„Sell in Summer“ : saisonales Market Timing
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Fundamentale Kennzahlen wie das Kurs-Gewinnverhältnis (KGV), der Marktwert oder das Verhältnis von Buchwert zu Marktwert können in entscheidendem Maße den Erfolg eines Investments in Aktien mitbestimmen. Ebenso beeinflussen charttechnische und börsenpsychologische Phänomene den Markt. Ein weniger beachtetes aber auch unter Fachleuten umstritteneres Phänomen sind Kalenderanomalien. Die bekannteste dieser Phänomene ist der häufig untersuchte Halloween-Effekt, den viele durch den aus den USA bekannten Börsenspruch kennen „Sell in may and go away, but remember to come back in Sankt Legers Day“. Eine speziell für den deutschen und europäischen Markt zugespitzte Variante ist die „Sell in Summer“-Strategie, bei der empfohlen wird, sein Depot nicht im Mai wie in der „Sell in may“. Strategie sondern Ende Juli glatt zu stellen und dann in den Urlaub zu fahren und erst wieder Ende September/Anfang Oktober an den Markt zurückzuführen.
Studien bestätigen saisonale Strategien
Zurückzuführen ist diese saisonale Marktstrategie auf der Tatsache, dass zahlreiche, langfristige Studien ergaben, dass sich die Börsen in den Sommermonaten eher unterdurchschnittlich entwickeln und gerade in diesen Monaten die häufigsten Kursstürze erleben. In den vergangenen Jahren waren dies die Asienkrise im Sommer 1997, die Russlandkrise im August 1998, der Börsencrash im September 2001 nach dem Einsturz des World Trade Centers, die Lehman Brothers Pleite im September 2008 oder vergangenes Jahr im August die Kursrückgänge im Zuge der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA.
Stellt man sein Depot glatt, kann man ganz entspannt in den Urlaub fahren und braucht so Konsolidierungen nicht zu fürchten. So untersuchte Ben Jacobsen, Finanzprofessor an der Massey University in Neuseeland, dieses Phänomen an 37 Börsen der Welt. Dabei kam er zu dem eindeutigen Ergebnis, dass sich die Börsen im Sommer eindeutig schlechter entwickelten als im Winter. In England ist dieser Trend bereits seit dem Jahr 1694 zu beobachten. Die Investmentbank ABN Amro sieht die Ursache dafür mit Verweis auf entsprechende Untersuchungen in dem Verhalten von institutionellen Investoren. Danach investieren Großinvestoren wie Pensionsfonds oder Versicherungen vorrangig im ersten (32 Prozent) sowie im vierten Quartal (29 Prozent). Zu Jahresbeginn positionieren sich die Fondsmanager im neuen Jahr auch im Hinblick auf die herankommende Dividendensaison, im letzten Quartal erfolgt dann das sogenannte „Window Dressing“, in dem die Manager versuchen, noch an der einen oder anderen Stellschraube drehen, um ihr Depot in der Wertentwicklung für den Anleger besser aussehen zu lassen. Zudem setzen professionelle Anleger auf Sicherheit, wenn sie in den Urlaub gehen.
18,7 Prozent seit 1988
Wer die „Sell in Summer“-Methode in Deutschland zwischen 1988 bis Ende 2005 befolgte, so das Ergebnis einer Studie, erzielte eine durchschnittliche Jahresrendite von 18,7 Prozent und ließ damit den DAX weit hinter sich. Nicht einbezogen in diese Rechnung sind allerdings Steuerzahlungen und anfallende Transaktionskosten. Das positive an dieser Methode: sie lässt sich bequem mit dem jährlichen Rebalancing des Depots verknüpfen. Ein Abweichen von der jeweiligen gewählten langfristigen Anlagestrategie ist dafür also nicht erforderlich.
Noch mehr Anomalien
Weniger bekannte Kalenderanomalien sind der Januar-Effekt, der Montags-Effekt, der Monatswechsel-Effekt sowie der Feiertagseffekt. Solche Phänomene untersuchte eine Arbeit von Christian Salm und Jörg Siemkes in ihrer Untersuchung „Persistenz von Kalenderanomalien am deutschen Aktienmarkt“. So fanden sie beispielsweise heraus, dass gerade kleinere Aktientitel aus dem SDAX in den vergangenen Jahren einen ausgesprochen Januar-Effekt aufwiesen. Das heißt, im Januar eines jeden Jahres waren die Renditen deutlich besser als im restlichen Jahr. Und ein Vorzieheffekt durch antizipatorisches Vorwegnehmen dieses Effektes durch Investoren, wie dies teilweise auf dem amerikanischen Markt der Fall ist, konnte in Deutschland nicht nachgewiesen werden. Nicht bestätigt für den deutschen Markt wurde der in früheren Jahren existierende Montag-Effekt, an dem Börsenkurse am ersten Wochentag deutlich besser performen. Dafür ist der Monatswechsel- als auch Feiertags-Effekt nach wie vor stark ausgeprägt. So sind die Durchschnittsrenditen der ersten und letzten Handelstage eines Monats oder an Feiertagen deutlich höher als in anderen Zeiten.
Um solche Effekte, wie den „Sell in Summer“- bzw. Halloween-Effekt für den Anleger investierbar zu machen, legte die Deutsche Börse am 14. Juni 2005 den DAXplus Seasonal Strategy Index auf. Investiert wird dabei jeweils nur in den Zeiträumen von Oktober bis Juli des folgenden Jahres. Am letzten Tag im Juli wird der Indexwert bis zum letzten Tag des Septembers festgeschrieben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zwar konnte der Index in den rasanten Börsenjahren nicht ganz mithalten, dafür erzielte er eine deutliche Outperformance in den schwierigen Jahren 2008 und 2011, in dem er die Sommerabwärtstrend nicht mitmachte. Korrigierte der DAX im Jahre 2008 um über 40 Prozent, so erlitt der DAXplus Seasonal Strategy nur knapp 33 Prozent Verluste. Den größten Unterschied gab es 2011. Hier fiel der DAX in Höhe von 14,70 Prozent während der DAX Seasonal Strategy Index sogar 11 Prozent zulegen konnte. Allein diese beiden Jahre machte die Underperformance in den übrigen Jahren mehr als wett. Unter dem Strich legte der DAX seit Juni 2005, also der Auflage des DAXplus Seasonal Strategy, 37,48 Prozent zu. Der Saisonstrategieindex konnte diesen mit 63,03 Prozent locker outperformen. Damit erwirtschaftete der DAXplus Seasonal Strategy in den rund sieben Jahren des Bestehens eine Überrendite von rund 25,5 Prozent.
Strategien über Zertifikate investierbar
Investieren in solche Saison-Strategien wie „Sell in Summer“ kann man als Anleger bisher lediglich über Zertifikate. Eines davon ist das Open End-Zertifikat der HypoVereinsbank (WKN: HV1DB6) auf besagten DAXplus Seasonal Strategy Index der Deutschen Börse, das 2010 aufgelegt wurde. Ältestes Produkt auf Saison-Strategien ist das DAX Best Seasons Open End Zertifikat (WKN: 559282). Hier investiert das Produkt in den DAX nur in den Monaten November bis Juli jeden Jahres, ansonsten wird wie bei dem HVB-Zertifikat in den Geldmarkt investiert. Eine etwas andere, flexiblere Auslegung einer Saisonstrategie verfolgt ein WestLB-Zertifikat (WKN: WLB8CZ). Hier gelten 2 Regeln: Zu 100 Prozent investiert sein im DAX muss das Zertifikat jeweils am ersten Handelstag der Monate April und Oktober. Fällt der DAX auf Schlusskursbasis um mehr als 8 Prozent, wird am nachfolgenden Tag vollständig in den Geldmarktzinssatz EONIA umgeschichtet. Bei Erholung auf seinen alten Referenzstand wird dann wieder automatisch in den DAX umgeschichtet. Das hat einerseits den Vorteil, dass in Börsenboomjahren ohne Sommereinbruch der Anleger nicht aus dem DAX aussteigt, auch Einbrüche in anderen Börsenphasen werden flexibel erfasst, andererseits muss der Anleger Verluste von bis zu 8 Prozent mittragen.
Markus Jordan
Chefredakteur Portfolio Journal
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