Kommentar
16:35 Uhr, 29.07.2015

Skandal um US Notenbank

Die Republikaner wollen die Notenbank an die Leine nehmen. Nach ihren Vorstellungen soll die Zentralbank mehr Rechenschaft ablegen müssen und jederzeit geprüft werden können. Bisher wehrt sich die Fed erfolgreich gegen diesen Vorstoß, doch ein neuer Skandal spielt den Republikanern in die Hände.

Die internationale Presse stürzte sich am vergangenen Wochenende auf ein Thema, welches noch lange Wellen schlagen wird. Der Grund: die US Notenbank hat den nächsten Skandal am Hals. Schuld daran ist nur sie allein, denn ihr unterlief im Juni ein ziemlich peinlicher Fehler.

Nach den alle 6 Wochen stattfindenden FOMC Sitzungen werden von der Fed unterschiedlichste Daten und Dokumente veröffentlicht. Dazu gehört zuallererst das FOMC Statement. Danach werden nach und nach Datensätze veröffentlicht, auf deren Grundlage die Notenbanker ihre Prognosen zuvor erstellet haben. Die eigentlichen Prognosen werden dann mit dem Sitzungsprotokoll mehrere Wochen später veröffentlicht.

Ein Datensatz, der für gewöhnlich nicht veröffentlicht wird, war dieses Mal unter den Dokumenten zu finden. Es handelte sich dabei um die Prognosen des Fed Personals in Bezug auf das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Arbeitslosigkeit. Diese Prognosen der von der Fed beschäftigten Analysten und Ökonomen werden normalerweise erst mit einer erheblichen Zeitverzögerung an die Öffentlichkeit gegeben.

Laut interner Vorgaben werden die Schätzungen des Personals (Fed Staff) erst 5 Jahre nach deren Entstehen veröffentlicht. Bis Ende Juni waren die aktuellsten Schätzungen, die man einsehen konnte, die Schätzungen aus dem Jahr 2009 für den Zeitraum 2009 bis 2010. Ende Juni wurde mit den internen Vorgaben unbeabsichtigt gebrochen, indem die Schätzungen für die kommenden 5 Jahre veröffentlicht wurden. Als wäre das nicht schon Skandal genug, waren die veröffentlichten Daten auch noch falsch. Sie wurden am 24.7. in einer zweiten Veröffentlichung korrigiert.

Für die Republikaner kommt dieser Datenskandal zur rechten Zeit. Sie wollen schon lange eine stärkere Kontrolle der Notenbank. So soll die Notenbank z.B. jederzeit geprüft werden dürfen. Bisher ist es nicht möglich, die Fed von der Finanzaufsicht einfach so prüfen zu lassen. Man kann sich auch fragen, ob das überhaupt Sinn macht, da die Fed selbst gewisse Aufsichtsfunktionen übernimmt.

Die Veröffentlichung an sich ist gar nicht so sehr das Problem. Vielmehr ist das Problem, dass die Fed wiederholt Regeln bricht. Sie tut das höchstwahrscheinlich unabsichtlich, aber das macht es fast noch schlimmer, denn das bedeutet nichts anderes, als dass die internen Kontrollmechanismen nicht funktionieren.

Die Prognosen der Fed Analysten sind internes Material bis sie 5 Jahre veraltet sind. Erst dann dürfen sie im Rahmen des sogenannten Greenbooks veröffentlicht werden. Wenn nun die Veröffentlichung 5 Jahre zu früh stattfindet, dann müssen intern einige Prozesse komplett versagt haben. Die Optik ist schief.

Der aktuelle Fall ist nicht der einzige, den die Fed zu verdauen hat. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Pannen, bei denen die Fed etwas veröffentlichte, was sie nicht hätte veröffentlichen dürfen oder veröffentlichen wollen. Das ist insbesondere kritisch, weil die Fed für Banken eine gewisse Aufsichtsfunktion übernimmt. Dazu gehören die Bankenstresstests, die nicht nur die Kapitaldecke überprüfen, sondern auch die internen Prozesse der Banken. Beim letzten Stresstest fiel die Deutsche Bank durch, weil ihr mangelnde interne Kontrollmechanismen und fehlendes Risikomanagement attestiert wurden.

Unabsichtliche und widerrechtliche Veröffentlichungen von Daten sind ein gutes Beispiel für mangelnde Prozesskontrolle und schlechte Risikomanagement. Wenn die Fed nun den Banken erklären soll wie sie am besten ihr Risiko managen, aber selbst auf ganzer Linie versagt, dann ist das nicht sonderlich glaubwürdig.

Die Republikaner haben nun einen guten Vorwand ihre Agenda weiter voranzutreiben und stärkere Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Notenbank durchzusetzen. Grundsätzlich ist die Idee gut, dass auch Notenbanken mehr Rechenschaft ablegen müssen. Es ist allerdings nicht gut, wenn sie das vor der Politik tun müssen und diese dann ggf. Maßnahmen ergreifen kann. Eine Beeinflussung der Geldpolitik direkt durch die Politik, die als mögliche Folge am Ende des Prozesses steht, ist strikt abzulehnen. Eine zu enge Verbindung von Politik und Notenbank schreit nach Missbrauch.

Sieht man nun einmal von dem Lapsus der Notenbank ab, dann kann man sich einmal mit dem Inhalt der Daten, die veröffentlicht wurden, auseinandersetzen. Das lohnt sich deutlich mehr als die Debatte, ob der Fed ihre eignen Prozesse aus dem Ruder laufen.

Die Prognosen der Fed Analysten sind ziemlich gut, vor allem, wenn man bedenkt, dass sie nicht nur die nächsten zwei oder drei Quartale prognostizieren, sondern mehrere Jahre. Drei der Zeitreihen sind in den Grafiken dargestellt. Grafik 1 zeigt die Prognosen der Arbeitslosenquote von 1979 bis Ende 2008. Die Prognosen zeigen immer jene Vorhersagen, die am weitesten in die Zukunft reichen. Dadurch ergeben sich teils größere Sprünge in den Daten.

Die Zuverlässigkeit der Prognosen ist überraschend hoch. In Extremsituationen wie 2008 versagen die Modelle für gewöhnlich. Verwunderlich ist das nicht. Die letzte verfügbare Datenreihe beginnt Anfang 2007 und reicht bis Ende 2008. Man kann den Analysten nicht unbedingt vorwerfen, dass sie im ersten Quartal 2007 noch nicht den beinahe Zusammenbruch des Weltfinanzsystems anderthalb Jahre später vorhersahen.

Je nach Datenreihe kann man eine gewisse Systematik feststellen. Die Arbeitslosenrate wird regelmäßig zu hoch angesetzt. So kann man mit einer gewissen Zuversicht davon ausgehen, dass die Arbeitslosenrate in den USA schon bald unter 5% sinken wird. Die Prognose bis 2020, die noch gar nicht hätte veröffentlicht werden dürfen, zeigt eine recht konservative Erwartung. Demnach würde die Quote bis 2019 nur noch marginal sinken. Bei der aktuellen Dynamik des Arbeitsmarktes ist das etwas zu vorsichtig. Vor der nächsten Abkühlung der Wirtschaft sollte die Quote deutlich unter 5% fallen.

Bei der Inflation zeigen sich die Prognosen ebenfalls recht zuverlässig. Hier ist keine systematische Über- oder Unterschätzung zu erkennen. Vielmehr zeigt die Prognose ungefähr den Mittelwert der dann tatsächlich realisierten Inflation. Interessant an der Datenreihe ist die Perspektive bis 2020. Die Notenbank selbst spricht bei der aktuell niedrigen Inflation immer wieder von vorübergehenden Effekten. Die Prognosen bestätigen das so nicht. Bis 2020 nähert sich die Inflation nicht wieder dem Zielwert von 2% an. Von vorübergehend kann dann kaum mehr die Rede sein.

Nicht ganz so gut sind die Prognosen des Wirtschaftswachstums. In der Tendenz stimmen die Erwartungen. Die einzelnen Abweichungen sind jedoch recht erheblich. Entgegen den Prognosen von Banken sieht das Fed Personal 2015 nur ein Wachstum von 1,5%. Die meisten Institute sehen das Wachstum eher bei 2,5 bis 3%. Trifft die Fed Prognose auch nur ansatzweise zu, dann wird der Markt dieses Jahr noch bitter enttäuscht werden. Eine Korrektur an den Börsen würde sich kaum vermeiden lassen.

Die EZB hat die Zuverlässigkeit der Fed Prognosen im vergangenen Jahr übrigens untersucht und kam zu dem Schluss, dass die Analysten der US Notenbank akkuratere Prognosen machen als private Banken und Investmentgesellschaften. Die Schätzungen des Fed Personals hätten also einen großen Wert für den Markt. Leider werden sie nur mit 5 Jahren Verzögerung veröffentlicht.

Durch die unabsichtliche Veröffentlichung und den Druck der Republikaner versucht die US Notenbank die Flucht nach vorne. Sie kann sich vorstellen die Prognosen regelmäßig und zeitnah zu veröffentlichen. Das würde auch der Transparenz dienen, die von den Republikanern gefordert wird. Die Veröffentlichung von Prognosen wird in Bezug auf Transparenz gewiss nicht ausreichen, doch es wäre ein Anfang und den Markt würde es ebenfalls freuen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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