Kommentar
12:02 Uhr, 19.05.2011

Scope deckt bei Emittenten noch viele Schwachpunkte auf

Über die mittlerweile unfassbaren 701.117 Ende April an der EUWAX gelisteten verbrieften Derivate aus insgesamt 33 Zertifikateschmieden wird ständig berichtet. Dagegen werden die Verantwortlichen dieser „Produktschwemme" nur einmal jährlich dafür aber umso eingehender von Scope Analysis unter die Lupe genommen und auf Herz und Nieren überprüft. So mussten sich auch in diesem Jahr wieder die 20 wichtigsten Emittenten in Sachen Management-Qualität stellen und sich ein mehr oder weniger gutes Rating abholen. Basierend auf den drei Ratingpanels Struktur, Kompetenz und Performance wurden beispielsweise Kriterien untersucht, wie die Professionalität des Managements, die Produktkompetenz oder die Prozessqualität, aber auch die nach Lehman für Anleger besonders wichtige Risikokontrolle und Finanzstruktur standen ebenso auf dem Prüfzettel wie die Informationsqualität und der Kundenservice.

Freude dürfte in der Gesamtbetrachtung sicherlich am meisten bei den drei Ersten im Bunde der Commerzbank als Sieger mit AA+, sowie dahinter folgend der HSBC Trinkaus (AA) und dem Drittplazierten der DZ Bank ebenfalls mit AA aufgekommen sein, wobei die „Gelben" v.a. beim Pricing sowie bei den Emissions- und Risikokontroll-Prozessen ihre Kompetenz aufblitzen ließen. HSBC punktete dagegen speziell bei der Finanzstruktur mit guten Credit Default Swap-Werten und dem vorbildlichen Kundenservice. Besonders warm anziehen mussten sich bei den Hinterbänklern Morgan Stanley und Barclays Capital mit einem Gesamtrating von nur BBB. Am meisten Luft nach oben stellten die Analysten von Scope bei den Briten in Bezug auf die Emissionsprozesse und bei der Produktpalette fest, während bei den Amerikanern die ein oder andere Garantiestruktur und die hohen CDS-Werte Rätsel aufgaben.

Überhaupt erbrachte das Prüfkriterium „Finanzstruktur" leider die schlechtesten Ergebnisse, was dem Zertifikatemarkt im Falle einer weiteren nicht gerade unwahrscheinlichen Finanzkrise möglicherweise endgültig den Garaus machen könnte. So besteht laut Scope bei mehr als einem Drittel der Emissionshäuser mit BBB noch deutliches Nachholpotential. Besonders schlecht schnitten dabei die WestLB, die BHF-Bank und wiederum Morgan Stanley ab. Dass die Emittentenbonität entgegen so mancher Expertenmeinung aber doch noch eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich auch an dem wieder anziehenden CDS-Mittelwert von aktuell 90 Basispunkten, nachdem er zwischenzeitlich schon niedriger notierte. Die vor diesem Hintergrund von Sasa Perovic, dem Leiter der Zertifikateanalyse bei Scope gleichzeitig bei den Anlegern beobachtete höhere Risikoneigung gibt dabei durchaus Grund zur Sorge, die so manchem gierigen Investor längst wieder abhanden gekommen zu sein scheint.

Kein Ruhmesblatt zeigte auch die Prüfung der Emissionsprospekte, bei der die Scope-Analysten statt auf den an dieser Stelle eigentlich eher angesagten Pragmatismus auf jede Menge Kreativität stießen. Dabei waren häufig Garantiegeberin und Emissionsgesellschaft nicht identisch bzw. gleich mehrere Garantiegeberinnen mit unterschiedlichen Bonitäten im Umlauf, was die Durchsetzung von Rechtsansprüchen im Falle eines Falles nicht gerade erleichtern dürfte. Zudem entdeckte Scope Verklausulierungen wie „Sonderkündigungsrechte der Emittentin zu einem Marktwert nach billigem Ermessen oder eine „nachrangige Bedienung von Schuldverschreibungen bei Insolvenz". Alles Formulierungen, die „das Emittentenrisiko zusätzlich verschärfen", so Holger Müller-Brandes, Senior Analyst für Management Qualität.

Deutlich unverfänglicher gestaltete sich da schon die Prüfung der Informations- und Servicequalität beispielsweise in Form des Informationsangebots auf den Webseiten oder der Möglichkeit der Kontaktaufnahme für Retailkunden, wenn gleich Scope auch hier weitere Schwachpunkte ausmachen konnte, wie z.B bei der Mehrheit der Emittenten die nicht ausreichende Produkttransparenz, fehlende oder unzureichende Risikokennziffern und die besonders mangelhaften Informationen zum Basiswert, was sich bei der Vielfalt der angebotenen Underlyings durchaus als Eigentor erweisen könnte, schließlich wird dem Anleger ja immer wieder ans Herz gelegt, nur das zu kaufen, was er auch wirklich versteht.

Als Fazit des Management-Ratings von Scope bleibt festzuhalten, dass die Schwächen beim Kundenservice sicherlich weit weniger ins Gewicht fallen dürften als diejenigen in der Finanzstruktur der Unternehmen. Denn ein zweites Lehman-Desaster sollte in jedem Fall vermieden und in diesem Zusammenhang nicht erst auf ein beherzteres Eingreifen der Regierungen als 2008 vertraut werden. Es bleibt also noch viel zu tun.

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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