Kommentar
13:04 Uhr, 17.12.2021

So rechnen sich Statistiker die Inflation schön!

An einer Inflationsrate von 5% ist nichts schön. Dieser Wert ist aber tatsächlich schöngerechnet. In Wirklichkeit liegt die Inflation viel höher.

Wenn Statistiker Inflationsdaten vorlegen, fragt man sich manchmal, ob die Zahlen wirklich stimmen können. Wer einkaufen geht, hat häufig den Eindruck, dass die Preise deutlicher gestiegen sind, als es die Inflationszahlen vermuten lassen. Das ist nicht nur ein Eindruck. Die offiziellen Inflationszahlen unterschätzen die Teuerung systematisch.

Wie das funktioniert, zeigt ein Beispiel. Wegen der Chipkrise sind momentan Neuwagen Mangelware und Gebrauchtwagen kosten aufgrund des Mangels fast so viel wie Neuwagen. Der Preisanstieg liegt bei Neuwagen in den USA bei 11 % und bei Gebrauchtwagen sogar bei mehr als 30 % auf Jahressicht.

Ob Auto oder andere Güter, mit der Zeit werden sie teurer, z.B. weil die Materialkosten steigen. Betrachtet man die Entwicklung von Neuwagenpreisen über einen längeren Zeitraum, wirkt die Preisentwicklung so, als ob sie weitaus mehr beinhaltet als nur gestiegene Inputkosten. Modelle, die bereits vor Jahrzehnten hergestellt wurden und immer noch verkauft wurden, haben sich in ihren Preisen in den letzten 50 Jahren mehr als verzehnfacht (Grafik 1).

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Der Verbraucherpreisindex für alle Güter und auch der Preisindex für Neuwagen hat sich seit den 60er Jahren nicht verzehnfacht (Grafik 2). Traut man dem Preisindex für Neuwagen, wie er von Statistikern berechnet wird, haben sich die Preise seit vielen Jahren eigentlich gar nicht verändert.

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2021 kommt es zum ersten Mal seit 30 Jahren zu einem Anstieg. Bis 2020 lag der Index noch auf dem Niveau aus dem Jahr 1994. Trotzdem ist der effektive Kaufpreis für Neuwagen gestiegen. Wie kann es sein, dass man mehr zahlt, es aber keine Inflation geben soll?

Dahinter steckt eine Anpassung der Preisdaten. Inflation soll ein neutrales Maß für Preisveränderungen sein, in der weder Mengen- noch Qualitätsveränderungen eine Rolle spielen. Bis zu einem gewissen Grad macht das Sinn. Ändert sich die Packungsgröße einer Ware und wird sie deswegen teurer, zahlt man pro Gramm nicht unbedingt mehr. Eine Bereinigung für die Veränderung der Packungsgröße ist angebracht.

Qualitätsveränderungen werden ebenfalls bereinigt. Wird ein Auto teurer, weil es ein neues oder besseres Fahrerassistenzsystem hat, ist das ein Qualitätsunterschied. Das gleiche Modell mit gleicher Ausstattung ist nicht teurer geworden.

Die Inflation spiegelt vergleichbare Produkte wider. Theoretisch ist das nachvollziehbar. In der Praxis zahlt man für den Neuwagen trotzdem mehr. Es ist unbestritten teurer geworden. So kommt es, dass etwa in den USA ein Durchschnittsbürger für den Kauf eines Neuwagens (z.B. Ford F-Series) im Jahr 2021 so lange arbeiten muss wie noch nie (Grafik 3). Die reale Kaufkraft des Einkommens in Bezug auf ein Auto ist über die Jahrzehnte nicht gestiegen, sondern gesunken, obwohl der Verbraucherpreisindex für Neuwagen etwas ganz anderes sagt.

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Qualitätsanpassungen gibt es für viele Güter und Dienstleistungen. In den USA wird fast die Hälfte aller Waren und Dienstleistungen um Qualitätsveränderungen bereinigt. Das macht kurzfristig nur einen kleinen Unterschied. Langfristig sind die Unterschiede jedoch enorm, wie der Vergleich vom Verbraucherpreisindex für Neuwagen mit dem tatsächlichen Neuwagenpreis zeigt.

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2 Kommentare

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  • mariahellwig
    mariahellwig

    Würde die Inflation nach dem gleichen Schlüssel wie vor 1980 berechnet, läge sie heute bei 15!%.

    11:44 Uhr, 18.12. 2021
  • mariahellwig
    mariahellwig

    Bei Computerhardware ist der Effekt noch größer, weil die Qualitätsgewinne größer sind.

    13:12 Uhr, 17.12. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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