Kommentar
14:27 Uhr, 31.05.2022

Terminmarkt geht von sinkenden Dividenden aus: Gewinnrezession unausweichlich?

Unternehmensgewinne können schrumpfen, selbst wenn die Wirtschaftsleistung steigt. Der Terminmarkt signalisiert dies. Aber ist es ein Problem?

Die letzte Gewinnrezession ohne wirtschaftliche Rezession fand 2015/16 statt. Gewinne von US-Unternehmen fielen um fast 20 %. Der Aktienmarkt fiel in ähnlich großem Umfang. Gewinnrezessionen sind eine ernste Sache und der Terminmarkt signalisiert einen solchen Fall. Ablesen kann man das anhand der Dividenden-Futures. Dividenden steigen tendenziell an. Können Unternehmen ihre Gewinne ausbauen, wird auch mehr an Anleger ausgeschüttet. Dividenden werden im Normalfall nur gekürzt, wenn es nicht mehr anders geht. Bevor Dividenden angetastet werden, streichen Unternehmen Aktienrückkäufe. Regelmäßige Ausschüttungen sollen etwas sein, auf das sich Anleger verlassen können. Manche Unternehmen nehmen das sogar so ernst, dass sie hohe Schulden aufnehmen, um Durststrecken zu überwinden. Die letzte Gewinnrezession ging vom Rohstoffmarkt aus. Erst kollabierte der Ölpreis, dann alle anderen Rohstoffpreise auch.

Anstatt wegen geringeren Gewinnen oder Verlusten die Dividende zu kürzen, nahmen viele Ölfirmen Schulden auf. Bei Exxon stiegen die Schulden von weniger als 10 Mrd. auf 30 Mrd. Das gleiche geschah während der Pandemie. Nachdem der Schuldenberg auf 19 Mrd. reduziert werden konnte, stieg er auf 47 Mrd. an.

Es muss viel geschehen, damit Dividenden gekürzt werden. Nicht jedes Unternehmen ist so eitel wie Exxon, doch die Regel gilt im Allgemeinen. Da wird man stutzig, wenn Dividenden-Futures zu fallen beginnen. Nach dem ersten Pandemieschock konnten die Futures, die die Jahresdividende für den S&P 500 pro Anteilsschein abbilden, kontinuierlich steigen. Seit Dezember 2021 stagnierten die Preise und stürzten mit Beginn des Ukrainekriegs regelrecht ab (Grafik 1).


Anleger erwarteten aufgrund des Krieges eine Gewinnrezession, die Unternehmen zu Dividendenkürzungen zwingen würde. Die Erwartung für 2022 blieb vergleichsweise stabil und konnte auch in den Folgewochen weiter steigen. Anleger erwarten also für 2022 keine Gewinnrezession, sondern stattdessen in den Folgejahren.

Am besten korreliert der Dividenden-Future des Folgejahres mit dem S&P 500. Derzeit ist das der Future für Dezember 2023. Anleger erwarten immer noch rückläufige Dividenden. Trotzdem gibt es inzwischen ein positives Signal. Während der Aktienmarkt neue Tiefs erreichte, bildete der Future ein höheres Tief aus (Grafik 2).


Damit wird immer noch von sinkenden Dividenden und einer Gewinnrezession ausgegangen. Kommt es allerdings genau so, wie es der Terminmarkt vorhersagt, muss der Markt nicht tiefer fallen als er bereits gefallen ist. Das lässt selbst mich (ich gehe von einer Fortsetzung des Bärenmarktes aus) innehalten.

Meine Meinung ändert diese Divergenz nicht. Auch Dividenden-Futures sind keine unfehlbare Glaskugel. Dividendenerwartungen sind stabiler als Aktienkurse, können aber auch wild schwanken wie bisher in diesem Jahr oder Anfang 2020. Es lohnt dennoch, den Trend zu beobachten. Etabliert sich der Trend zu höheren Dividendenerwartungen, hilft alles nichts und die Meinung zum Bärenmarkt muss überdacht werden. Noch ist es nicht soweit.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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