Kommentar
10:42 Uhr, 01.04.2016

Tradingtagebuch - Wenn Sie wirklich vorwärts kommen wollen!

Rein objektiv betrachtet ist Trading ein simples Geschäft. Um an der Börse Geld zu verdienen, müssen Trader lediglich eine erfolgreiche Strategie diszipliniert umsetzen. Was sich in der Theorie jedoch einfach anhört, wird praktisch zu einer der größten Herausforderungen.

Rein objektiv betrachtet ist Trading ein simples Geschäft. Um an der Börse Geld zu verdienen, müssen Trader lediglich eine erfolgreiche Strategie diszipliniert umsetzen. Was sich in der Theorie jedoch einfach anhört, wird praktisch zu einer der größten Herausforderungen, denen man sich stellen kann. Dies belegen inoffizielle Schätzungen, denen zufolge lediglich fünf bis zehn Prozent der Trader langfristig erfolgreich sind. Da stellt sich die Frage, warum dies so ist und vor allem, wie man selbst zu den Gewinnern am Markt zählen kann?

Das Kernproblem liegt nicht unbedingt darin, eine erfolgreiche Taktik zu entwickeln, sondern eine, der Sie selbst auch diszipliniert folgen können.

Jeder Trader ist anders, hat andere Stärken und Schwächen und aus diesem Grund muss jeder Trader auch seine ganz individuelle Tradingstrategie entwickeln, bei der er seine Stärken und Schwächen optimal einsetzen kann. Seine ganz persönliche Tradingstrategie zu entwickeln, ist jedoch ein zeitlich anhaltender Prozess, in dem der Trader Lernschleifen aus Traden, Feedback, Optimierung und neuerlicher praktischer Umsetzung durchläuft (Abb.1). Wie in vielen anderen Performancebereichen unseres Lebens auch, ist hierbei nicht unbedingt die Quantität, sondern die Qualität des Lernprozesses entscheidend. Ein wichtiges Hilfsmittel auf dem Weg zum erfolgreichen Trader, ist dabei das Tradingtagebuch.

Mit Hilfe des Tradingtagebuchs versuchen wir unser Handeln gezielt voranzutreiben. Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, wie ein Tradingtagebuch auszusehen hat und was alles in ein solches gehört. Die Antwort ist wie so oft, eindeutig mehrdeutig. Natürlich scheint es auf den ersten Blick sinnvoll, so viele Informationen wie möglich im Tradingtagebuch aufzunehmen, denn so kann später eine umfassende Analyse und darauf aufbauende Optimierung betrieben werden. Mit zunehmender Quantität steigt jedoch auch der Arbeitsaufwand und die Übersichtlichkeit leidet, so dass das Führen eines Tradingtagebuch schnell zur Qual wird. Die Gefahr ist an diesem Punkt entsprechend groß, ganz auf diese unliebsame Arbeit zu verzichten. Ohne Tradingtagebuch beraubt sich der Trader jedoch eines wichtigen Instruments, um sein Trading reflektieren zu können und auf Basis dessen Optimierungen vorzunehmen.

Reine Quantität bringt uns an dieser Stelle also nicht weiter. Stattdessen ist es sinnvoll, das eigene Trading zu zerlegen. Soll uns das Tradingtagebuch helfen, unser Trading gezielt zu verbessern, so ist klar, dass die Inhalte eines Tagebuchs in starkem Maße vom eigenen Entwicklungsstand als Trader und seinen nächsten Teilzielen abhängen werden. Ein Tradinganfänger wird sein Hauptaugenmerk wahrscheinlich eher auf die Entwicklung einer profitablen Strategie legen und so in seinem Tradingtagebuch sehr marktspezifische Aspekte anführen, anhand der er später in der Lage ist, seine Ein- und Ausstiege zu optimieren. Ein fortgeschrittener Trader hingegen wird zunehmend auch psychologische Aspekte innerhalb des Tradingtagebuchs aufgreifen.

Diese Individualität der Inhalte setzt sich auch bei der Art und Weise fort, wie das Tradingtagebuch geführt wird. Viele Trader sind der Meinung, dass allein das Schreiben eines Tradingtagebuchs zum Erfolg führt. Dies ist natürlich mitnichten der Fall. Ein Tradingtagebuch zu schreiben ist wichtig, viel wichtiger ist jedoch, dieses auch auszuwerten und aus jedem Trade seine Lehren zu ziehen. Deshalb sollte das Schreiben des Tagebuchs Spaß machen und Informationen so effektiv wie möglich aufnehmen und für eine spätere Auswertung bereitstellen.

Excel bietet hierbei eine gute Basis, die mit grafischen Elementen wie Charts oder Videomitschnitten garniert werden kann. Achten Sie dabei auf eine möglichst kurze und prägnante Informationsverarbeitung. Lange Romane zu jedem Tradingtag zu schreiben, kostet nicht nur unendlich viel Zeit, sondern erschwert später auch die Auswertung. Einfacher wird es mit Abkürzungen und Symbolen, nach denen später bei der Auswertung in Excel sehr einfach gefiltert werden kann.

Lassen Sie uns nach diesen allgemeinen Ausführungen einen konkreten Blick auf interessante Inhalte des Tradingtagebuchs werfen.

Wie eingangs schon beschrieben, lassen sich diese grob in zwei Kategorien unterteilen. Bei den strategiebezogenen Inhalten ist es sinnvoll alle durchgeführten Trades mit den entsprechenden Ein-/Ausstiegssignalen und –preisen, sowie den Anfangsstopps mitzuschreiben. So könnten Sie später beispielsweise Ihre Tradinghistorie gezielt nach Setup A oder Setup B filtern und schauen, welche der beiden Setups profitabler war. Darüber hinaus können Größen wie die Maximum Adverse Excursion (MAE) und Maximum Forward Excursion (MFE) bei der Optimierung von Stopptaktiken und Kurszielen sinnvoll sein. Die MAE gibt an, wie tief die Position nach Ihrem Einstieg maximal im Verlust stand, während die MFE den maximalen zwischenzeitlichen Gewinnbetrag ausgibt, der bis zu Ihrem Ausstieg möglich war.

Stellen Sie beispielsweise aufgrund Ihrer Tradingaufzeichnungen fest, dass nahezu alle Ihre Gewinner zwischenzeitlich nie mehr als 100 Euro im Minus standen, während Verlusttrades diese Grenze meist überschritten, wäre es eine Überlegung wert, in diesem Bereich seinen Anfangsstopploss zu platzieren. Analog ließe sich mit dem MFE eine Kurszieloptimierung vornehmen. Stellen Sie bei der Auswertung dieser fest, dass viele Ihrer Trades zwischenzeitlich 300 Euro im Gewinn lagen, Sie aber aufgrund Ihres Trailingstopps meist lediglich 200 Euro Gewinn realisierten, könnte Sie auf ein 300-Euro-Gewinnziel umstellen.

Sofern Sie all Ihre Trades in Ihrem Excel-Tradingtagebuch aufgenommen haben, ist es relativ leicht, aus diesen Daten heraus wichtige Kennzahlen der eigenen Strategie wie Trefferquote, Profit und Profitfaktor zu errechnen. Dies hilft Ihnen, die grundlegenden Rahmenbedingungen Ihres Tradings im Auge zu behalten. Dabei unterstützen viele Broker mittlerweile die Trader aktiv, in dem es möglich ist, die Tradingdaten aus der Plattform heraus zu exportieren und in Excel oder anderen Tools zu übernehmen.

Im Rahmen der strategiebezogenen Aspekte geht es jedoch nicht nur um die Auswertung der bisherigen Trades, sondern auch darum, interessante Auffälligkeiten im Markt festzuhalten, mit denen die Taktik verbessert werden könnte. Wichtig gerade bei diesem Punkt ist, nicht in Aktionismus zu verfallen. Nur weil Ihnen heute während des Handelstages (der Handelswoche…) aufgefallen ist, dass Ihre Signale besser funktioniert hätten, wenn Sie neben den bisherigen Regeln auch noch auf das Volumen geschaut hätten, sollten Sie diese Idee nicht gleich morgen direkt Live umsetzen. Ein schöner Tag macht bekanntlich noch keinen Sommer, aber taucht dieser Hinweis in Ihrem Tradingtagebuch öfter auf, könnte es sich lohnen, diesen Punkt näher zu untersuchen (Backtest). Neben dem Notieren von Auffälligkeiten im weitesten Sinne, können Sie in Ihr Tradingtagebuch natürlich auch mit aufnehmen, was heute (die Woche, den Monat…) gut geklappt hat und was nicht.

Den zweiten großen Teilbereich innerhalb des Tradingtagebuchs bilden psychologische Aspekte.

Wie haben Sie sich bei einzelnen Trades gefühlt? Waren Sie ängstlich, gierig oder gelassen? Waren Sie allgemein innerhalb Ihrer Komfortzone? Haben Sie Ihre Trades wie geplant abgespult und wenn nicht, was war die Ursache? Die Auswertung dieser Aspekte wird Ihnen helfen, Ihr Trading weiter in Richtung Erfolg zu bewegen. So kann ein gut geführtes Tradingtagebuch schnell aufzeigen, dass Sie beispielsweise nach zwei oder drei Verlusten in Folge ängstlich wurden und dann eine Overtrading-Spirale einsetzte, mit denen Sie Ihre Verluste weiter ausgebaut anstatt wie geplant, verkleinert haben. Sind die Probleme bekannt, kann sich der Trader daran machen, nach Lösungen zu suchen. Achten Sie aber auch in diesem Zusammenhang auf eine möglichst prägnante und leicht auswertbare Art und Weise der gesammelten Information. Arbeiten Sie beispielsweise mit einfachen Abkürzungen wie A für Angst, G für Gier oder H für Hoffnung. Die beliebten Smileys stellen ebenfalls nicht nur kurz und prägnant Information bereit, sondern bringen auch optisch eine kleine Auflockerung in Ihr Tagebuch.

Die folgenden Beispiele sollen Ihnen abschließend einen kleinen Eindruck für die Gestaltung des Tradingtagebuchs geben. Abbildung 2 zeigt den typischen Aufbau einer Excel Tabelle mit den Rohdaten und den anschließenden Auswertungen im Bereich der Arbeitsblätter „Performance“, „Kennzahlen“, „MAE“ und „MFE“.

Gestaltung eines Tradingtagebuchs in Excel

Tradingplattformen wie NinjaTrader (Abb.3) hingegen arbeiten die Trades automatisch auf und stellen so ein vor allem strategiebezogenes Tradingtagebuch zur Verfügung.

Dieses kann natürlich durch separate Charts und ähnliches weiter ausgebaut werden (Abb.4).

Lassen Sie sich von dieser Vielfalt jedoch nicht verwirren, sondern behalten Sie das Wesentliche im Auge. Das Tradingtagebuch soll Ihnen helfen, Ihr Trading gezielt voranzutreiben und Informationen so effektiv wie möglich aufnehmen und eine effiziente Auswertung ermöglichen. Richtig ist, was Ihnen hilft, Ihr nächstes (Teil-)Ziel zu erreichen.

Fazit: Nichts dürfte deprimierender sein, als nach Wochen, Monaten oder gar Jahren des Tradings festzustellen, dass es nicht so gelaufen ist, wie Sie es sich gewünscht haben, Sie aber noch nicht einmal wissen, warum es so gelaufen ist und wo Sie ansetzen können, um sich zu verbessern. Hierbei spielt das Tradingtagebuch eine entscheidende Rolle. Dieses hilft dem Trader, gezielt an der Verbesserung seines Handels zu arbeiten und das sowohl auf der technischen als auch emotionalen Ebene.

Möglichkeiten, sein eigenes Tradingtagebuch zu gestalten, gibt es viele und wie so oft im Trading, gibt es, abgesehen von allgemeinen Hinweisen auch beim Führen des Tagebuchs keinen Königsweg. Vielmehr ist der eigene Entwicklungsstand als Trader genauso maßgeblich, wie die eigenen Vorlieben, als auch die Möglichkeiten, die uns von externer Seite wie dem Broker geboten werden. Behält der Trader sein nächstes Ziel aber fest im Auge, sind die notwendigen Inhalte für ein funktionierendes Tradingtagebuch schnell gefunden. Diese traderspezifischen Inhalte sollten effizient aufgezeichnet werden, um so die spätere Auswertung zu erleichtern. Excel bietet hierfür eine gute Ausgangsbasis und die Stunden, die es braucht, um sich in Excel einzuarbeiten, dürften sich am langen Ende auszahlen. Ausführliche Webinare und konkrete Vorlagen für ein Tradingtagebuch finden Sie beispielsweise im von mir betreuten Ausbildungspaket bei GomodeTrader.de.

Viel Erfolg wünscht Ihnen, Ihr

Rene Berteit

Analyst & Tradingcoach

Tipp !

Ein Tradingtagebuch zu führen und vor allen Dingen auch auszuwerten, ist Gold wert. Schließlich kann sich nur der verbessern, der sich auch kontrolliert. Leider ist ein Tradingtagebuch auch immer eine individuelle Angelegenheit, schließlich hat jeder Trader seine ganz „eigenen Baustellen“, Präferenzen und Ansichten. Ein Einheitstagebuch für Jedermann gibt es nicht. Nutzen Sie dieses Wissen als Basis und haben Sie keine Scheu, Ihre Wünsche und Ziele einzuarbeiten, so dass sich für Sie ein höchst effektives Werkzeug im Trading ergibt.

Viel Erfolg

Rene Berteit

1 Kommentar

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  • inle
    inle

    …die Links funktionieren leider nicht! Gibt es einen aktualisierten Link dazu? Danke und Gruß

    11:05 Uhr, 25.10.2019