseinbrüche, die die Börsennotiz jeweils von rund 60 Dollar auf etwa 20 Dollar eindampfte. In der nachfolgenden bis heute anhaltenden Aufschwungphase hat sich der Börsenwert zwar ungefähr versechsfacht. Die Turbulenzen davor, sind aber eine Warnung. Sobald die Hoffnungen enttäuscht werden, bricht das Papier massiv ein. Wegen dem zyklischen Verhalten in der Vergangenheit ist das KGV von Transocean allerdings niedrig. Die Aktie kostet nur - trotz des Höhenflugs - etwa das zehnfache des für 2008 erwarteten Gewinns. Das KGV des S&P 500 liegt dagegen etwa bei 16.

Der Aktienkurs wird selbstverständlich stark vom Ölpreis beeinflusst. Steigende Ölpreise bedeuten also tendenziell steigende Kurse, fallende wiederum sinkende. Dahinter steht die Vorstellung, dass die Energiekonzerne bei steigenden Ölpreisen die Ölförderung ausweiten und daher mehr Dienste der Ölbohrer in Anspruch nehmen. Transocean zählt daher zu den Gewinnern des Aufwärtstrends beim Öl. Sollten allerdings die Pessimisten recht behalten, die eine Rezession in den USA an die Wand malen, könnte auch der Ölpreis - und damit die Tagesraten für die Bohrinseln - unter Druck geraten.

Durchwachsene Analystenstimmen

Die Meinung der Analysten ist geteilt. Nach der jüngsten Rallye hat Mark Urness vom Brokerhaus Calyon Securities seine Empfehlung auf „Aufstocken“ abgeschwächt (vorher: „Kaufen“). Begründung: Die Aktie sei seinem Kursziel von 121 Dollar nahe gekommen. Daher habe sich der Kursspielraum verringert. Die Kursziele der Broker kommen im Durchschnitt bei 123 Dollar. Das höchste Kursziel liegt derzeit auf 156 Dollar. Das niedrigste auf 89 Dollar. Aktuell wird der Ölbohrer von den Brokern Jefferies & Co., Capital One Bank und Stifel Nicolaus zum Kauf empfohlen. Calyon Securities empfiehlt die gesamte Branche - einschliesslich Transocean zum Kauf und verweist dabei auf den Boom in China und Indien. Die Bank Wachovia hat das Anlageurteil „Outperform“ und bezeichnet Transocean als eines ihrer Top-Picks.

Analyst David Smith von JP Morgan hat dagegen das Duo Tranocean und GlobalSantaFe erst im September auf „Neutral“ hochgestuft (vorher: „Untergewichten“). Smith verweist dabei auf steigenden Leasingraten bei den Schiffen, die Tranocean zum Ölaufspüren verleiht. Dadurch würden die fallenden Tagesraten für die Borinseln wieder ausgeglichen. Deutsche Securities rät „Halten“.

Wichtige Termine:

31. Oktober 2007 Ergebnisse vom 3. Quartal

Zusammenfassung:

Weil das Öl knapp wird, zapfen die Energiekonzerne zunehmend die Reserven der Tiefsee an. Dafür brauchen die Ölriesen die Mitarbeit der Öldienstleister. Dort ist Transocean Inc der Marktführer. Der Konzern fusioniert derzeit mit GlobalSantaFe. Der neue Riese betreibt dann rund 150 Bohrinseln weltweit, dazu eine Flotte von Schiffen für die Exploration von Öl. Dafür erhält der Dienstleister Tagesraten und Leasingsätze. Deren Entwicklung bestimmen den Verlauf von Umsatz und Gewinn. Derzeit profitiert Transocean vom Ölboom und wächst rasant. Die Aktie ist allerdings sehr zyklisch, dafür aber mit einem KGV von rund 10 niedrig bewertet.

Zusatzinfo: Texanische Norweger
Transocean entstand 1992. Damals spaltete der US-Energiekonzern Sonat, Inc. (heute Teil der El Paso Corporation) seine Ölbohrtochter ab, die unter dem Namen Sonat Offshore Drilling (SODI) an die Börse ging. 1996 kauft SODI die norwegische Transocean ASA. Das fusionierte Unternehmen nannte sich dann Transocean Offshore. 1999 fusioniert Transocean mit Sedco Forex, einer ehemaligen Tochter des Öldienstleisters Schlumberger. Sedco (Southeastern Drilling Company) entstand 1947. Forex war bereits 1942 in Frankreich gegründet worden.

Heute betreibt Transocean 82 mobile Offshore Bohrplattformen und eine Flotte von 52 Explorations-Schiffen. Außerdem 29 Tiefsee-Bohrtürme. Die Gesellschaft, die offiziell auf den Cayman Inseln firmiert, beschäftigt rund 12.500 Mitarbeiter.

Zusatzinfo: Geschützte Technologien

Je tiefer der Boden unter der Meeresoberfläche liegt, desto größer ist die Herausforderung für die Ölbohrer. Die Technologien, die Transocean einsetzt, um die tief im Meer verborgenen Ölschätze zu erschließen, sind daher sehr wertvoll. Kein Wunder also, dass der Dienstleister seinen technologischen Vorsprung durch eine Vielzahl von Patenten schützt. Erst im Juli haben die Amerikaner eine dänische Gesellschaft wegen angeblicher Patentverletzung verklagt. Im vergangenen Jahr hatte Transocean auch seinen heutigen Partner GlobalSantFe erfolgreich verklagt. Damals sprach der Gericht eine Entschädigung in Höhe von 3,6 Millionen Dollar zu. Außerdem lizenziert Transocean seine Technologien an andere Ölbohrer. So schloss der Dienstleister kürzlich einen Deal mit dem Ölbohrer Pride International im Volumen von 25 Millionen Dollar.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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