Thailand: Mit Recht und Ordnung kehrt auch Wachstum zurück
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Im Vergleich zu Indonesien ist der Investment Case für Thailand wohl nicht ganz so überzeugend, aber zumindest für die nächsten Quartale doch überschaubarer. Die Wachstumsdynamik der thailändischen Wirtschaft ist bereits wieder positiv. Das Risiko von Kapitalabflüssen und einer Währungskorrektur ist niedriger als in Indonesien. Doch wie in Indonesien lassen Regierungswechsel und Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen auf eine weitere Belebung der Konjunktur hoffen.
Seit der globalen Finanzkrise von 2008 ist die Wirtschaftsleistung Thailands im Durchschnitt nur um 2,5 Prozent gewachsen. Das lag nicht nur an der rückläufigen Dynamik des Welthandels, sondern vor allem an politischer Polarisierung und sozialen Unruhen. Infolge der politischen Eskalation fiel die Zuversicht der Wirtschaft auf historische Tiefststände. Davon sind insbesondere die Anlageinvestitionen betroffen, die seit dem Sommer 2013 negativ sind. Einzig der enorm gestiegenen Verschuldung der Privathaushalte ist es zu verdanken, dass das BIP-Wachstum in den vergangenen Jahren insgesamt im positiven Bereich verharrte.
Mit dem Militärputsch im Mai endeten auch die Proteste in den Straßen von Bangkok, die das normale Wirtschaftsleben über ein Jahr lang gelähmt hatten. Die Junta setzte die Verfassung außer Kraft, rief das Kriegsrecht aus, verbot politische Versammlungen und brachte die Medien unter ihre Kontrolle. Durch seine kompromisslose Haltung schuf das Militär ein Umfeld, in dem sich das Geschäftsklima rasch erholen konnte. Mit neuen Wahlen ist frühestens in Q4 2015 zu rechnen, doch die neue Führung wird wahrscheinlich alles daransetzen, neue Unruhen und Proteste zu vermeiden. Im Ergebnis hat Thailands Wirtschaftselite damit ausreichend Zuversicht, um erneut zu investieren.
Sowohl Regierungs- als auch Wirtschaftsvertreter, mit denen wir bei unserem Aufenthalt zusammentrafen, gehen davon aus, dass sich das Wachstum in Thailand wieder auf dem Niveau von vor 2008, also bei 4,5 bis 5,0 Prozent, normalisieren wird. Wir sind indes weniger optimistisch. Für das erste Halbjahr ist eine Zuwachsrate von vier Prozent durchaus vorstellbar. Da zahlreiche Investitionen, insbesondere im Infrastrukturbereich, aufgeschoben wurden, gibt es hier in den kommenden Quartalen Spielraum für einen deutlichen Wachstumsschub. In jedem Fall ist dies ein klarer Zuwachs gegenüber dem Null-Wachstum in der ersten Jahreshälfte und unserer Ansicht nach der Hauptgrund für die momentane Attraktivität des thailändischen Aktienmarktes. Doch eine Zuwachsrate von vier Prozent wird sich über das erste Halbjahr 2015 hinaus wohl kaum aufrechterhalten lassen.
Das eigentliche Problem ist, dass Thailands Wachstumspotenzial in den letzten Jahren auf etwa drei Prozent gesunken ist. Das hat unserer Einschätzung nach drei Gründe: die hohe Abhängigkeit von Exporten, der dramatische Anstieg der Verschuldung der Privathaushalte und die sich ausweitende Kluft zwischen der wohlhabenden Stadt- und der armen Landbevölkerung. Auf die Exporte entfallen 80 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung, doch die Aussichten für das weltweite Wachstum und insbesondere das Wachstum an den Emerging Markets sind nicht mehr so rosig wie vor 2008. Insofern könnten sich die Zuwächse bei den thailändischen Exporten in den nächsten Jahren im niedrigen einstelligen Bereich einpendeln. Der Exportsektor ist für Beschäftigung, Investitionen und Konsum von entscheidender Bedeutung; es ist daher unwahrscheinlich, dass Thailand an die Wachstumstrends von vor 2008 anknüpfen kann.
Ferner ist Thailand nach China und Malaysia die aufstrebende Volkswirtschaft, bei der die Verschuldung seit 2008 am stärksten gestiegen ist. In den vergangenen sechs Jahren ist die Inlandsverschuldung im Verhältnis zum BIP um insgesamt 40 Prozentpunkte auf fast 170 Prozent gestiegen (siehe Grafik unten). Dieser Anstieg entfällt größtenteils auf die Privathaushalte, bei denen insbesondere risikoreiche Privatkundenkredite und Autofinanzierungskredite zugelegt haben.
Inzwischen hat die Zentralbank den Sektor jedoch stärker reguliert und die Schuldendynamik scheint sich stabilisiert zu haben. Doch hohe Ausfallraten mahnen weiter zur Vorsicht; die Zentralbanken dürften daher bei ihrer anti-inflationären Gangart bleiben. Bei unserem Treffen mit Vertretern der Bank of Thailand wurde klar, dass die Währungshüter die Geldpolitik ohne zu zögern weiter straffen würden, sollte die Haushaltsverschuldung im Verhältnis zum BIP erneut steigen. Dank rigoroser Lenkung durch die Zentralbank kann eine Systemkrise wahrscheinlich vermieden werden. Doch die hohe Verschuldung der Privathaushalte bedeutet auch, dass die Verbraucher in den nächsten Jahren nicht viel zum Konsum beitragen werden.
Und schließlich sorgt die auseinanderklaffende Einkommens- und Vermögensverteilung zwischen Stadt- und Landbevölkerung für eine anhaltende Polarisierung im politischen System. Seit dem Putsch hat die Wirtschaftselite in Bangkok wieder die Oberhand. Solange es dabei bleibt, dürfte sich das Geschäftsklima erholen und die Investitionstätigkeit beflügeln. Damit sind die Gründe für die politischen Unruhen der vergangenen Jahre indes nicht ausgeräumt. Insofern bleiben Unternehmervertrauen und Investitionsklima im Land anfällig.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Militärregierung das Einkommensgefälle zwischen städtischen und ländlichen Gebieten stark thematisiert. Politische Kommentatoren in Bangkok erwarten Initiativen zur Umverteilung des Wohlstands im Land. Unserer Einschätzung nach wird sich die Regierung eher auf integratives Wachstum konzentrieren und damit einen Grad an Realismus und Pragmatismus an den Tag legen, der früheren Regierungen in Thailand fehlte.
Es wäre verfrüht, einen Durchbruch bei der Lösung des fundamentalen Problems politischer Polarisierung in Thailand zu erhoffen. Doch Steuer- und Bildungsreformen, die auf eine Umverteilung des Reichtums und die Schaffung von Chancengleichheit für die Landbevölkerung abzielen, können einen Unterschied machen. So war aus dem Umkreis der Regierung zu hören, dass eine neue Vermögenssteuer in Vorbereitung ist. Doch da die Militärführung selbst Teil der Hauptstadtelite ist, die letztendlich aus der eigenen Tasche für ein Schließen der Wohlstandsschere bezahlen müsste, ist eine gewisse Skepsis im Hinblick auf weitreichende Steuerreformen angebracht.
Dennoch besteht Spielraum für Wandel in die richtige Richtung. Zwar bleiben die politischen Risiken ausgeprägt, doch ist zu hoffen, dass gegen Ende nächsten Jahres Wahlen stattfinden können, die zur politischen Befriedung des Landes beitragen. Doch vorerst sind es das positivere Geschäftsklima und die Erholung der Investitionstätigkeit, die den thailändischen Markt so attraktiv machen.
Fazit
Seitdem die Militärregierung die öffentliche Ordnung wieder hergestellt hat, erholt sich auch das Wachstum. Insofern dürfte Thailand in den nächsten Quartalen einer der wenigen Emerging Markets mit einer positiven Wachstumsdynamik sein. Längerfristig sind die Wachstumsaussichten des Landes indes nicht so gut. Grund sind die hohe Verschuldung der Privathaushalte, der große Exportsektor und das polarisierte politische System.
Eine kluge Steuerung des Verschuldungsproblems sowie politischer Wandel, um die Einkommens- und Wohlstandslücke zwischen Stadt und Land zu schließen, würden die langfristigen Wachstumsperspektiven sicherlich verbessern. Thailand hat Spielraum für positiven Wandel, aber für Euphorie ist es noch zu früh.
Autor: Maarten-Jan Bakkum, Aktienstratege für die Emerging Markets bei ING IM
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.