Kommentar
16:21 Uhr, 12.10.2021

Wie der Kryptomarkt das Finanzsystem bedroht

Nein, es geht nicht darum, dass Kryptos das Finanzsystem destabilisieren. Die Bedrohung liegt vielmehr darin, dass das aktuelle System ersetzt wird.

Erwähnte Instrumente

  • Dai DAI/EUR
    Kursstand: 0,86459 € (Kraken) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • MakerDAO MKR/USD
    Kursstand: 2.405,60000 $ (Bitfinex) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Dai DAI/EUR - Kurs: 0,86459 € (Kraken)
  • MakerDAO MKR/USD - Kurs: 2.405,60000 $ (Bitfinex)

Vergangene Woche schrieb ich einen Artikel mit dem Titel „Kryptos: Erfolgreicher als das Internet.“ Der Schlüssel zum Erfolg ist der Nutzen. Das Internet ist inzwischen so zentral für den Alltag geworden, dass es ohne kaum noch geht. Der Nutzen ist bei vielen der mehreren tausenden verfügbaren Kryptowährungen und Token begrenzt. Es gibt jedoch Ausnahmen. Dies gilt vor allem für jene, die den Nutzen von Währungen und Banken replizieren. Eine davon ist Dai. Dai ist ein Stablecoin. Im Gegensatz zu vielen anderen sind die hinterlegten Sicherheiten ganz andere. Tether, der nach Marktkapitalisierung größte Stablecoin, investiert die Gelder vor allem in kurzfristige Schuldverschreibungen. Andere, wie Binance USD halten einen Großteil als Bankeinlagen, also de facto Dollar. Dai hält einen Teil in anderen Stablecoins (USDC, USD Coin). Der Großteil entfällt jedoch auf Ethereum, Bitcoin und andere Kryptos .

Dai DAI/EUR
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Das ist ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Stablecoins. Diese replizieren den Dollar, indem sie grundsätzlich Dollar halten. Damit erfüllen sie eine Funktion. Der Kurs ist stabil und ist somit ist ein gewisser Werterhalt garantiert. Bei Bitcoin ist das nicht der Fall. Der Kurs ist sehr volatil. Wer mit Bitcoin ein Auto kaufen will, muss am Montag dafür vielleicht nur einen Bitcoin aufbringen, am Dienstag schon 1,2 und am Freitag vielleicht nur 0,8.

In der Praxis beschränkt die enorme Volatilität den Nutzen vieler Kryptowährungen. Bei Stablecoins ist das nicht der Fall. Wenn jedoch ein Stablecoin lediglich Dollar repliziert, ist die Innovation begrenzt. Kommt erst digitales Zentralbankgeld, sind viele Stablecoins in gewisser Hinsicht obsolet.

Hier kommt Dai ins Spiel. Die Stabilität sorgt dafür, dass Dai als Tauschmittel verwendet werden kann, es werterhaltend ist und eine Recheneinheit darstellt. Die Stabilität ist angesichts der hinterlegten Sicherheiten bemerkenswert. 50 % der Sicherheit besteht aus Ethereum und dieses ist volatil.

Zu Beginn war Dai etwas volatiler. Der Wert schwankte zwischen 0,95 und 1,1 Dollar. Seit vielen Monaten ist die Abweichung vom Tauschverhältnis 1:1 minimal (Grafik 2). Wie ist es möglich, dass Dai so stabil ist, obwohl die zugrundeliegende Werte zum Teil so volatil sind?


Hier kommt der wirklich interessante Nutzen vom Netzwerk ins Spiel, der zum Teil Funktionen von Banken und Zentralbanken repliziert. Wer Ethereum besitzt, kann diese als Sicherheit hinterlegen und dafür Dai erhalten. Die hinterlegte Sicherheit wird nicht zu 100 % anerkannt. Es gibt eine Sicherheitsmarge. Wer Ethereum im Wert von 1.000 Dollar hinterlegt, bekommt nicht 1.000 Dai, sondern weniger. Das gibt eine gewisse Sicherheit.

Wenn Anleger eine Sicherheit hinterlegen und dafür Dai erhalten, nehmen sie einen Kredit auf. Bisher können nur wenige Anlagen als Sicherheit hinterlegt werden. Man kann also nicht das Haus, das man kaufen möchte, über Dai finanzieren. Mit der Zeit wird es jedoch in diese Richtung gehen.

Für den Kredit werden neue Dai geschaffen. Sinkt oder steigt der Wert der Sicherheit, verändert sich die Sicherheitsmarge. Das mögliche Kreditvolumen sinkt oder steigt. Umgelegt auf das traditionelle Bankensystem ist dieser Prozess vergleichbar. Sinkt der Wert einer Immobilie und reicht das Eigenkapital nicht aus, ruft die Bank irgendwann an und will mehr Sicherheit. Steigt der Wert der Immobilie, kann man den Kredit aufstocken.

Wird ein Kredit zurückgezahlt, verringert sich die Anzahl von Dai. Um die Stabilität zum Dollar zu gewährleisten, werden auch Zinsen festgelegt. Höhere Zinsen erhöhen die Nachfrage nach Dai und niedrigere Zinsen senken sie. Eine Notenbank macht im Prinzip nichts anderes.

Welcher Zins zur Anwendung kommt, wird jedoch nicht von einer Art Zentralbank entschieden, sondern von denjenigen, die MKR (Maker) Token halten. Theoretisch ist es dadurch möglich, dass ein einzelner Investor durch einen hohen MKR Anteil das Umfeld bestimmt. Dieses Zentralisierungsproblem ist bisher noch nicht aufgetreten. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden.

MakerDAO MKR/USD
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Dai kann bisher Stabilität erhalten, indem ähnliche Prozesse wie bei Zentralbanken zur Anwendung kommen (Zinsfestlegung). Gleichzeitig garantiert Stabilität den Einsatz als Austauschmittel, Werterhalt und Funktion einer Recheneinheit. Geld kann über Kredit geschaffen werden.

Die Parallelen zu den Kernfunktionen des traditionellen Banken- und Zentralbankensystems sind groß. Damit ist noch kein Zusatznutzen entstanden. Es handelt sich mehr um eine Replizierung, allerdings mit dem Vorteil, dass sie dezentral ist und am Ende nicht von der Regierung abhängt.


Es braucht noch viel Entwicklungsarbeit, vor allem für die Kreditaufnahme, die keine Kryptos als Sicherheit haben. Grundsätzlich aber können die Funktionen des traditionellen Systems angeboten werden und das vermutlich effizienter und weniger zentralisiert.

Wer es für unmöglich hält, dass das traditionelle System irgendwann ersetzt wird, sollte ins Grübeln kommen.

Clemens Schmale


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4 Kommentare

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    YoWoo

    Die USA werden denke ich, durch ihre Schulden, die Welt zeitweise nach unten ziehen. Und dann wird es ohne die USA weitergehen. Ich kann mir 80 oder 100 Billionen Schulden einfach nicht vorstellen.

    06:34 Uhr, 13.10.2021
  • amateur
    amateur

    ...unmöglich ist nie was. Aber die Staaten und Notenbanken (sofern sie sich grundsätzlich einig sind) entscheiden über die Zukunft der Kryptos...

    16:42 Uhr, 12.10.2021
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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