Kommentar
06:12 Uhr, 14.12.2016

Stagflationsgefahr: Ex-Chef der Fed sieht schwarz

Mit 90 Jahren ist Alan Greenspan noch immer sehr aktiv und er legt seinen Finger auf den wunden Punkt.

Greenspan ist über zwei Dinge besonders besorgt: Anleihen und Stagflation. Vor 20 Jahren prognostizierte er, dass sich Aktien in einem gefährlichen Aufwärtstrend befänden und der Markt kollabieren würde. Seine Prognose „Irrational Exuberance“ hallt bis heute nach.

Als er die irrationale Übertreibung im Jahr 1996 prognostizierte, dauerte es noch mehrere Jahre bis der Markt, vor allem Technologiewerte, zusammenbrach. Heute sieht er die Gefahr nicht auf dem Aktienmarkt, sondern dem Anleihemarkt.

Global sind Anleihen trotz des Zinsanstiegs der letzten Wochen nach wie vor extrem hoch bewertet. Die Zinsen sind nach wie vor historisch niedrig. Das geht auf Dauer nicht gut, denn Zinsen sind letztlich von der Inflation abhängig. Steigt diese unerwartet stark an, dann dürfte der Anleihemarkt kollabieren.

Notenbanken sehen derzeit keine reale Gefahr, dass die Inflation rasch ansteigt. Auf Jahre hinaus sehen sie die Möglichkeit ihr 2 % Ziel gerade so zu erreichen. Dass das Ziel überschritten wird, ist derzeit kein Thema. Greenspan sieht das anders, auch wenn er es so direkt nicht ausdrückt.

Er sieht die Gefahr von Stagflation auf uns zukommen. Sie wird nicht heute und nicht morgen um sich greifen. Die Chancen, dass es dazu kommt, stehen allerdings schon fast bei 50 %. Eine Wiederholung der 70er Jahre deutet sich an.

Lesen Sie dazu auch: Stagflation droht - So reagieren die Aktienmärkte

Wer das für weit hergeholt hält, kennt Greenspans Argumentation nicht. Sie ist absolut bestechend und lässt sich in einer Grafik zusammenfassen. Die Darstellung zeigt Greenspans ultimativen Indikator für das Sentiment der Unternehmen. Es handelt sich dabei um das Verhältnis von dem Geld, welches Unternehmen verdienen und den Ausgaben für langfristige Güter.

Letztlich ist das Verhältnis eine Art Sparquote. Liegt es über 1, dann horten Unternehmen Cash, anstatt es zu investieren. Liegt es unterhalb von 1, dann wird deutlich mehr investiert. Unternehmen nehmen Schulden auf, um Investitionen zu finanzieren.
Diese Quote zeigt einen recht klaren Zusammenhang zum Aktienmarkt. Unternehmen tendieren zu höheren Sparquoten, wenn die Wirtschaft nicht so recht läuft. Das spiegelt sich auch in Aktienkursen wider.

Im Laufe der letzten 55 Jahre war die Sparquote selten so hoch wie jetzt. Für einen Aufschwung, wie wir ihn seit Ende 2009 sehen, ist die Quote beschämend hoch. Die meiste Zeit liegt die Quote unterhalb von 1. Unternehmen investieren. Inzwischen ist das seit Jahren nicht mehr der Fall. Seit 2009 befindet sich die Quote über 1 und sie steigt seit einem Jahr wieder an.

Je mehr Unternehmen sparen, desto weniger zuversichtlich sind sie. Wer glaubt, durch Investitionen in Zukunft mehr verdienen zu können, tätigt diese Investitionen. Wer nicht daran glaubt, spart das Geld lieber. Genau das ist der Fall und es ist kein temporäres Phänomen, sondern ein systematisches.

Einerseits liegt dieses Phänomen an den tatsächlichen Perspektiven, die Unternehmen haben. Die Welt leidet unter dem demographischen Wandel und stagnierender Produktivität. Das ist praktisch die Definition systematischer Stagnation (säkulare Stagnation).

Das Problem verschärft sich noch durch die bereits bestehende Schuldenlast und einer zunehmenden Verschuldung. Dies gilt vor allem für Staaten. Staaten haben so hohe Verpflichtungen (Renten, Gesundheit), dass die Verschuldung in Zukunft zwangsläufig ansteigen wird. Nun gilt für eine Volkswirtschaft jedoch die einfache Faustformel: was gespart wird, wird auch investiert.

Ist die volkswirtschaftliche Sparquote gering, weil Staaten ihre Defizite nicht in den Griff bekommen, dann wird auch weniger investiert. Dieser Zusammenhang gilt seit eh und je und auch die sonderbaren Zeiten, in denen wir uns gerade befinden, haben daran nichts geändert.

Um zukünftige Inflation zu verhindern und höheres Wachstum zu erzielen, müsste sehr viel mehr investiert werden. Dazu kommt es nicht. Die Zuversicht fehlt und die exzessiven Schulden in Teilen der Wirtschaft gräbt den Spielraum für Investitionen ab. Als es zum letzten Mal dazu kam, traten wir in die 70er Jahre ein und Stagflation griff um sich. Es brauchte damals ungefähr 10 Jahre, bis die hohen Sparquoten der Unternehmen zu erhöhter Inflation führten. Ein paar Jahre Zeit haben wir also noch. Danach sieht es düster aus, nicht nur für die Wirtschaft und den Aktienmarkt, sondern auch für den Anleihemarkt. Mit steigender Inflation geht für gewöhnlich ein massiver Selloff von Anleihen einher.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    die selbsterfüllende Funktion wirkt noch verstärkend.

    Stagflation haben bereits sehr viele auf dem Radar.

    08:50 Uhr, 14.12. 2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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