Kommentar
19:10 Uhr, 12.11.2008

Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie - unterm Strich angemessen

1. Ein Streik in der Metall- und Elektroindustrie konnte heute abgewendet werden. Nach einem 22- stündigen Verhandlungsmarathon einigten sich die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter auf folgenden – der Presse zu entnehmenden – Kompromiss:

• Nullrunde für die Monate November 2008 bis einschließlich Januar 2009. Dafür eine Einmalzahlung von 510€.
• Tariflohnerhöhung zum 1. Februar um 2,1 %.
• Eine zusätzliche Tariflohnerhöhung zum 1. April um weitere 2,1 %. Diese kann optional um bis zu sieben Monate verschoben werden.
• Zusätzliche Einmalzahlungen in Höhe von 122 € im September und von jeweils 0,4% eines Monatsgehaltes für die Monate Januar bis April 2010. Erstere kann gekürzt oder gestrichen werden, letztere werden nicht an die Arbeitnehmer ausgezahlt, sondern dienen der Finanzierung des Arbeitnehmeranteils der Kosten des Tarifvertrages „Flexibler Übergang in die Rente“.
• Die Laufzeit beträgt 18 Monate bis zum 30. April 2010.

2. Kommt es zu den geplanten Erhöhungen, so führt der Tarifvertrag zu einer jahresdurchschnittlichen Lohnerhöhung um 4,3% über die Gesamtlaufzeit. Auf das Kalenderjahr 2009 entfällt davon ein überdurchschnittlicher Teil, der in diesem Zeitraum zu einer Tariflohnerhöhung um rund 5,4% führen wird. Kommt es zu einer Verschiebung der zweiten Erhöhung um die maximal möglichen sieben Monate und zur Streichung der September-Einmalzahlung, so fällt die Bilanz aus gesamtwirtschaftlicher Sicht besser aus. Das jahresdurchschnittliche Gesamtvolumen dürfte dann nach unseren Berechnungen nur noch bei 3,6% liegen, wovon 3.7% auf das Kalenderjahr 2009 entfallen.

3. Wie ist der Abschluss zu bewerten? Das Urteil wird von dem Ausmaß der Inanspruchnahme der Flexibilisierung abhängen. Kommt es zu keiner Verschiebung, ist der Abschluss als zu hoch zu bewerten und gefährdet Arbeitsplätze. Es darf nicht vergessen werden, dass mit der Automobilindustrie ein wesentlicher Teil der Metall- und Elektroindustrie schon jetzt in einer Krise steckt und dass die globale Rezession auch die anderen Bereiche, insbesondere den Maschinenbau stark in Mitleidenschaft ziehen wird. Wird von der Flexibilisierung in vollem Umfang Gebrauch gemacht, dann sollte der Abschluss gesamtwirtschaftlich zu verschmerzen sein.

4. Grundsätzlich muss man festhalten, dass die Arbeitgeber es in der Hand gehabt hätten, falls notwendig einen für sie besseren / niedrigeren Abschluss zu erzielen. Sie waren angesichts der schwachen Auftragslage und der in der Automobilindustrie schon beschlossenen Produktionsdrosselungen aktuell in der stärkeren Position. Dass die Arbeitgeber es auf keinen Arbeitskampf ankommen ließen, spricht für die Verkraftbarkeit des Abschlusses.

5. Aus Sicht der Gewerkschaftsmitglieder dürfte der Tarifvertrag eine Enttäuschung sein, denn im Vorfeld der Verhandlungen und unter dem Eindruck der zu Jahresbeginn noch robusten Konjunktur wurden Erwartungen geweckt, die im jetzigen rezessiven Umfeld nicht mehr zu halten waren. Da aber zur Annahme des Vertrages keine Urabstimmung notwendig ist, dürfte er auch so umgesetzt werden und Pilotcharakter für die anderen Tarifbezirke haben.

6. Für die kommenden Monate sollte das lohnpolitische Mantra etwas anders ausgelegt werden. Galt in den vergangenen Jahren die Forderung, den Verteilungsspielraum aus Produktivitätswachstum und Inflationsrate nicht auszuschöpfen, sollte dies in der gegenwärtigen Situation getan werden. Nun muss eine Balance gefunden werden zwischen der Schaffung von Einkommen und der Sicherung von Arbeitsplätzen. Würde der Verteilungsspielraum überzogen, gingen Arbeitsplätze verloren und die gesamtwirtschaftlichen Einkommen gerieten so unter Druck. Würde der Verteilungspielraum nicht ausgenutzt, so blieben das Lohn- und damit auch das Einkommenswachstum zu gering. Das Einkommenswachstum wird aber benötigt, um Konsumwachstum zu erzeugen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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