Kommentar
09:00 Uhr, 14.05.2022

Terra – die De-Zentralbank der Welt ist wohl Geschichte!

Anleger an den Krypto-Märkten sind einiges gewöhnt. Die Geschehnisse in den letzten Tagen, die wohl im Ende von Terra gipfeln, sind aber selbst für die hartgesottensten Kryptorianer etwas Neues. Was ist passiert und wer könnte dahinter stecken?

Am chronisch volatilen Krypto-Markt gab es zuletzt einen großen Skandal. Grundsätzlich sind Skandale bei den Kryptos nichts neues. Dies liegt jedoch oftmals an der blinden Gier vieler Anleger. So gab es vor einigen Monaten einen Squid Game-Coin. Viele Fans der Netflix-Serie sahen darin ein gutes Investment und investierten, ohne nachzudenken. Am Ende stellte es sich jedoch als Rug Pull heraus, die Initiatoren machten sich mit den eingesammelten Millionen der Anleger aus dem Staub.

Ein Rug Pull ist dabei nur eine Art, wie bei Kryptos gerne betrogen wird. Konkret geht es bei einem solchen darum, dass man ein Blockchain-Projekt startet, dass prinzipiell von unbedarften Anlegern als aussichtsreich eingestuft wird. Dann wartet man bis diese unbedarften Anleger (viel) Geld investieren und macht sich mit dem Geld dieser Anleger aus dem Staub. Dabei handelt es sich in der Regel jedoch nicht um Euro oder US-Dollar, sondern um Krypto-Geld wie Bitcoin oder Ethereum.

Insofern gäbe es durchaus Ermittlungsansätze für entsprechende Behörden. Nur ist die Krypto-Welt, wie das Internet (in Form des World Wide Web) selbst, international, wohingegen die meisten Ermittlungsbehörden nach wie vor national agieren. Das ist der große Vorteil der Betrüger. Nicht umsonst wird nach der OneCoin-Initiatorin Ruja Ignatova inzwischen sogar öffentlich gefahndet, wie man am vergangenen Mittwoch bei „Aktenzeichen XY... ungelöst“ sehen konnte.

Grundsätzlich sind solche Betrügereien jedoch kein Problem der Kryptos selbst. Auch wenn viele das stets in einen Topf werfen. Sollten auch Sie zu diesen Menschen gehören, müssen Sie mir folgende Frage beantworten: Würden Sie wegen Betrugsfällen wie Enron, Worldcom oder zuletzt Wirecard den Aktienmarkt abschaffen, weil dort ja nur betrogen wird? Nein? Dann gibt es auch keinen Grund die Kryptos abzuschaffen. Sie müssen ja, wenn Sie Zweifel haben, dort nicht investieren!

Doch damit genug der Vorrede, kommen wir zum aktuellen Fall Terra. Terra war, man muss inzwischen wohl in der Vergangenheitsform schreiben, eines der interessantesten und ambitioniertesten Krypto-Projekte überhaupt. Obwohl es daher schon immer den ein oder anderen Kritiker gab, zeigte sich die Masse der Experten und auch Anleger begeistert. Das hatte auch seine Gründe. Schließlich wollten die Macher hinter dem Projekt am Ende nichts weniger erschaffen als eine De-Zentralbank der Welt.

Die grundsätzliche Idee und wie sie funktionieren sollte...

Konkret bedeutete dies, dass man ein Krypto-Projekt gestartet hat, auf dessen Basis man Stable Coins ausgeben wollte. Stable Coins sind dabei Coins, die 1:1 an eine gewisse Fiatwährung gebunden sind. Bei Terra gab es deren schon drei, nämlich einen Stable Coin mit Bindung an den US-Dollar (mit Namen TerraUSD, kurz: UST), einen Stable Coin mit Bindung an den Euro (EU) sowie einen Stable Coin mit Bindung an den Südkoreanischen Won (KRT). Weitere hätten aber folgen können und auch sollen.

Grundsätzlich ist die Idee von Stable Coin nichts Neues. So gibt es bereits einige dieser Stable Coins in der Krypto-Welt, der größte (und auch schon oft kritisierte) ist Tether (USDT). Die Frage ist jedoch, wie ein Projekt die Stabilität eines Stable Coin garantieren kann. Bei Tether hat man es sich da recht einfach gemacht. So behauptet man (zumindest), dass für jeden Tether Token (USDT) ein US-Dollar auf einem Treuhandkonto hinterlegt sei. Dadurch sei auch gewährleistet, dass man seine Tether Tokens (USDT) jederzeit in US-Dollar wechseln könne.

Gegen Tether gab und gibt es jedoch immer wieder Betrugsvorwürfe, die aufgrund der Vergangenheit einiger der Mitgründer auch durchaus auf fruchtbaren Boden fallen. Zudem musste Tether tatsächlich auch schon kleinere Fehler einräumen. So wurde inzwischen beispielsweise bekannt, dass nicht alle Tether durch US-Dollar gedeckt sind. Vielmehr hält man auch kurzfristig laufende US-Staatsanleihen und wohl sogar kleinere Mengen Gold als Sicherheit. Man müsse hier diversifizieren.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft New York konnten aber einen Betrugsverdacht nicht erhärten. Daher kam es am Ende zu einem Vergleich. Darin räumte Tether kleinere Unregelmäßigkeiten an, versprach Verbesserungen (was von der Staatsanwaltschaft überprüft und bis dato eingehalten wird) und zahlte am Ende eine Geldstrafe in Höhe von etwa 10 Millionen US-Dollar. Dennoch galt und gilt vielen Tether als die größte Gefahr für den gesamten Krypto-Markt.

Aber zurück zu Terra. Dort hatte man bereits drei verschiedene Stable Coins herausgebracht und weitere sollten folgen. Um den Wert stabil bei 1:1 zu halten, setzte man jedoch nicht auf physisch vorhandene Sicherheiten, sondern auf einen Algorithmus. Konkret sollte das System so funktionieren, dass man Nutzern Anreize dafür bot, dass sie den Kurs stabil halten. Hierfür brauchte man neben dem Stable Coin, in erster Linie dem UST, einen zweiten Coin, den man auf den Namen LUNA taufte.

Grundsätzlich konnten und können Nutzer LUNA verbrennen und so neue UST erzeigen oder aber UST verbrennen und so neue LUNA erzeugen. Immer, wenn der Kurs des UST über einen US-Dollar stieg, verbrannten daher viele Anleger LUNA und erzeugten neue UST. Dadurch stieg deren Menge (Angebotsausweitung) und der Kurs kam wieder in Richtung 1,00 US-Dollar zurück. Umgekehrt konnten die Nutzer, wenn der Kurs unter 1,00 US-Dollar fiel, die Nutzer aber auch UST verbrennen und LUNA erzeugen.

Koordinierter Angriff auf Terra!

Prinzipiell ein gutes System, solange alles rund läuft. Das tat es über mehrere Jahre, weshalb der LUNA Coin auch stieg und stieg. Lag er 2020 im Tief noch um 0,20 US-Dollar, stieg er Anfang April 2022 auf ein Allzeithoch knapp unterhalb von 120,00 US-Dollar. Auch in der Korrektur der Kryptowährungen, die schon seit November 2021 läuft, konnte er sich behaupten beziehungsweise weiter steigen. Die Welt schien in bester Ordnung, zumal das Ökosystem auch durch weitere Projekte (DeFi-Projekte) ausgebaut wurde.

Doch als der LUNA Anfang April neue Allzeithochs markierte, begannen im Hintergrund die Vorbereitungen einer koordinierten Attacke auf Terra. So besorgte sich jemand einige Milliarden an UST, was zwei Effekte hatte. Zum einen war er nun ein UST-Wal, der durch unlimitierte Verkäufe den Kurs abstürzen und damit die Bindung an den US-Dollar komplett aufbrechen konnte. Zum anderen wurde dadurch die Liquidität in diesem Markt ausgetrocknet.

Genau diese Position nutzte der oder die Angreifer nun aus. Es wurden tatsächlich unlimitiert UST auf den Markt geworfen, so dass der UST seine Bindung an den US-Dollar („Peg“) verlor. Die Nutzer versuchten nun natürlich dagegen zu halten und verbrannten UST, um so neue LUNA zu erzeugen. Dadurch wurde LUNA hyperinflationär und fiel im Kurs wie ein Stein. So flüchteten die Anleger auch aus den DeFi-Projekten wie Anchor Protocol, was den Druck nochmal verstärkte.

Um es konkret zu machen. Als das System noch stabil lief, gab es knapp eine Milliarde LUNA. Zuletzt (der Zähler wird nicht mehr aktualisiert) stieg der Circulating Supply auf 6,53 Billionen LUNA (das sind 6.530 Milliarden!). Bisher gelang es niemandem, leider auch nicht den Verantwortlichen hinter Terra, das System wieder zu stabilisieren. Der Stable Coin UST notiert daher nur noch bei 0,13 US-Dollar und der LUNA selbst bei fast null.

Das Endergebnis

Leider war bei Terra wohl kein Not-Stopp des Systems vorgesehen. Zudem haben die Verantwortlichen viel geredet (es ist grundsätzlich gut, dass sie nicht weggelaufen sind, sondern sich stellen wollten aber reden allein ist eben nicht genug!) aber nur wenig gehandelt. Selbst die Handlungen, die dann kamen, waren zu wenig zu spät. Stand heute sieht es danach aus, als ob Terra beziehungsweise der LUNA tot wäre, die weltgrößte Krypto-Börse Binance hat ihn bereits delisted. Ob es für den UST noch Hoffnung gibt? Hoffnung ja, aber...

Das Problem ist nun nämlich, dass selbst bei einem Reset des Systems das Vertrauen der vielen geschädigten Anleger einfach weg ist. Und wie sagte Warren Buffett mal ganz richtig? „Vertrauen aufbauen dauert Jahre, Vertrauen verspielen geht in einer Sekunde!“.

Spekulationen

Womit ich zum Schluss des Artikels noch dazu kommen möchte, wer denn der oder die Angreifer sein könnten. Bis dato weiß man es nicht, aber im Internet wird gerne BlackRock und Citadel (ein Hedgefonds) beschuldigt. Ob da etwas dran ist, keine Ahnung. Wobei es durchaus Punkte gibt, die dafürsprechen könnten. Schauen wir uns auch dies noch kurz an!

Um diese koordinierte Attacke durchzuführen, brauchte es rund einen Monat Vorbereitung. Dabei mussten mehr als vier Milliarden US-Dollar in die Hand genommen werden. Der Gewinn für den oder die Angreifer dürfte bei etwas über einer Milliarde US-Dollar liegen. Ich kenne Deals mit deutlich besseren Chance/Risiko-Verhältnissen – und über vier Milliarden US-Dollar hat auch nicht jeder rumliegen. Generell war Terra jedoch ein Projekt, dass vielen Institutionen ein Dorn im Auge war.

Denn wäre man mit der De-Zentralbank der Welt erfolgreich geworden, hätte man damit letztlich alle Währungen und die hinter ihnen stehenden Zentralbanken obsolet machen können. Die nun erfolgte vollständige Zerstörung des Projekts erscheint daher für alle Institutionen wünschenswert. Dabei hat die Federal Reserve zuletzt schon öfter sehr eng mit BlackRock zusammengearbeitet und BlackRock ist zudem ein Investor bei Circle und dem USDC, einem direkten Konkurrenten von Terra.

Ein ähnliches Projekt wie Terra war übrigens der seinerzeit von Facebook (Meta Platforms) geplante Libra, später Diem. Dieser wurde inzwischen beerdigt, da es auch hier massiven Druck von interessierter Seite gab und sich Mark Zuckerberg nicht mit diesen Institutionen anlegen wollte. Aber auch in der Krypto-Welt gibt es durchaus noch Projekte, die man als direkte Wettbewerber von Terra bezeichnen könnte.

Das wichtigste dieser Projekte ist MakerDAO (MKR) mit dem zugehörigen Stable Coin DAI. Bisher gab es dort jedoch noch keine Probleme. Zwar verlor auch der DAI gestern kurzfristig den Peg, aber das war für die investierten Anleger nicht das große Problem. Denn da wohl viele von Terra/LUNA und dem UST in MakerDAO (MKR) und den DAI flohen, stieg er kurzfristig auf 1,04 an, pendelte sich dann aber wieder ein.

Mehr zu MakerDAO/DAI könnt ihr übrigens auch in diesem Artikel meines sehr geschätzten Kollegen Clemens Schmale erfahren: Wie der Kryptomarkt das Finanzsystem bedroht

Persönliches zum Schluss

Ansonsten bleibt noch zu erwähnen, dass wir im TAK-Musterdepot (Krypto) eine kleine Position in LUNA hielten und halten, was jedoch der erste wirkliche Fehlgriff war. Ansonsten hatte ich meinen Abonnenten als Stable Coin grundsätzlich immer zu DAI geraten, was sich bisher als richtig erwies. Nichtsdestotrotz sind auch einige TAK-Abonennten von dem Skandal betroffen, weil diese die „Zinsen“ im Staking (ca. 20 % p.a.) attraktiv fanden. Dies war jedoch deren persönliche Entscheidung und KEIN Tipp von mir.

Ich persönlich bin von den Geschehnissen auch betroffen, aber ebenfalls nur sehr wenig. Denn zwar fand ich das Projekt spannend, war mir aber auch stets der Risiken bewusst. Daher habe ich auch persönlich nur eine sehr kleine Position in LUNA gehalten beziehungsweise halte sie noch. Dabei habe ich diese eigentlich schon als Totalverlust abgeschrieben, hoffe aber natürlich weiter auf ein Wunder.

So schlimm dies auch alles ist, zeigt es jedoch auch zwei Dinge: Erstens sind Kryptowährungen zwar teilweise sehr aussichtsreich, zweitens bergen sie aber eben auch sehr hohe Risiken.

Daher würde ich als Anleger diesen Markt nach wie vor NICHT ignorieren, aber auch nicht blind und blauäugig dort hineingehen.

Entweder informieren Sie sich stets genau über die Projekte, also welche Ideen dahinterstecken und wie sie funktionieren sowie über alle Chancen und Risiken, was Sie dann jedoch viel Zeit kosten wird. Oder holen Sie sich die Hilfe eines Experten, in dem Sie beispielsweise den TAK abonnieren. Das kostet zwar etwas Geld, bewahrt Sie im Zweifel aber vor Totalverlusten!

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Über den Experten

Sascha Huber
Sascha Huber
Experte für Kryptowährungen

Sascha Huber, Jahrgang 1978 und wohnhaft in Trier, gilt als profunder Kenner der Hightechbranche. Als solcher erkannte er als einer der Ersten das große Potenzial von Aktien wie Amazon.com, Apple sowie zuletzt Facebook oder Tesla Motors. Zwischen 2010 und 2014 arbeitete er als Chefredakteur eines Börsenbriefs, der im Oktober 2014 übernommen wurde. Huber gilt als profunder Kenner von Kryptowährungen wie dem Bitcoin, Ether und Ripple. Auf stock3 betreut er sehr erfolgreich den "Technologie-Aktien & Krypto Trading-Service".

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