Kommentar
22:00 Uhr, 05.02.2008

So ermittelt man charttechnische Kursziele - Preisalternationen I

Projektionen von Preisalternationen projizieren Proportionen eines vergangenen Preisschwunges, der in die gleiche Richtung verläuft wie der aktuelle Preisschwung. Insofern werden mit der Projektion von Preisalternationen entweder trendgerichtete Preisschwünge oder gegen den Trend gerichtete Preisschwünge miteinander verglichen. In der Abbildung 1 zeigt ein Schema die Projektion einer Preisalternation.

Abbildung 1: 61,8%-, 100%%-, 141,4%- und 161,8%-Preisalternationen des Preisschwunges AB

Preisalternationen werden im Gegensatz zu den Preiskorrekturen und Preisextensionen von drei Punkten oder vorangehenden Hochs und Tiefs in einem Markt projiziert.

Wie werden Preisalternationen bemessen?

  1. Bemessen Sie die Spanne des Preisschwunges der projiziert werden soll.

  2. Multiplizieren Sie diese Spanne mit den Fibonacci- und Quadratwurzel-Verhältniswerten.

  3. Addieren oder subtrahieren Sie das Ergebnis vom dritten Punkt, welcher entweder ein korrektives Hoch oder Tief ist. Im Schema der Abbildung 1 gingen Sie wie folgt vor: Wenn Sie die Spanne A-B projizieren, dann addieren Sie das Ergebnis zum korrektiven Tief bei Punkt C. Auf diese Weise würden Sie die Proportionen des trendgerichteten Preisschwunges ab Punkt C mit dem Preisschwung A-B miteinander vergleichen. Sie vergleichen also immer nur Preisschwünge, die in dieselbe Richtung verlaufen, miteinander.

Es folgen praktische Beispiele für Preisalternationen.

In der Abbildung 2 sehen Sie die ersten beiden Bärenmarkt-Rallyes im S&P 500 Index seit dem Allzeithoch im März 2000. Die März 2001-Bärenmarktrallye hatte ein Ausmaß von 234 Punkten. Die nächste Bärenmarktrallye startete im September 2001. Diese Bärenmarkt-Rallye führte 232 Punkte, also um das (fast) das gleiche Ausmaß wie die erste Bärenmarkt-Rallye nach oben. Die Rallyes waren demzufolge symmetrisch. Symmetrische Preisbewegungen finden Sie immer wieder in ihren Charts. „Symmetrie“ in Charts bedeutet soviel wie Ähnlichkeit und manchmal auch Gleichheit. In Anlehnung an Preisalternationen sprechen wir auch von einer 100%-Preisalternation oder von gleichbemessenen Kursbewegungen.

Abbildung 2: S&P 500 Index (SPX). Gleichbemessene Kursbewegungen der beiden Bärenmarkt-Rallyes. 100%-Preislaternation.

Wenn Sie das absolute Ausmaß der Kursrallyes von zum einen 234 Punkten und zum anderen von 232 Punkten betrachten, so fällt auf, dass beiden Kurs-Rallyes in unmittelbarer Nähe der Fibonacci-Zahl 233 liegen. Dieses Prinzip finden Sie auch im Chart des Dow Jones Industrial Average wieder: Vom Allzeithoch bis zum Zwischenhoch im September 2000 vergehen 34 Wochen (233+3 Handelstage). 34 ist auch eine Fibonacci-Zahl. Ein weiteres Beispiel: Vom September 2000-Hoch bis zum September 2001-Tief dauert es 54 Wochen (377 + 3 Handelstage). 55 und 377 sind Fibonacci-Zahlen. Vom September 2001-Tief bis zum Oktober 2002-Tief dauert es wiederum 55 Wochen (377 + 6 Handelstage). Die beschrieben zeitlichen Ausdehnungen finden Sie in Abbildung 3 verdeutlicht.

Lassen Sie uns nun die dritte große Rallye seit dem Allzeithoch, nämlich die März 2003-Rallye in einem Tages-Intervall auf Preisalternationen untersuchen. In Abbildung 4 sehen Sie, dass diese Rallye ebenfalls aus symmetrischen Kursbewegungen bestand. Die letzten zwei Aufwärtsbewegungen sind so groß wie die anfängliche Kursbewegung.

Abbildung 3: Symmetrische Aufwärtsbewegungen der März-2003-Rallye. 100%-Preisalternationen.

Wenn wir uns diese März 2003-Rallye genauer ansehen und die Preiskorrekturen nach den einzelnen Aufwärtsbewegungen analysieren, dann können wir feststellen, dass die anfängliche Kurskorrektur 21. März 2003 52,22 Punkte beträgt, siehe Abbildung 5. Die erste Preisalternation am 16. Mai 2003 beträgt 70,7% zur anfänglichen Korrektur, die am 21. März beginnt. 70,7% ist ein Verhältniswert, der von der Quadratwurzel aus 2 reziprok abgeleitet wird (1 : √2 = 0,707). Die zweite Preisalternation, welche am 17. Juni 2003 beginnt, ist eine 100%-Preisalternation zur ersten Korrektur, denn sie besitzt das gleiche Ausmaß. Nach dieser symmetrischen Korrektur steigt der Index erneut an und testet ein altes Hoch.

Solange das Ausmaß vergangener Preiskorrekturen gleichen Grades in einem Aufwärtstrend nicht überschritten wird, sprechen wir von einer intakten bullishen Symmetrie. Im umgekehrten Fall sprächen wir von einer intakten bearishen Symmetrie. Symmetrische Korrekturbewegungen deuten an, wann eine Korrektur beendet sein dürfte. Somit sind sie uns dabei behilflich, den Einstieg in den übergeordneten Trend zu finden. Erst wenn das Ausmaß einer vergangenen Korrektur überschritten würde, sprächen wir von einer gebrochenen Symmetrie. Dazu müsste der Index signifikant mehr als 52,22 Punkte nachgeben. Erst in diesem Falle wäre gemäß dem Prinzip der intakten Symmetrie der Index als bearish zu beurteilen.

Abbildung 4: S&P 500 (SPX), Tages-Intervall. März-2003-Rallye. Geometrie der Preiskorrekturen. 70,7%-Quadratwurzel-3-Preisalternation und 100%-Preisalternation

In den Abbildungen 6 und 7 finden Sie Beispiele für gebrochene Symmetrien. Die Charts zeigen den Dow Jones Industrial Average (INDU) und den S&P 500 Index (SPX) in einem Stunden-Intervall zum Zeitpunkt des Oktober 2002-Tiefs. Das Ausmaß der vorausgehenden Kurskorrekturen im übergeordneten Abwärtstrend wird jeweils einen Tag nach dem Tief vom 10. Oktober 2002 überschritten. Mit anderen Worten: Die bearishe Symmetrie der korrektiven Rallyes von 509 beziehungsweise 53 Punkten wird gebrochen und deutet uns eine Marktumkehr an. Solange diese Symmetrie nicht gebrochen ist, haben wir einen Grund anzunehmen, dass der übergeordnete Abwärtstrend intakt ist. Insofern dient die Symmetrie nicht nur der Findung von potenziellen Einstiegspunkten in den übergeordneten Trend, sondern auch der Findung von Trendwechseln und dem Ausstieg aus einem alten Trend oder dem Einstieg in einen neuen Trend. SPX und INDU sollten sich dabei nach Möglichkeit, wie in diesem Beispiel, einander bestätigen und ungefähr zum gleichen Zeit ihre intakte Symmetrie brechen.

Zusätzlich zu der Preissymmetrie können zwei gleichbemessene Kursbewegungen auch eine Zeitsymmetrie aufweisen. Mit anderen Worten: Die gleichbemessenen Kursbewegungen dauern gleich lang. Insofern funktioniert das „Werkzeug“ Symmetrie auch auf der Zeitseite und liefert eine weitere Indikation, dazu an späterer Stelle mehr.

Abbildung 5: Dow Jones Industrial Average (INDU), Stunden-Intervall. Bruch der intakten bearishen Symmetrie indiziert am Tag nach dem Tief vom 10. Oktober 2002 einen Trendwechsel.


Abbildung 6: S&P 500 Index (SPX), Stunden-Intervall. Bruch der intakten bearishen Symmetrie indiziert Trendwechsel.

Beachten Sie bei dem Prinzip der symmetrischen Kursbewegungen, dass diese in der Regel umso ungenauer werden, je kleiner das Zeit-Intervall gewählt wird. Dabei können marktdynamische Eigenschaften sowie der ausgewählte Markt eine Rolle spielen. Sind 100%-Preisalternationen und gebrochene Symmetrien im Monats-, Wochen-, Tages- und Stunden-Intervall im Allgemeinen recht genau, so kann das Prinzip in einem 15-Minuten-Intervall an Präzision verlieren wie die Abbildung 8 anhand des NASDAQ-100 Index zur Zeit des Oktober-2002-Tiefs beispielhaft demonstriert.

Abbildung 7: NASDAQ 100 Index (NDX), 15-Minuten-Intervall. Symmetrie korrektiver Mini-Rallyes. Beachten Sie, dass die korrektiven Preisschwünge vor Eintritt in eine Stauzone (rechteckig markiert), in welcher Akkumulation stattfindet, zwischen 17 und 23 Punkten betragen. Der Bruch der bearishen Symmetrie erfolgt mit einer Aufwärtsbewegungen von 32 Punkten in der Stauzone, aber der Kurs kehrt wieder um. Erst mit dem Austritt aus der Stauzone und dem Überwinden eines früheren Hochs gewinnt der Index an Aufwärtsdynamik.

Abschließend muss angemerkt werden, dass – so simpel und verlockend das Konzept der Preissymmetrie sein mag – es neben weiteren Preis- und Zeit-Werkzeugen nur als eine zusätzliche Indikation für die Richtung des Marktes angewendet werden darf. Handeln Sie also nie lediglich aufgrund einer Preissymmetrie, denn es kann sein, dass sich ein Szenario nicht in ihrem Sinne bewahrheitet! Vielmehr sollten Sie auf Bestätigungen durch Überlappungen verschiedener Preisprojektions-Levels und Zeitprojektionen sowie weitere Methoden der Technischen Analyse achten. Darüber erfahren Sie demnächst mehr. Brüche einer bullishen oder bearishen Symmetrie müssen nicht immer zwangsläufig in eine Umkehr des übergeordneten Preisschwungs resultieren. Symmetriebrüche weisen in erster Linie auf neue Preisstrukturen hin. Ein „blindes“ Handeln ausgehend von Symmetrie-Niveaus kann sich negativ auf ihr Tradingkonto ausüben. Sie sollten über ausgefeilte Ein- und Ausstiegstechniken verfügen. Ebenso sollten Sie unbedingt ein striktes Positionsmanagement beherrschen.

In der nächsten Abbildung 8 sehen Sie eine 44,7%-Quadratwurzel-5-Preisalternation in einem 5-Minuten-Intervall des S&P 500-Futures (September 2003-Kontrakt). Sie sehen, dass der Futures exakt an der 44,7%-Quadratwurzel-5-Preisalternation umkehrt.

Abbildung 8: S&P 500 Futures (September 2003-Kontrakt), 5-Minuten-Intervall. 44,7%-Quadratwurzel-5-Preisalternation

Abbildung 9 zeigt ein Beispiel für eine 50%-Fibonacci-Preisalternation im S&P 500 Index. Mit Hilfe dieser Preisprojektions-Methode konnte eine Indikation für das Tief im März 2003, den Ausgangspunkt einer großen Rallye, abgeleitet werden. Der Index verlor während des Preisschwunges vom 18. Februar 2003 zum 12. März 2003 genau halb so viel wie im Preisschwung vom 13. Januar 2003 zum 13. Februar 2003.

Abbildung 9: S&P 500 Index (SPX), Tages-Intervall. Die 50%-Fibonacci-Preisalternation indiziert den Beginn einer großen Bärenmarkt-Rallye ab März 2003.

Betrachten wir den S&P Index zum Zeitpunkt des März-2003-Tiefs, dem Ausgangspunkt einer großen Rallye, genauer, so werden wir noch eine andere wichtige Preisalternation feststellen können. Es handelt sich um die 173,2%-Quadratwurzel-3-Preisalternation des Preisschwunges vom 2. Dezember 2002 zum 31. Dezember des gleichen Jahres, siehe Abbildung 10.

Abbildung 10: S&P 500 Index (SPX), Tages-Intervall. 173,2%-Quadratwurzel-3-Preisalternation des Preisschwunges vom 2. Dezember 2002 zum 31. Dezember 2001 indiziert eine Unterstützung am 12. März 2003.

...Fortsetzung folgt Autor: Frank Thönnißen - Co-Investment Advisor bei STRADIVARI (Luxemburg)

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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