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Als der Euro als Einheitswährung ausgewählter europäischer Länder beschlossen wurde, formierte sich in den USA sogleich eine Allianz von Wissenschaftlern und Politikern, die dem Gegenpart zum US-Dollar die Apokalypse prophezeiten: Der Euro werde an seinen inneren Widersprüchen und Konflikten der Staaten innerhalb der Euro-Zone zerbrechen. In den letzten Jahren entpuppte sich die angebliche Totgeburt allerdings als quicklebendig, während das US-Pendant wie ein Währungs-Zombie wirkte. Die dramatische Verschärfung der Finanzkrise gibt jedoch Anlass, erneut über den Euro nachzudenken.
Inzwischen kommt es nämlich im Euro-Raum zu einer sehr beunruhigenden Entwicklung: Der Spread zwischen den Zinsen für Staatsanleihen der verschiedenen Staaten weitet sich derart aus, dass man sich an Vor-Euro-Zeiten erinnert: So muss Griechenland ganze 3% mehr für seine Staatsanleihen bieten als Deutschland, das traditionell als Stabilitätsmusterland gilt. Auch Italien und Spanien leiden besonders. Eine solche Spreizung galt bisher als undenkbar, weil es einen unausgesprochenen Konsens im Markt gab – kein Euro-Land wird pleite gehen, die Gemeinschaft wird die Problematik gemeinsam lösen. Das Vertrauen in eine solche Lösung ist offensichtlich erheblich gesunken.
Die alten Problemfälle sind auch die neuen Problemfälle – früher hätten diese Staaten ihre Währungen erheblich abgewertet, um den Export anzuheizen. Das geht nicht mehr, und schon werden Stimmen laut, die einen Ausstieg diverser Länder aus der Euro-Zone erwarten.
Aber ist das realistisch? Der erneute Umstellungsaufwand wäre gigantisch. Die Bonität der Staaten würde eher noch weiter sinken. Und die Altschulden sind ja weiterhin in Euro denominiert, während die „neue“ Währung, sei es Lira oder Drachme, schon als gebrechliche Schwach-Valuta auf die Welt käme. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass zwar die Staaten momentan Zinsaufschläge zahlen, das Finanzwesen aber weiter von der Niedrigzinspolitik der EZB profitiert – auch eine griechische Bank refinanziert sich bei der Zentralbank zu den gleichen Konditionen wie eine deutsche. Kurzum: Jede Regierung, die freiwillig die Euro-Zone verlässt, begeht nicht weniger als fiskalischen Selbstmord.
Viel realistischer ist der andere Weg: Weitere Staaten werden den Euro-Raum als eine Art finalen Rettungsschirm suchen. Selbst in Großbritannien werden derartige Stimmen laut. Das britische Pfund, einst Stolz des Inselreiches, sieht extrem angeknockt aus. Es gibt allerdings einen sehr wichtigen Faktor, der die Briten von einem Aufnahmeantrag abhalten wird (neben ihrem unzerstörbaren Stolz): Sie wollen ihre Fähigkeit nicht verlieren, neues Geld zu drucken – was momentan in erheblichem Ausmaß passiert. Die Einführung des Euro würde die Bank of England zu einer ausführenden Regionalbank der EZB degradieren, incl. Aufgabe der eigenen Geldpolitik. Die Probleme auf der Insel, die sich der produzierenden Industrie in weiten Teilen entledigt hat und besonders auf den Finanzdienstleistungsbereich spezialisiert ist, sind jedoch so immens dass die Zentralbank noch viele frische Pfund drucken wird – sie muss! Die Inflation auf der Insel wird in den nächsten Jahren zum massiven Problem – stark erhöhte Geldmenge im Inneren, und die Importe verteuern sich deutlich wegen der Pfundabwertung.
In ganz Europa scheint es derzeit nur ein Land zu geben, dass auch mit eigener Währung stark dastehen würde – die Währung würde trotz niedrigster Zinsen sogar massivst aufwerten: Sie leben in diesem Land.
Daniel Kühn - Redaktionsleitung http://www.tradersjournal.de und CFD&Forex-Report
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