Sojabohnen: Die Angst vor Dumpingpreisen
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An kaum einem anderen Agrarprodukt lässt sich der steigende Wohlstand der Chinesen eindrucksvoller ablesen, als an der Sojabohne. Über 50 Millionen Tonnen werden die Chinesen im nächsten Jahr verbrauchen, 78% mehr als vor sechs und sogar 226% mehr als vor neun Jahren. Auf den ersten Blick müssten die Sojapreise angesichts derartiger Nachfragesteigerungen von einem Rekordhoch zum nächsten eilen. Dem ist allerdings nicht so. Sojabohnen kosten heute genauso viel (oder genauso wenig) wie Anfang des Jahres 1999. Hier zeigt sich der Unterschied von Agrarprodukten zu anderen Rohstoffen wie Eisenerz und Öl, deren Preise sich in den letzten Jahren angesichts einer steigenden chinesischen Nachfrage geradezu überschlugen. Der Grund liegt darin, dass die Erschließung neuer Minen oder Ölfelder viele Jahre dauert, bei Soja hingegen immer zu Beginn der Saison wieder von neuem über die Produktion entschieden wird. Anbauflächen können jederzeit – auch unkontrolliert – ausgeweitet werden, das Wetter mag zu überreichlichen oder auch mageren Ernten führen und Lagerbestände, die oft nicht einmal gemeldet sind, können wegen der Gefahr des Verderbens ganz plötzlich auf den Markt geworfen werden und so kräftige Preiseinbrüche auslösen. Staatliche Ausgleichszahlungen sollen die Einkommen der Farmer in Zeiten einer Überproduktion sichern, können aber auch die Preise kaputt machen, wenn das Kalkül der Programme nicht aufgeht. Die Lohnausgleichszahlungen garantieren den Bauern die Erstattung eines Betrages, welcher der Differenz des staatlich garantierten Mindestpreises und dem Marktpreis entspricht. Die Bauern verpflichten sich im Gegenzug dazu, ihre Produktion zunächst auf Lager zu halten und später zu besseren Marktbedingungen und höheren Preisen zu verkaufen. Im Idealfall fällt durch diese temporäre Lagerhaltung das Angebot zur Erntezeit und steigt im Anschluss bei besseren Preisen wieder an. In diesem Jahr ist das jedoch anders. Die Preise sind nicht gestiegen, sondern fallen immer weiter. Viele Bauern, die subventionierte Lagerbestände vor neun Monaten aufbauten, sind jetzt gezwungen, noch schnell zu verkaufen, bevor die Preise noch weiter fallen. In diesem Jahr liegt der garantierte Mindestpreis im Schnitt bei 5,10 Dollar pro Scheffel Sojabohnen – der aktuelle Kassapreis liegt bereits bei unter 5 Dollar pro Scheffel. Die Terminpreise sind ebenfalls im Abwärtstrend – seit Jahresbeginn beträgt das Minus 13%. Wer also sein Geld in Sojabohnen anlegt, sollte sich immer vor Augen führen, dass er kurzfristig durchaus hohe Verluste erleiden kann. Trotzdem sollte die Nachfrage nach Soja weiter boomen. Im Gleichschritt mit dem Wohlstand des chinesischen Volkes wird auch der Sojakonsum steigen. Da China aber nur für 8% der Weltproduktion steht, während die USA über 40%, Brasilien über 20% und Argentinien noch einmal 10% erwirtschaften, führen oft schon Gerüchte über das chinesische Importverhalten zu ganz abstrusen Preisschwankungen. Außerdem wird der Produktionsanteil Chinas, auch wegen der zunehmenden Landflucht, weiter sinken, so dass die amerikanischen Bauern durchaus rosigen Zeiten entgegensehen könnten. Ganz neu hat sich neben der chinesischen Nachfrage, die jetzt schon ca. 40% der Weltnachfrage ausmacht, ein neuer Bedarf aufgetan. Sojaöl findet mehr und mehr Einsatz bei der Erzeugung von Biodiesel. Hierfür ist es auch besonders ergiebig. Wer beobachtet, wie der Zuckerpreis durch die brasilianische Ethanolerzeugung beeinflusst wird, kann sich auch vorstellten, wie Soja zur Mangelware werden kann, wenn gleichzeitig die chinesische Nachfrage boomt und ein hoher Ölpreis die Produktion von Biodiesel beschleunigt. Soja könnte also durchaus zu einem der Zukunftsrohstoffe im Bereich der Soft Commodities werden. Wie Sie aber sehen werden, mag sich diese Hoffnung dann aber doch nicht erfüllen.
Das Angebot
Gerüchte über die Reichhaltigkeit von Ernten spielen eine große Rolle. Insbesondere in diesem Jahr, wo die Lagerbestände fast so hoch sind, wie in den beiden Vorgängerjahren zusammen. Der August ist der wichtigste Wachstumsmonat der Sojapflanze, und gerade in diesem Monat änderte sich das Wetter in den USA von heiß und trocken auf warm und feucht – geradezu ideale Bedingungen für das Pflanzenwachstum. 58% der Ernte wurden von den Experten des US-Landwirtschaftsministeriums mit dem Prädikat „sehr gut bis ausgezeichnet“ bewertet, der langjährige Schnitt liegt bei nur knapp über 50%. Sollten die Ertragsraten in diesem Jahr auf ein ähnlich hohes Niveau steigen, wie im letzten Jahr, so würden die Lagerbestände auf das höchste Niveau der Geschichte ansteigen. Mit 750 Millionen Scheffeln könnten die Sojabestände über dem bisherigen Rekord von 536 Millionen Scheffeln aus dem Jahr 1986 liegen. Die Auswirkungen einer derart hohen Sojaernte wäre enorm – die Terminpreise würden wohl deutlich unter die Marke von 5 Dollar pro Scheffel einbrechen. Schlüssel und Auslöser eines Abverkaufs könnte der morgige Erntebericht des US-Landwirtschaftsministeriums sein. Er enthält erstmals die neuen Produktionsschätzungen aus dem wichtigen Monat August. Zwar werden Lohnausgleichszahlungen und Auffangfonds in den USA die Verkäufe der Produzenten begrenzen. Viele Produzenten, die vor acht oder neu Monaten ihre alte Ernte in Ausgleichsfonds stellten, werden jetzt aber bald gezwungen sein, ihre Kredite zurückzuzahlen und müssen verkaufen. Das könnte dazu führen, dass die Verkäufe der Produzenten in diesem Jahr sehr hoch ausfallen werden. Dabei berücksichtigt ist noch gar nicht die argentinische und brasilianische Ernte, die ebenfalls hoch ausfallen soll. Allerdings werden Sojabohnen in Südamerika erst ab März und April geerntet. Alles hofft also auf die Nachfrage, die die Preise stützen soll, und wenngleich die Exportverkäufe in den letzten Wochen auf einem hohen Niveau lagen, wird die Nachfrage die Preise in diesem Jahr wohl nicht stützen können.
Die Nachfrage
Die Entwicklung der Nachfrage zeigt drastische Unterschiede je nach Produkt. Sie steigt überproportional bei Sojaöl. Dabei spielt natürlich die chinesische Nachfrage eine entscheidende Rolle, die zurzeit mit über 10% stärker wächst als die chinesische Wirtschaft. Auch die Verarbeitung von Sojaöl zu Biodiesel spielt weltweit eine große Rolle, da sie überproportional wächst. Doch wer daraus positive Signale für Sojabohnen herausliest, liegt falsch. Denn bei der Produktion von Biodiesel fällt Sojamehl als Abfallprodukt an, das wiederum zu Viehfutter verarbeitet wird. Durch die Vogelgrippe in Asien mussten Hunderttausende Vögel notgeschlachtet werden – bis sich die Bestände wieder auf das alte Niveau erholt haben, werden noch Jahre vergehen, mit allen negativen Folgen für die Nachfrage nach Sojamehl. Die Sojamehlpreise fielen zuletzt auf das niedrigste Niveau seit Anfang 2005. Zu einem neuen Sechsjahrestief sind nur noch 9% Platz nach unten. Die Verarbeiter werden also vorsichtig mit Investitionen sein. Denn jede zusätzliche Produktion von Öl bringt zusätzliches und kaum verkäufliches Sojamehl, so dass der Mix aus beiden Produkten unrentabel werden könnte. Alternativen, wie z. B. die Verfütterung an Schweine, bestehen dann auch nicht mehr. Viel lohnender könnte da für die Weiterverarbeiter die Ethanolproduktion aus Mais sein, bei der kaum Rückstände anfallen, deren Verkauf für die Rentabilität der Produktion eine Rolle spielen könnte. Soja bleibt von der Nachfrageseite her ein heißes Produkt.
Zusammenfassung
Die Preise für Sojabohnen sind seit Jahresbeginn um über 13% gefallen. Es droht ein Überangebot, welches der Markt noch nicht erlebt hat. Noch nie in der Geschichte der Menschheit stand soviel Soja zur Verfügung, und es bleibt abzuwarten, ob staatliche Auffangfonds in einem solchen Umfeld ihre stützende Wirkung entfalten werden können. Die Sojapreise könnten im Rest des Jahres weiter fallen, es droht gar ein Unterschreiten der wichtigen Marke von 5 Dollar pro Scheffel. Konservativ gehebelte Short-Hebelzertifikate könnten sich als rentabel erweisen. Der Profi könnte Sojaöl long und Sojamehl short gehen, eine Strategie, die für den Privatanleger kaum umsetzbar ist, zumal er dann auch täglich die Preise überwachen müsste, um den richtigen Zeitpunkt zum Wiederausstieg nicht zu verpassen. Natürlich ist das Produkt „Soja“ aber langfristig weiter hoch interessant, und auch die Aussage, dass die chinesische Nachfrage überproportional und langfristig wachsen wird, gilt weiter. Einer Überproduktion bei Agrarrohstoffen folgen Niedrigpreise, die den Produzenten den Anreiz nehmen, erneut mehr anzupflanzen, was in Folge die Preise wieder in die Höhe treibt, und das Spiel beginnt mit höheren Anbauflächen und Produktionsvolumina von neuem. Sojaöl eignet sich besonders zur Herstellung von Biodiesel. Aus sieben Litern Sojaöl werden fünf Liter Biodiesel gewonnen. Das könnte ein exzellentes Verhältnis sein, wäre da nicht der Anfall von Sojamehl, das unverkäuflich bleiben könnte.
Artikel ursprünglich erschienen im Rohstoff-Report. Sie können sich kostenlos in den Verteiler des Rohstoff-Report eintragen unter
Jochen Stanzl - BörseGo GmbH
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