Kommentar
14:27 Uhr, 19.09.2012

Schuldenkrise: Auf der Suche nach dem Ausweg!

Die Vermögen in Deutschland steigen immer weiter an. Wie die "Süddeutsche Zeitung" am Dienstag unter Berufung auf den vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung berichtete, hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland in den letzten 20 Jahren von knapp 4,6 Billionen Euro auf zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt. Davon ist rund die Hälfte Geldvermögen. Die Finanzkrise hat an dieser Entwicklung nichts geändert. Allein seit 2007 ist das private Nettovermögen um 1,4 Billionen Euro gestiegen.

Dieser Wohlstand ist jedoch ungleichmäßig verteilt. Während den reichsten zehn Prozent mehr als die Hälfte dieses Vermögens gehört, entfällt auf die untere Hälfte der Haushalte gerade mal ein Prozent. Auffällig ist zudem, dass der Anteil des oberen Zehntels im Zeitverlauf immer weiter gestiegen ist.

Zusammenhang von Vermögen und Schulden

Die im Armuts- und Reichtumsbericht skizzierte Entwicklung ist auch ein Anzeichen der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise. Man könnte auch von einer Guthabenkrise sprechen. Um dies zu verstehen muss man wissen, dass das was wir als Geld bezeichnen, im Grunde nichts anderes als ein Schuldschein ist. Geld entsteht nur durch die Vergabe von Krediten (Geld = Kredit) und durch den Ankauf von Vermögensgütern durch Zentralbanken. Neuen Krediten steht damit auch immer ein neues Geldvermögen gegenüber.

Sobald jemand spart, fehlt dieses Geld im Wirtschaftskreislauf. Es muss daher jemand im System einen Kredit aufnehmen, um die Wirtschaft in Gang zu halten. Andernfalls kommt es unweigerlich zu einer Rezession, sofern sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nicht erhöht. Um einen Rückgang der Wirtschaftsleistung zu vermeiden, können die Zentralbanken mit Hilfe ihrer Geldpolitik die Nachfrage nach Krediten beeinflussen. Sollte die erforderliche Nachfrage nach Krediten dennoch ausbleiben, muss in letzter Instanz der Staat einspringen.

Angenommen in einem Jahr wird nichts gespart und auf das gesamte Geldvermögen auch nicht zugegriffen. Allein durch die Zinsen würde das Geldvermögen weiter steigen. Das Geld für die Zinsen existiert jedoch noch nicht und muss daher durch Kredit erschaffen werden. Wenn sich nun niemand (Privatpersonen, Unternehmen, Staat) bereit erklärt Kredite aufzunehmen, kommt es zwangsläufig zu Ausfällen bei bestehenden Krediten in Höhe der anfallenden Zinsen. Nur eine Ausweitung der Verschuldung kann dies verhindern.

Wenn man diesen ökonomischen Grundsatz berücksichtigt, ist offensichtlich, dass mit der vermeintlichen Rettungspolitik unserer Regierungen eine Lösung der aktuellen Krise schlicht nicht möglich ist. Schulden können nur zurückgezahlt werden indem Vermögen in gleicher Höhe gestrichen werden.

Lösungsmöglichkeiten

Irgendwann ist eine kritische Größe erreicht, ab der die Schulden und Schuldzinsen von der Masse nicht mehr getragen werden können. An diesem Punkt sind wir womöglich bereits angelangt. Aus den oben genannten Gründen wird eine Lösung der Schuldenkrise auch am Geldvermögen nicht spurlos vorübergehen. Es gibt vier mögliche Lösungswege:

1. Schuldenschnitt/Kreditausfall

Wie Anfang des Jahres in Griechenland werden durch einen freiwilligen Schuldenschnitt Guthaben und Schulden gegeneinander verrechnet. Das Gleiche passiert bei einem Kreditausfall in Folge einer Privat-, Firmen oder Staatsinsolvenz. Dies wäre in einer freien Marktwirtschaft der natürliche Weg. Von der Politik wird das derzeit aber mit aller Macht verhindert. Infolge der Immobilienblase sind bereits Hypothekenkredite in Milliardenhöhe geplatzt. Dadurch sind etliche Banken in Schieflage geraten. Durch die "Rettungsmaßnahmen" der Politik wurden die Kredite jedoch auf die Steuerzahler umverteilt - sie bestehen also noch immer.

2. Vermögenssteuer

Durch die Besteuerung großer Vermögen könnte der Staatshaushalt saniert und die öffentliche Verschuldung zurückgeführt werden. Gleichzeitig können staatliche Investitionen die Wirtschaft ankurbeln, was Unternehmen und Privathaushalten bei der Entschuldung helfen würde.

3. Konsum/Investition

Wenn alle Vermögenden damit beginnen würden, ihre Bank- und Sparguthaben zu verkonsumieren, würde dies ebenfalls zu einer Entschuldung führen. Den gleichen Effekt hätte es, wenn die Gelder in die Wirtschaft investiert werden. Voraussetzung ist jedoch, dass so viel konsumiert/investiert wird, dass die Vermögen schrumpfen. Das Guthaben muss also so lange ausgegeben werden, bis es bei jemandem ankommt, der damit Schulden tilgt.

4. Inflation (negativer Realzins)

Auch durch Inflation kann die aktuelle Schuldenkrise gelöst werden. Voraussetzung ist, dass die Inflationsrate höher ausfällt als die Verzinsung des Guthabens. Der nominale Wert der Guthaben/Schulden sinkt dadurch zwar nicht, gemessen an der Kaufkraft sinken Guthaben und Schulden jedoch. Bei einer relativ moderat klingenden Inflationsrate von 5% wird jedes Guthaben - und damit auch die Schulden - bereits nach gut acht Jahren wertmäßig halbiert.

Die Regierungen der Industrieländer scheinen den Weg der Inflationierung eingeschlagen zu haben. Die großen Notenbanken dieser Welt versuchen die Krise mit der Notenpresse zu lösen. Damit ist der Grundstein für Inflation gelegt. Das ist jedoch ein sehr gefährliches Spiel, da Inflation nur sehr schwer kontrollierbar ist und schlimmstenfalls sogar in einer Hyperinflation enden kann.

Es ist mittlerweile auch eine fünfte, sehr spekulative Möglichkeit nicht mehr gänzlich auszuschließen. Die Notenbanken könnten Schuldtitel teilweise oder ganz aufkaufen und anschließend - möglicherweise in einer konzertierten Aktion - auf die Rückzahlung der gehaltenen Papiere verzichten und den Staaten damit die Schulden erlassen. Dies würde ein Loch in die Bilanzen der Zentralbanken reißen und sie wären bilanziell überschuldet. Anschließend bräuchte es eine politische Entscheidung, die Bilanzen der Notenbanken neu aufzusetzen und wieder bei null starten zu lassen. Was man vor wenigen Jahren noch als reine Illusion bezeichnen musste, erscheint heutzutage durchaus möglich, auch wenn das Staatsfinanzierung in Reinform wäre. Das könnte sich jedoch als "alternativlos" erweisen. In den vergangenen Jahren haben wir bereits gesehen, dass bestehendes Recht und Gesetze für die Politik sehr biegsam sind.

Autor: Thomas Gansneder

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Über den Experten

Thomas Gansneder
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Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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