Kommentar
17:05 Uhr, 02.05.2022

Steigende Zinsen: Ist das Hoch bei den Anleiherenditen erreicht?

Renditen von 3% in den USA und von 1% in Deutschland für zehnjährige Anleihen sind nicht unbedingt üppig. Dennoch könnten sie ein zyklisches Hoch erreicht haben.

Für lange Zeit waren die Renditen für Staatsanleihen zu niedrig. Während die Wirtschaft in den USA oder Europa stark wuchs, drückten die Anleihekäufe der Notenbanken die Renditen. Die Renditen spiegelten das Wirtschaftswachstum nicht wider. Trotz aller pandemiebedingter Sonderfaktoren lassen sich 10-jährige Renditen im negativen Bereich nicht rechtfertigen. Nicht zuletzt wegen der zu lockeren Geldpolitik, die mehr oder weniger direkt auf Staatsfinanzierung ausgelegt war, haben wir nun hohe Inflation, die bekämpft werden soll. Ein Instrument für die Bekämpfung von Inflation sind Zinsen bzw. die Renditen von Staatsanleihen. Staatsanleiherenditen sind oft die Basis für Kreditzinsen. So folgen die Zinsen für Immobilienkredite der Entwicklung 10-jähriger Staatsanleihen. Nicht nur Staaten zahlten kaum Zinsen für ihre Schulden, auch Haushalte wurden mit niedrigen Zinsen gesegnet. Da die Zinsen zu niedrig waren, wurde von billigem Kredit viel Gebrauch gemacht...

Dass die Zinsen zu niedrig waren, lässt sich anhand eines einfachen Indikators darstellen. Ein sehr guter Gradmesser für die konjunkturelle Entwicklung und somit ein adäquates Zinsniveau, ist das Kupfer-Gold-Verhältnis. Mit dem wirtschaftlichen Boom nach den ersten Lockdowns stieg das Verhältnis schnell an. Die Renditen von Staatsanleihen folgten der Entwicklung bis Ende 2021 nur bedingt. Zinsen blieben zu tief (Grafik 1).


Die Lage hat sich inzwischen deutlich verändert. Innerhalb weniger Wochen wurde die Lücke geschlossen (Grafik 2). Die Zinsen überschreiten inzwischen sogar das Niveau, welches auf Basis des Konjunkturindikators gerechtfertigt erscheint.

Das Kupfer-Gold-Verhältnis muss natürlich nicht statisch sein. Der Kupferpreis kann weiter steigen und der Goldpreis fallen. Geht man davon aus, dass der Goldpreis wegen des Ukrainekrieges höher als ohne Krieg ist, kann man den Goldpreis gedanklich tiefer ansetzen. Man kann auch den Kupferpreis gedanklich anheben. Früher oder später wird China seine Null-Covid-Strategie anpassen. Da China der größte Kupferkonsument der Welt ist, würde Entspannung in China für höhere Kupferpreise sorgen.

Doch selbst bei dieser Anpassung von Gold- und Kupferpreis würde das Verhältnis wohl lediglich soweit ansteigen, dass es mit den aktuellen Renditen von Staatsanleihen übereinstimmt. Kurz gesagt: Staatsanleiherenditen spiegeln das wirtschaftliche Umfeld auf derzeitigem Niveau sehr gut wider.

Ob die Renditen ihr zyklisches Hoch tatsächlich schon erreicht haben, hängt nun vor allem von der Inflationsentwicklung ab. Hier wiederum ist ausschlaggebend, wie sich der Krieg entwickelt und ob die EU russisches Öl und Gas sanktioniert bzw. Russland die Lieferungen einstellt.

Unter der Annahme, dass Energierohstoffe ihren Aufwärtstrend nicht fortsetzen, wird das Inflationshoch in diesen Tagen erreicht. So unwahrscheinlich es bei Renditen um 3 % in den USA und 1 % in Deutschland erscheinen mag, dies könnte bereits ein zyklisches Hoch sein.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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