Kommentar
07:44 Uhr, 25.09.2017

So wird das nichts mit der Eurozone

Das Wachstum war in der Eurozone zuletzt überraschend stark. Das ist schön, verdeckt aber die wahren Probleme.

Die Lage war in der Eurozone bis vor kurzem noch richtig schlimm. Nun ist die Situation besser, aber immer noch nicht gut. Das größte Problem bleibt nämlich bestehen: die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der Länder.

Die Geldpolitik der EZB unterstützt das Wachstum. Auch ohne QE würden die meisten Wirtschaften vermutlich wachsen, wenn auch weniger. Das ist jedoch nur ein geringer Trost, denn die Zeit läuft davon. Damit die Eurozone nachhaltig bestehen kann, muss es eine Angleichung zwischen den Ländern geben.

Diese Angleichung oder Konvergenz muss vor allem bei der Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden. Gelingt das nicht, wird es immer wieder das gleiche Dilemma geben: für einige Länder ist der Euro zu stark, für andere zu schwach.

Die Geldpolitik sollte den Regierungen Zeit verschaffen, um Reformen anzustoßen. Diese Reformen sollten genau dieses Problem beheben. Davon ist wenig zu spüren. Man muss nur einige Kerngrößen vergleichen. Grafik 1 zeigt dazu den Anstieg der Löhne und Gehälter und der Sozialabgaben zwischen 2008 und 2016. In Deutschland ist diese Kenngröße seit 2008 um 18 % gestiegen.

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In Griechenland ging es in die andere Richtung mit -15 %. Ein Grieche verdient heute weniger als 2008. Die Löhne sind im Vergleich zu Deutschland wettbewerbsfähiger geworden. Das kann man von vielen anderen Ländern nicht behaupten. In Großbritannien – auch wenn es nicht in der Eurozone ist – ist diese Kenngröße um 28 % gestiegen.

Der Anstieg von Löhnen und Sozialabgaben ist nicht die einzige Größe, die relevant ist. Es kommt auch darauf an wie hoch die Inflation war. In Großbritannien stiegen die Preise im gleichen Zeitraum um 25 % (Grafik 2), will heißen, dass 25 % der Lohnsteigerungen von 28 % einfach auf höhere Preise zurückzuführen sind. Großbritannien ist also nicht um 28 % weniger wettbewerbsfähig geworden, sondern lediglich um 3 %.

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Das ist immer noch nicht das Ende der Geschichte. Es gibt da noch die Produktivität. Diese stieg in Großbritannien um 1,7 % an (Grafik 3). Für ein Pfund mehr Gehalt wird heute auch mehr produziert als 2008 – und zwar um 1,7 %. Real hat Großbritannien also nur 1,3 % an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. In Deutschland blieb sie im gleichen Zeitraum konstant.

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Irland konnte seine Position um 30 % verbessern. Irland ist also sehr viel wettbewerbsfähiger geworden. Das gilt auch für Spanien (13 %) und Griechenland (16 %). In Frankreich (3 %) kann man nicht von einem großen Sprung sprechen, ebenso wenig in Italien (3 %), den Niederlanden (3 %) und Portugal (6 %).

Es ist eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland, doch die Lücke ist noch lange nicht geschlossen. Bei derzeitigem Tempo braucht es noch viele Jahre, teils Jahrzehnte bis man von Konvergenz sprechen kann.

Die EZB kann wenig dazu beitragen. Sie kann nur hoffen, dass die Lohnsteigerungen in Ländern wie Deutschland höher ausfallen als in anderen Ländern. Danach sieht es nicht aus. Die Lohnzurückhaltung ist immer noch stark ausgeprägt. Um die Eurozone auf ein solides Fundament zu stellen, muss es eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit geben. Andernfalls wird für Deutschland der Euro immer zu schwach und für Italien zu stark sein. Das bringt die ewige Stagnation. Das ist kein überlebensfähiges Modell.

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2 Kommentare

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  • Sebastian Solter
    Sebastian Solter

    Sebastian Solter

    Ich lese die fundierten Ausführungen von Clemens Schmale sehr gern (und sehr oft), aber diesmal bin ich nicht ganz seiner Meinung. Die Eurozone ist nicht zur Stagnation oder gar "ewigen Stagnation" verdammt - wie er in seinem vorletzten Satz schreibt -, weil sich die Euro-Staaten unterschiedlich entwickeln. Er widerlegt das in seinem Artikel selbst, in dem er in seinen Grafiken zeigt, das sich durchaus die von ihm angeführten Euro-Staaten (außer Griechenland) auch wettbewerbsmäßig entwickelt haben. Auf einem ganz anderen Blatt steht freilich, ob sich die Euro-Staaten in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung annähern oder konvergieren (wie das ursprünglich bei der Euro-Gründung gedacht war). Ich denke, das war ein Wunschdenken, aber es macht die Eurozone nicht kaputt. Der Kapitalismus entwickelt sich nun mal seit Jahrhunderten ungleichmäßig. Und es wäre ja auch zu schön, wenn man nur einen Währungsraum zu schaffen brauchte, um eine gleichmäßige oder konvergierende Entwicklung der dazugehörenden Regionen zu erreichen. Die USA brechen auch nicht auseinander, weil sich die Bundesstaaten unterschiedlich entwickeln oder sehr unterschiedlich sind. Was die Eurozone wirklich bedroht, ist, dass, wenn Euro-Staaten in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, sie ganz allein auf sich gestellt sind. Es gibt dann zwar Kredite vom ESM (Stabilisierungsmechanismus), aber die sind mit harten Auflagen verbunden, und treiben die betroffenen Staaten noch mehr in die Rezession. Hier fehlen flankierende Maßnahmen, die die Erholung der notleidenden Staaten erleichtern (z.B. Bankenunion). Außerdem fehlen Institutionen, die überwachen, dass sich in einzelnen keine Blasen bilden (wie die Immobilienblase in Spanien). Näher ist das in Joseph Stiglitz: „Europa spart sich kaputt“ zu lesen, siehe dazu auch: www.oekonomie-kompakt.de, auf deren Website sich eine ausführliche Buchbesprechung zu Stiglitz' Buch befindet.

    16:18 Uhr, 28.09.2017
  • Karsten B.
    Karsten B.

    Natürlich wird das nichts! Das einzige was einen erfog haben könnte wäre eine Strategie wie man diese EU am besten ohne grossen Schaden abwickeln könnte. Solange dies nicht passiert werden die Schäden die aufziehen werden sehr gross werden.

    09:26 Uhr, 25.09.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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