Sorge vor US-Rezession lässt S&P500, DAX, Euro-Dollar und Gold erneut einbrechen – Wie geht es weiter? Warten auf Fed-Protokoll und US-Arbeitsmarktbericht
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Ausverkauf an den Börsen, woraufhin der DAX auf das niedrigste Niveau seit November 2020 nach unten rauscht: Grund ist die erneute Rückkehr der Sorgen vor einer US-Rezession. Das spiegeln die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen wider, die heute um herbe 10 Basispunkte (0,1 Prozentpunkte) auf 2,80 Prozent einbrechen. Gegenüber dem Hoch von Mitte Juni bei 3,50 Prozent ist das ein Rutsch um herbe 70 Basispunkte – das ist eine enorme Bewegung innerhalb von drei Wochen. Das ist eine Bewegung um fast 100 Basispunkte pro Monat.
Dabei sehen Investoren über die um 16 Uhr veröffentlichten Zahlen zu den Industrieaufträgen hinweg. Sie waren im Mai um 1,6 Prozent gegenüber dem Vormonat gestiegen und damit deutlich kräftiger als die von Volkswirten vorhergesagten 0,5 Prozent. Allerdings interessieren Investoren Daten vom Mai kaum mehr, das liegt schon so lange hinter uns. Inzwischen haben sich viele US-Konjunkturdaten dramatisch abgeschwächt.
Die stark zunehmenden Rezessionsängste der Investoren spiegelt auch wider, dass die Preise der Ölsorten Brent Crude Öl (105,167 $ -9,74 %) und WTI Öl (100,005 $ -10,17 %) prozentual zweistellig einbrechen.
Kleiner Hinweis: Am heutigen Dienstagabend habe ich in der Sendung „Euer Egmond“ präsentiert von BNP Paribas Zertifikate die Aussichten für S&P500, DAX, Euro-Dollar und Gold analysiert.
Nasdaq legt leicht zu
Im Gegensatz zum S&P500 erholt sich der Nasdaq Composite heute allerdings etwas. Der Grund: Meiner Meinung nach greifen Investoren – wie schon in den vergangenen Jahren – wegen der sinkenden Zinsen bei Growth-Aktien, gerade bei Technologieaktien zu, nach dem Motto: je schwächer die Wirtschaft ist, umso mehr braucht man Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade auf der Umsatzseite. Daher erholen sich die Papiere von Tesla, Apple, Amazon, Microsoft , Alphabet und Meta Platforms heute mehr oder minder stark.
Das halte ich allerdings weiterhin für einen wenig aussichtsreichen Trade. Wieso? Weil im Umfeld einer Rezession das Geschäft vieler US-Technologiefirmen überdurchschnittlich stark unter Druck kommen sollte, da wird dann nicht mehr viel mit „Wachstum“ sein. Dann dürften sich potenzielle Kunden mit dem Kauf von iPhones zum Preis von 1.000 Dollar oder Euro zurückhalten. Und dann sollten Kunden im Zweifelsfall bei Einkäufen bei Amazon auf die Bremse treten.
Und dann dürften potenzielle Kunden weniger nach Produkten und Dienstleistungen im Internet suchen und dabei weniger auf die Werbung bei der Alphabet-Tochter Google klicken. Und nicht mehr so häufig auf die Werbung bei Meta Platforms klicken.
Umso gespannter werde ich zudem schauen, wie sich das Geschäft von Tesla weiter entwickeln wird. Zwar steigen jährlich Mio. von Autofahrern von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren auf Elektroautos um. Allerdings sollten deren stark steigende Preise meiner Meinung nach deutlich auf den Absatz drücken.
Steigender Dollar drückt den Goldpreis nach unten
Wegen der zunehmenden Rezessionssorgen und des Einbruchs am Aktienmarkt flüchten Investoren in den sicheren Hafen Dollar, woraufhin der Euro in die Nähe des 20-Jahres-Tiefs gegenüber dem Greenback kollabiert. Der nach oben schießende Dollar lässt den Goldpreis in die Nähe des Acht-Monats-Tiefs einbrechen.
Wie geht es weiter?
Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Wochen und Monaten eine Reihe schwacher US-Konjunkturdaten geben wird, woraufhin die Sorgen nicht nur vor einer US-Rezession, sondern vor einer weltweiten Rezession weiter kräftig zunehmen sollten. Umso mehr werden die Gewinnschätzungen für S&P500 und DAX für das zweite Halbjahr 2022 und das Gesamtjahr 2023 reine Makulatur.
Dennoch dürften Fed-Chef Jay Powell und seine Kollegen weiterhin sie tun, als ob sie die Zinsen weiter kräftig erhöhen möchten, was die Rezessionssorgen der Investoren verstärken sollte. Daraufhin sollten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen noch schneller nach unten rauschen als ohnehin schon.
In dem Umfeld sollten S&P500, Nasdaq und DAX – nach jederzeit möglichen technischen Erholungen auf Talfahrt bleiben. Angeführt werden sollte sie weiterhin von der Nasdaq. Gleichzeitig dürfte der Verfall des Euro weitergehen und er schon bald die Parität mit dem Dollar erreichen und anschließend darunter rauschen. Wenn mein Szenario so eintritt, muss man kurzfristig auch mit weiterem Abwärtsdruck bei Gold rechnen.
Fed-Protokoll ganz oben auf der Agenda
Umso nervöser werden Investoren auf Konjunkturdaten warten, gerade jenen aus den USA.
Am Mittwoch werden um 8 Uhr die Aufträge für die deutsche Industrie bekanntgegeben. Die Orders sollen im Mai um 0,8 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken sein, nach einem Minus von 2,7 Prozent für April. Mich würde es nicht überraschen, wenn die Aufträge in dem aktuellen Rezessionsumfeld eingebrochen wären.
Um 13 Uhr werden die US-Hypothekenaufträge veröffentlicht.
Um 16 Uhr gibt das Institute for Supply Management (ISM) den Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor bekannt. Er soll im Juni von 55,9 Punkte auf 54,8 Punkte gesunken sein. Nachdem der Index für die Industrie allerdings für viele Experten „überraschend“ eingebrochen war, gehe ich davon aus, dass auch jener für den Dienstleistungssektor kollabiert ist. Das Wichtigste bei dem Index ist zudem die Beschäftigungskomponente. Im Mai war sie leicht gestiegen von 49,5 Punkte auf 50,2 Punkte und hatte damit ein minimales Beschäftigungswachstum im Dienstleistungssektor signalisiert. Mich würde es nicht überraschen, wenn die Komponente diesmal klar unter die 50er-Marke nach unten rauschen würde und damit einen Beschäftigungsabbau andeuten würde. Das könnte etliche Investoren vor der Vorlage des US-Arbeitsmarktberichts am kommenden Freitag etwas nervös machen.
Ebenfalls um 16 Uhr wird der vielbeachtete JOLTS-Bericht veröffentlicht. Demnach soll die Zahl der offenen Stellen im Mai leicht zurückgegangen sein von 11,4 Mio. auf 11,25 Mio.
Allerdings hinken diese Zahlen dem offiziellen Arbeitsmarktbericht, der am kommenden Freitag veröffentlicht wird, um einen Monat hinterher, enthält er doch die Juni-Zahlen – um genauer zu sein, die Zahlen von der Mai-Woche inklusive des 12. Mai, bis zur Juni-Woche inklusive des 12. Juni. Der Arbeitsmarktbericht geht also quasi immer von Monatsmitte zu Monatsmitte. Ich gehe davon aus, dass im Rezessionsfalle die zahl der offenen Stellen rapide sinken wird.
Um 20 Uhr wird das Fed-Protokoll der Sitzung vom 15. Juni veröffentlicht. Je aggressiver die Diskussion der Fed-Mitglieder in Richtung weiterer kräftiger Anhebungen der US-Leitzinsen gewesen sein sollte, umso mehr dürfte das die Rezessionsängste der Investoren schüren, woraufhin die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen einbrechen sollten.
Deutschlands Industrieproduktion im Fokus
Am Donnerstag werden die Daten zu Deutschlands Industrieproduktion veröffentlicht. Sie soll im Mai um 0,3 Prozent über dem Vormonat liegen, nach 0,7 Prozent für April. Nach einer Serie schwacher Daten von der Industrieproduktion würde mich ein Rückgang für Mai nicht überraschen.
Um 14.30 Uhr werden die Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe veröffentlicht. Investoren beobachten die Daten genau, sind sie doch üblicherweise ein hervorragender Frühindikator für eine Trendwende am Arbeitsmarkt. Da Fed-Chef Jay Powell und etliche seiner Kollegen wiederholt gesagt haben, dass sie die Arbeitslosenquote etwas nach oben treiben wollen, sollten die Erstanträge in den nächsten Wochen und Monaten deutlich steigen.
US-Arbeitsmarktbericht ganz oben auf der Agenda
Am Freitag wird um 14.30 Uhr der US-Arbeitsmarktbericht bekanntgegeben. Im Juni sollen 270.000 Jobs geschaffen worden sein, nach 390.000 für Mai. Gleichzeitig soll die Arbeitslosenquote bei 3,6 Prozent stabil bleiben. Zudem sollen die Stundenlöhne um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat steigen und um 5,0 Prozent (Mai: 5,2 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. In den vergangenen Monaten ist der S&P500 häufig am Tag der Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten gestiegen. Sollten diesmal die Zahlen aber für viele Experten „überraschend“ schwach ausfallen, könnten die Zahlen die Rezessionssorgen weiter schüren, woraufhin sich die Talfahrt beim S&P500 beschleunigen könnte.
Um 21 Uhr bilden die Daten aus den USA zu den Konsumentenkrediten den Abschluss des Datenreigens dieser Woche. In den vergangenen Monaten haben sich die Verbraucher kräftig verschuldet, um ihren Lebensstandard halten zu können. Für Mai sagen Volkswirte einen Anstieg der Verbraucherkredite um 31,9 Mrd. Dollar vorher, nach 38,0 Mrd. Dollar für April. Sollten die Mai-Zahlen niedriger als erwartet ausfallen, könnte das die Rezessionssorgen verstärken.
In meiner Sendung "Euer Egmond" analysiere ich wöchentlich die Märkte!
Sehr gerne.
Super tolle Zusammenfassung! Genau solche Artikel sind sehr wertvoll für sehr viele Börseninteressierte. Dankeschön!