Kommentar
08:50 Uhr, 02.09.2022

Schuldenproblem lösen durch Inflation? So einfach funktioniert das nicht

Die Verschuldung vieler Staaten ist hoch. Mit der aktuell hohen Inflation besteht die Hoffnung, dass sich die Schulden weginflationieren lassen. So einfach ist es aber nicht.

In der Theorie hat die hohe Inflationsrate zumindest einen positiven Effekt. Die Verschuldung sollte schneller sinken als in Zeiten niedriger Inflation. Die Wirtschaftsleistung steigt schnell an. So hat Deutschland nach Abzug der Inflation bei der Wirtschaftsleistung das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Die nominale Wirtschaftsleistung steht hingegen 6,2 % höher als Ende 2019 vor Beginn der Pandemie.

Der Schuldenberg sinkt dadurch zwar nicht, aber relativ zur Wirtschaftsleistung wird er kleiner. Die relative Verschuldung sinkt also. Je höher die Inflationsrate, desto schneller sollte die Verschuldung sinken. Aus dieser Perspektive ist der Inflationsschub geradezu ein Segen. So einfach ist es aber nicht.

Zum einen steigen bestimmte Staatsausgaben mit der Inflation (z.B. gewisse Sozialleistungen). Der Nettoeffekt ist aber immer noch positiv. Der Nettoeffekt kann dafür an anderer Stelle negativ sein. Dies hängt davon ab, wie die Staatsschulden strukturiert sind. Einige Länder haben einen hohen Anteil an inflationsgebundenen Anleihen. In Deutschland ist der Anteil mit 4 % an den Gesamtschulden sehr niedrig. In den USA liegt der Anteil doppelt so hoch und in Großbritannien machen inflationsgebundene Anleihen fast ein Fünftel der Schulden aus (Grafik 1).


Inflationsgebundene Anleihen zahlen einen Basiszins, der häufig sehr niedrig ist. Zusätzlich zu diesem Basiszins erhalten Anleger einen Inflationsausgleich. In Großbritannien liegt die Inflation schon jetzt im zweistelligen Bereich und wird auf mindestens 13 % steigen. Einige Investmentbanken können sich sogar eine Inflationsrate von knapp 20 % vorstellen.

In den USA, wo der Anteil inflationsgebundener Anleihen noch überschaubar ist, steigen die Zinsausgaben des Staates dennoch um 100 Mrd. an, nur weil weniger als ein Zehntel der Anleihen an die Inflation gebunden ist (Grafik 2). Die Zinslast steigt um ein Fünftel. Das ist ein massiver Sprung nach oben.


Noch schlimmer trifft es Großbritannien. Die monatlichen Zinszahlungen für alle Anleihen lag bis vor kurzem bei durchschnittlich 6 Mrd. Die Hälfte davon entfiel auf inflationsgebundene Anleihen. Wegen der hohen Inflation steigt dieser Betrag massiv an (Grafik 3). Derzeit stehen inflationsgebundene Anleihen mit einem Volumen von 370 Mrd. aus. Geht man vom schlimmsten Fall aus (Inflation von 18 %) steigen die Zinszahlungen für diese Anleihen auf 3 % der Wirtschaftsleistung.

Schulden durch Inflation loszuwerden funktioniert in der Theorie sehr gut. In der Praxis gibt es einige Probleme, da viele Kosten ebenfalls ansteigen. Dies betrifft Großbritannien wegen des hohen Anteils inflationsgebundener Anleihen besonders. In Deutschland dürfte die Zinslast um weniger als 10 Mrd. ansteigen, in Frankreich um etwas mehr als 10 Mrd. und in Italien um 15 Mrd. Das ist verkraftbar. Die hohe Inflation ist für manche Länder ein größerer Segen als für andere. Der Nettoeffekt ist bei allen positiv, wenn teils auch nur knapp und wird meist überschätzt.

Clemens Schmale


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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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