Kommentar
15:01 Uhr, 26.05.2008

Schwellenländer: Widerstandsfähiger als je zuvor

Aktien aus Schwellenländern haben seit Jahresbeginn auf Euro-Basis um fast 6 Prozent nachgelassen (Stand 16.05.08). Dieser Kursrutsch entsprach in etwa dem Einbruch an den Aktienmärkten weltweit. Dabei gibt es allerdings große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern: Während indische Aktien auf Dollar-Basis um 22 Prozent rutschten, legten brasilianische Titel um ungefähr den gleichen Prozentsatz zu. Es kommt daher auf die richtige Streuung an

Vor nicht allzu langer Zeit reagierten die Aktienmärkte der aufstrebenden Industrieländer noch ausgesprochen empfindlich auf konjunkturelle Abkühlungen in den USA. Das hat sich geändert. Die konjunkturelle Dynamik der Emerging Markets ist ungebrochen und auch der Boom an einigen aufstrebenden Aktienmärkten hält an – trotz negativer Impulse aus den USA.

Starke Volkswirtschaften

Die Emerging Markets verhalten sich diesmal weitaus konjunkturresis-tenter als bei früheren Abschwüngen in den USA. Bislang haben diese Volkswirtschaften wenig von ihrer Dynamik eingebüßt und werden auch in diesem Jahr wieder wesentlich zum Weltwirtschaftswachstum beitragen. Dadurch wird die Weltwirtschaft in diesem Jahr um weitere 3 bis 4 Prozent zulegen. Russland Bruttoinlandsprodukt wuchs im ersten Quartal um 8 Prozent. Chinas Volkswirtschaft setzt ihren Wachstumskurs von rund 10 Prozent pro Jahr fort.

Der anhaltende Boom auf den Emerging Markets ist einer der Hauptgründe für den weltweiten Anstieg der Preise für Energie, Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte. So liegt der Ölpreis jetzt 70 Prozent höher als im August 2007. Trotz ihrer konjunkturellen Dynamik belastet dieses Preisniveau bereits die Volkswirtschaften einiger Emerging Markets. Während also die Rohstoff erzeugenden Länder profitieren, geraten die Nachfragerländer zunehmend unter Druck.

Asien: Märkte reagieren sensibel auf hohe Erdölpreise

Der gegenwärtige Trend belastet die asiatischen Volkswirtschaften. Diese Länder sind stark exportabhängig und reagieren daher empfindlich auf den scharfen Konjunktureinbruch in den USA. Darüber hinaus ist Asien auch als wichtiger Abnehmer von Erdöl und Rohstoffen in einer prekären Situation. Die Aktienbewertungen in China (12%iger Rückgang auf Dollar-Basis), Indien (minus 22 Prozent), Südkorea (minus 7 Prozent) und einigen kleineren Ländern sind in diesem Jahr deutlich gefallen (Stand 16.05.08). Auf einigen der kleineren Märkte wie den Philippinen (minus 22 %) und Indonesien (minus 5 %) kam mangelnde Liquidität als weiterer Negativfaktor hinzu.

Thailand (plus 8 Prozent) und Taiwan (plus 12 Prozent) schnitten hingegen überdurchschnittlich ab. Thailändische Aktien sind derzeit attraktiv bewertet, und die neue Regierung Taiwans bemüht sich um eine Entspannung in den Beziehungen zu China. Das könnte unter anderem die Aufnahme von Direktflügen zwischen den beiden Ländern bedeuten.

In unseren globalen Emerging-Markets-Aktienfonds ist diese Region vor allem wegen der deutlichen Untergewichtung von China und Südkorea derzeit untergewichtet. Russland: Starke Rahmendaten

Russland profitiert erheblich von den hohen Preisen für Erdöl, Erdgas und Rohstoffe. Hinzu kommen Haushalts-, Zahlungsbilanz- und Handelsbilanzüberschüsse. Russland verfügt zudem über ausreichend eigenes Kapital. Dies ist insbesondere in Zeiten niedriger Liquidität und sinkender Risikoneigung bei Investoren von großem Vorteil.

In Anlegerkreisen schätzt man das neue russische Führungsduo, bestehend aus Präsident Dmitrij Medwedew und dem jetzigen Premierminister Wladimir Putin, optimistisch ein. Nachdem russische Aktien in diesem Jahr zunächst unter Druck gerieten, zogen sie im Mai wieder deutlich an. Die von Putin befürworteten Steuererleichterungen für Ölexporteure befeuerten diese Rally.

U. a. aufgrund der attraktiven Bewertung russischer Aktien werden diese Werte in den entsprechenden regionalen (und globalen) Aktienfonds seit einiger Zeit übergewichtet. Die noch zu Beginn des Jahres herrschende politische Unsicherheit hat sich jetzt verflüchtigt.

Tschechische Werte sind über- und türkische Aktien untergewichtet. Im Gegensatz zu Russland reagiert die Türkei empfindlich auf äußere Einflüsse. Das liegt vor allem an den Zahlungs- und Handelsbilanzdefiziten des Landes, die es von Auslandskapital abhängig machen. Zudem muss die Türkei nahezu ihren gesamten Erdölbedarf im Ausland decken. Auch dadurch sind ihr Aktienmarkt und ihre Währung anfällig für Störeinflüsse.

Lateinamerika: der Rohstoffriese

Dem lateinamerikanischen Kontinent kommen die hohen Preise für Erdöl und Rohstoffe eindeutig zugute. Die Aktienmärkte der Region legten in diesem Jahr bis Mitte Mai auf Dollar-Basis um 13 Prozent zu und schnitten damit deutlich besser ab als reifere Märkte sowie andere Schwellenländermärkte weltweit.

Standard & Poor’s hob das Rating der Staatsanleihen Brasiliens, des wichtigsten Landes der Region, am 30. April auf Investment-Grade an. Damit steht die Investition in brasilianische Regierungstitel jetzt einem größeren Kreis von institutionellen Anlegern offen. Gleichzeitig hat diese Meldung den Kurs brasilianischer Aktien in den letzten sechs Wochen (seit Anfang April) um rund 25 Prozent nach oben gepuscht.

Unsere globalen Emerging-Markets-Aktienfonds weisen bei Werten der Region eine weitgehend neutrale Gewichtung auf. So lange die Rohstoffpreise stabil bleiben (bzw. steigen), ist das günstig. Sollten die Preise allerdings fallen, sei es infolge einer unerwartet starken konjunkturellen Abkühlung in den USA, ist diese Region einem Risiko ausgesetzt. Auch wenn die US-amerikanische Rezession nach unserer Einschätzung (und der des Marktes) mild ausfallen wird (darauf deuten jedenfalls die jüngsten Konjunkturindikatoren hin), ist die komplexe wirtschaftliche Situation der USA (Misere am Wohnbaumarkt, Kreditkrise) mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbunden. Dies gilt umso mehr in Anbetracht von Rohstoffpreisen in Rekordhöhe.

Fazit

Mehrere ING-Aktienfonds engagieren sich auf den Emerging Markets, wobei sowohl global als auch im Hinblick auf die drei Regionen Asien, Lateinamerika und EMEA (Europa, Nahost und Afrika) diversifiziert wird. Investoren, die davon überzeugt sind, dass die Rohstoffpreise stabil bleiben bzw. weiter steigen, sollten sich für einen Fonds entscheiden, der ausschließlich in Lateinamerika investiert. Ein globaler Aktienfonds würde dagegen eine bessere Streuung bieten.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit Euro annähernd 400 Milliarden Assets under Management (Q2 2007), vertreten in 30 Ländern mit 2.500 Experten (Europa: 713, Americas: 866, APAC: 921), ist ING Investment Management (ING IM) weltweit unter den Top 25 im Asset Management. ING IM Europe hat Niederlassungen in 14 europäischen Ländern mit annähernd Euro 160 Milliarden Assets (Q2 2007) under Management.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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